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entbindenden Macht historisch erklärt werden mag. Sind doch auch sonst die üblen Traditionen damaliger Willkür noch nach Menschenaltern ein verbreitetes Hemmnis einer objektiven Würdigung im öffentlichen Leben geblieben!

Nach solcher ist es aber vollauf zu billigen, wenn nach unseren Gesetzen die Vollstreckung eines Todesurteiles erst zulässig ist, wenn die Entscheidung des Staatsoberhauptes ergangen, von dem Begnadigungsrechte keinen Gebrauch machen zu wollen. Hier ist also durch das gesetzte Recht allgemein bestimmt, dafs die Gnade in Erwägung gezogen werden soll; es ist diese Erwägung hier zur Rechtspflicht erhoben, während zumeist die Frage danach schon, in den dazu positiv geeigneten Fällen, nicht unter äufserer Norm mehr steht.

Wenn jedoch Gnade vor Recht genannt wird, so ist die seither besprochene Anwendung der Begnadigung wohl nicht gemeint. Begriff und Betätigung der Gnade geht nicht hauptsächlich auf das Hintanhalten eines unsicheren, als vielmehr auf sachliche Berichtigung einer in sich gewissen Folge des gesetzten Rechtes. Die vorhin beschriebene Ausübung der Gnade gehört zur exakten Verwirklichung des gesetzten Rechtes als solchen; sie ist mithin nur mittelbar mit der Aufgabe des richtigen Rechtes zusammenzustellen. Das verhält sich bei der zweiten Richtung der Gnade anders; deren Eigenart sich hier anschliefst.

III.

Gnade zur Berichtigung von gesetztem Rechte.

Wir gebrauchen das Wort Gnade auch als Norm eines richtigen Verhaltens gegenüber blofser Willkür, die gar nicht einem gesetzten Rechte entspricht. Wenn in dem russischen Märchen der Wolf den Hasen gefangen hält, um ihn morgen zu verzehren, aber vielleicht will er ihn auch begnadigen; falls der Räuber von dem Reisenden angefleht wird, ihm aus Gnade das Leben zu schenken: so zeigt dies die Übertragung des Ausdruckes Gnade auf ein fremdes

Gebiet.

Die willkürliche Gewalt wird in ihrem begrifflichen Gegensatze zu der rechtlichen Ordnung hier vorausgesetzt (Wirtschaft und Recht § 86). In ihrem Inhalte ist jene immer unrichtig. Da der Machthaber bei ihr an seinen Gewaltbefehl sich selbst gar nicht binden will, so vermag eine solche Anordnung von blofs subjektiver Bindung ihrem Sinne nach sich gar nicht als Norm von objektiv gültigem Inhalte vorzustellen. Ein Anrufen von Gnade gegenüber der Willkür heifst nichts weiter, als die Bitte, auf die Gewalttat zu verzichten.

Das Recht dagegen kann in seinem Inhalte sowohl richtig als unberechtigt sein. Seine Eigenschaft einer allgemeinen Ordnung in wechselseitiger Bindung ermöglicht beides. Darum trifft hier das Einsetzen der Gnade mit Grund nur den einen Teil: Das Recht, das inhaltlich unrichtig ist. Hieran mufs mit Sicherheit festgehalten werden. Es ist immer die Vorstellung zu vermeiden, als ob man es bei der Gnade mit einer Nachgabe schlechterdings

Stammler

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zu tun hätte; etwa dunkel vorgestellt als ein liebevolles Wohlwollen, das nichts als Erbarmen wäre. Das wäre eine Selbsttäuschung.

Man darf nicht hoffen, sich ihr berechtigtermassen zu überlassen, indem man auf die göttliche Gnade hinsieht. Denn diese, wie die Religion sie lehrt, will ein Beistand sein zum Erlangen gerade des rechten Wollens. Nur dafs sie jederzeit bereit steht und durch unbedingte Hingebung an das Gute immer erhalten, durch nichts verloren werden. kann. Dem, der Unrichtiges will, steht sie vorerst fern. Sie will im Suchen nach dem Richtigen erworben sein: Mag man sie im Sinne des alten Bundes - als Aufhebung der Sündenfolgen wegen äufserer Gerechtigkeit des Menschen. nehmen, oder aber seit PAULUS als Begnadigung wegen der vollen inneren Hingabe an die unendliche Gottheit, immer klingt dieser Ton durch, dafs wegen Reue und Bufse die nach dem Gesetze verwirkte Strafe nicht mehr begründet sein soll.

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In unserer Aufgabe dreht es sich um das äufsere Verhalten. Es stehen sich Personen von grundsätzlich gleichem Range gegenüber. Und was dem einen zuzuwenden ist, das mufs erst einem anderen genommen werden. Eine Gnade, welche das sonder Besinnung täte, von der Wucht vielleicht eines augenblicklichen Empfindens hingerissen, und blofs den einen Bittenden im Auge haltend: die wäre nichts, als eitel Unrecht.

Es gibt mithin für die Gnade, welche sich dem positiven Rechte gegenüber als Forderung erhebt, kein anderes Ziel, als richtiges Recht, wenn sie selber sachlich begründet sein will. Sie ist unmittelbar ein besonderes Werkzeug im Dienste des richtigen Rechtes. Ihre Akte

sollen einen den letzteren entsprechenden Zustand für dazu bestimmte Fälle in begrenzter Richtung herstellen.

Das Verhältnis der Begriffe von richtigem Rechte und Gnade ist also dieses, dafs beide das felbe Ergebnis suchen. Indem wir von dem Hilfsmittel der Gnade bei Unsicherheit des einem positiven Willensinhalte Entsprechenden hier absehen dürfen, so zeigt sich nun die Begnadigung als ein besonders geartetes Mittel zu richtigem Rechte. Und die weiterführende Frage lautet daher: Welches ist die allgemeine Eigentümlichkeit der Gnadenakte, wodurch sie sich von sonstiger Verwirklichung richtigen Rechtes unterscheidet, nicht im Interesse der formalen Zuständigkeit und der technischen juristischen Konstruktion (als Rechtsetzung oder Rechtsgeschäft und dergleichen), sondern in der Absicht, den sachlichen Wert in der Eigenart jenes Weges, der zu richtigen Rechtsergebnissen führen soll, zu erkennen?

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Ehe wir die Antwort versichern, sei es zuvor vergönnt, an einiges Material der Beurteilung zu erinnern.

Eine technisch interessante Beobachtung zeigt, dafs man in steigendem Mafse sich bemüht hat, die richterliche Tätigkeit und die begnadigende Macht zu trennen und zwei verschiedenen Organen anzuvertrauen. Von den römischen Volksgerichten sagt MOMMSEN, dafs sie wesentlich. Gnadeninstanz waren. Die Gesetze, welche den Strafrichter binden, binden die souveräne Bürgerschaft nicht, es steht jedem einzelnen an seinem Teil und also der Majorität frei, der Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen oder dem Verurteilten die Strafe nachzusehen. -- Und aus dem altdeutschen Gerichtsverfahren ist es bekannt, dafs der eines Verbrechens Angeklagte sich mit freiwilligem Geständnisse

in die Gnade des Richters begeben konnte (entstanden aus dem älteren Strafablösungsrechte, indem man die Lösungssumme und die Einwilligung des Anklägers fallen liefs).

In langer, von Kämpfen hart durchzogener Entwickelung hat sich die genannte Trennung allgemach durchgesetzt. Aber ihre Behauptung wird ihr weithin schwer gemacht. Von unseren westlichen Nachbarn, aus einem Lande von grundsätzlich trefflicher Justiz, mehren sich die Nachrichten, dass die Gerichtshöfe Angeklagte freisprechen, die geständig waren, im Drange der Not für sich oder ihre Kinder das Gesetz übertreten zu haben, auch ohne dafs gerade ein strafrechtlicher Notstand nach der Schärfe der positiven Satzung gegeben war. Und man weifs, dafs die Geschworenengerichte an vielen Orten immer wieder Neigung zeigen, den Umweg zu scheuen: erst das gesetzte Recht im Wahrspruche verurteilend festzustellen und dann eine Begnadigung durch ein anderes Organ zu veranlassen, - den Umweg, und wohl auch das Unbehagen, eingeengt ein sachlich unrichtiges Urteil abgeben zu müssen, ohne die Sicherheit, dafs es später berichtigt werde, zu besitzen. Dafs dies einem technisch wohlgeordneten Verfahren das Konzept verrückt, liegt auf der Hand; und man könnte in einer Erörterung hierüber sich gegenseitig wenig Neues sagen. Was an dieser Stelle das Erinnern an jene Tatsachen nützlich macht, das ist nur die Darlegung des Drängens nach richtigem Ergebnisse, welches überall kraftvoll auftritt und zur sachlichen Begründung auch der Gnade als Mittel des richtigen Rechtes gegenüber der blofs positiven Regel führt.

Der Streit um die Berechtigung des Abolitionsrechtes gehört deshalb nicht hierher. Denn dieses Niederschlagen

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