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Ausübung es besonders bedeutsam in Frage kommt.

Aber es findet natürlich auch in allen anderen Teilen der Rechtsordnung seine mögliche Anwendung; nicht zum wenigsten auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechtes. Begründetermafsen war namentlich von den älteren Pandektisten schon darauf hingewiesen worden, dafs die in integrum restitutio des römischen Rechtes ihrem Wesen nach mit der Begnadigung eines verurteilten Verbrechers völlig gleichartig ist; und ein Unterschied im schärferen Sinne nur darin besteht, dafs die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand privatrechtliche Zustände wieder herstellt, während die Begnadigung in der genannten Anwendung dem öffentlichen Rechte angehört.

In allen Fällen der Begnadigung handelt es sich um einen besonderen Akt eines dazu Berechtigten. Der Akt kann sich in den Formen der Gesetzgebung vollziehen, z. B. als Amnestiegesetz; er kommt aber gewöhnlich ¡ als einzeln wirkende Handlung vor, sei es des auf sein Recht verzichtenden Rechtsangehörigen, oder eines öffentlichrechtlichen Organes. Für diese zuletzt angegebenen Fälle hat man mit Fug die Konstruktion eines publizistischen Rechtsgeschäftes vorgeschlagen.

Der Gnadenakt führt stets eine Begünstigung und Wohltat für eine bestimmte Person mit sich, welche sonst gewisse ihr unerfreuliche Rechtsfolgen auf sich nehmen müfste. Dabei haben allerdings andere Menschen infolge jener gnädigen Zuwendung Nachteil: So der auf sein gesetzliches Recht aus Gnade freiwillig Verzichtende; oder der Gegner bei der einem andern durch den Prätor erteilten Restitution; oder die Gesamtheit im Falle der Begnadigung eines Schuldigen. Aber der Gedanke der Gnade

richtet sich in praktischer Stärke zuvor auf das Nachlassen. von drückenden gesetzlichen Folgen. Wenn sich in der fränkischen Zeit auch eine Entziehung der königlichen Gnade ausgebildet hatte, die den Abbruch aller persönlichen Beziehungen zum Hofe bedeutete, sowie den Verlust alles dessen, was der von der Ungnade Betroffene an Ämtern oder Gütern vom Könige empfangen hatte, so ist dieses Vorgehen auf das Ziel des jetzt zu erwägenden Begnadigungsrechtes nicht gerichtet gewesen. Soweit sie als Mittel der Rechtssicherheit und geradezu als Strafe gemeint war, so würde es eine, uns fremde, Art der Setzung von Recht und der amtlichen Verwirklichung seiner darstellen.

Als Lehre von der Gnade im Rechte treten zwei Fragen auf:

1. Die technische Vorfrage nach den Fällen, da Begnadigungen auf Grund einer bestimmten Rechtsordnung zulässig sind; und die Feststellung der danach gesetzlich zuständigen Persönlichkeit oder Behörde.

2. Die sachliche Hauptfrage nach dem mafsgeblichen Gesichtspunkte für die innere Berechtigung der Vornahme und der Ausgestaltung eines besonderen Gnadenaktes. Jenes hat die technische Rechtslehre ausführlich beschäftigt. Das zweite gehört genauer in den Rahmen unserer Untersuchung.

Dabei ist der Grundsatz voranzustellen, dafs die Vornahme einer Begnadigung im Rechte nicht in subjektiver Laune und als Ausflufs persönlicher Willkür geschehen soll. Mit Fug werden die Akte von Gnadenerteilungen einer sachlichen Kritik unterzogen. Und es geht nicht an, darauf mit der Ordonnanz Karls VIII. antworten zu

wollen: Tel est notre plaisir! Auch für die Gnade besteht die Aufgabe einer richtigen Anwendung.

Das darf durch Kuriosa der sozialen Geschichte sich nicht trüben lassen. Die Zuschauer der römischen Zirkusspiele mochten nach launischer Eingebung bestimmen, dass der überwundene Gladiator am Leben bliebe; der Frohnbote des Mittelalters konnte dem zehnten Manne von allen zum Tode Verurteilten beliebig die Lösung des Halses gestatten: Aber ein Recht der Gnade, das einer ernsten Erwägung würdig wäre, liegt in solchen Abirrungen nicht.

Diese grundsätzliche Auffassung dürfte im allgemeinen den Schriftstellern über das Begnadigungsrecht übereinstimmend wohl vorgeschwebt haben; nur in der Einzelschattierung gehen sie auseinander. Die einen nennen die Gerechtigkeit oder die Billigkeit als Prinzip der Gnade, wohl auch mit dem gewagten Bilde eines Sicherheitsventils des Rechtes sie bezeichnend; andere geben die Liebe, das Wohlwollen, die Güte/an; wieder andere die Politik oder die Staatsklugheit. Aber das sind doch nur verschiedene Schlagworte, welche mit kurzem Anlaufe auf das Sachliche hin die technischen Erörterungen begleiten. Sie haben indessen den Gedanken gemeinsam, dafs dem Gebote des gesetzten Rechtes gegenüber lieber das eintreten solle, was eigentlich das Richtige sei; und geben dieser Erwägung nur in ihrer Sprache und mit stärkerer Abtönung dieses oder jenes Faktors Ausdruck, der bei der tatsächlichen Ausübung der Gnade sich besonders bemerklich gemacht hat.

An dieser Stelle kommt es nun auf den Zweifel weiter nicht an, ob das Prinzip der objektiven Begründetheit für einen Gnadenakt mit der einen oder anderen Formulierung, die wir anführten, auch wirklich getroffen worden

sei. Es genügt die Besinnung darauf, dafs es sich immer um das Streben handelt, auch den Inhalt von Rechtshandlungen der Gnade mit der Eigenschaft des Richtigen zu versehen. Dann aber erhebt sich schärfer die Frage nach dem Verhältnisse des richtigen Rechtes zur Gnade. Es wird sich klären lassen, wenn wir, im Festhalten des Grundgedankens einer notwendigen richtigen Betätigung des Begnadigungsrechtes, die verschiedenen Möglichkeiten seiner Anwendung systematisch vorstellen.

II.

Gnade wegen Unsicherheit nach gesetztem Rechte.

Die erste Bewährung der eben dargelegten Absicht der Gnade zeigt sich in den Fällen, in welchen gewisse Folgen eines gesetzten Rechtes eintreten sollen, die in ihrer Begründung nach positivem Rechte selbst zweifelhaft sind.

Dies kann der Fall sein wegen nicht genügender Klarstellung des abgeurteilten Tatbestandes; insbesondere bei einem Indizienbeweise. Es ist aber auch denkbar bei einer Unsicherheit über den wirklichen Sinn rechtlicher Normen, die in einem zweifelhaften Falle zur Anwendung gebracht worden sind.

Wir nehmen den Fall einer Streitsache, die für den Richterspruch verhandelt worden ist. Das zuständige Organ des Rechtes mufs seinen Entscheid mit formaler Bestimmtheit und ohne Schwanken in der Sache abgeben; obgleich es sich dann nicht der Erkenntnis verschliefst, dafs die Grundlage seines Spruches ungewifs ist. Die Notwendigkeit

des festen Haltes an einer sicher auftretenden Entscheidung läfst sich nicht umgehen. Es ist ein sachlich begründeter Gedanke, den der Code civil 4 ausdrücklich ausspricht: Le juge qui refusera de juger, sous prétexte du silence, de l'obscurité ou de l'insuffisance de la loi, pourra être poursuivi comme coupable de déni de justice.

Hier ist Raum für die Gnade.

Unter welchen begrenzenden Voraussetzungen sie einsetzen darf, mufs, wie bemerkt, dem Inhalte der bestimmten Rechtsordnung selbst entnommen werden; und diese Erörterung der technischen Jurisprudenz zählt nicht zu unserer dermaligen Aufgabe. Sobald aber in formal zulässiger Weise die Erwägung eines Gnadenaktes eintritt, so wird für ihn die richtige Linie des Urteiles die sein: Eine Rechtsfolge zu vermeiden, welche nur in bezweifelter Weise dem Willen des gesetzten Rechtes entspricht; deren Verwirklichung jedoch bei anderer besserer Einsicht nicht wieder zu berichtigen wäre. Oder positiv genommen, so ist es hierbei richtige Ausübung der Gnade: Die Möglichkeit einer Besserung gerade im Sinne des gesetzten Rechtes selbst durch geeignete Anordnung offen zu halten.

Der Gedanke ist einfach und bedarf keiner weiteren Erörterung. Es wird jeder Leser von selbst das nahe gelegene Beispiel der Begnadigung bei einem Todesurteile einsetzen, das auf Grund eines nicht ganz zweifellos aufgehellten Tatbestandes gefällt worden ist. In dieser Hinsicht ist das Gnadenrecht so sehr begründet und als Einrichtung nicht zu entbehren, dafs der prinzipielle Widerspruch, den mit manchen Autoren des 18. Jahrhunderts auch KANT dagegen erhob, nur durch den häufigen Mifsbrauch einer von allen Geboten des Richtigen sich

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