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auch eine Berechtigung derjenigen Partei, welche auf eine Entscheidung nach richtigem Rechte anträgt. Der Richter, der dem nicht Folge geben wollte, würde eine Beugung des Rechtes begehen.

Wenn dagegen die Verfassung das Recht der Begnadig ung dem Könige zuschreibt, so geschieht dieses in dem Sinne, dem Träger der Staatsgewalt eine Berechtigung einzuräumen, auf deren Betätigen der einzelne, welcher sie wünscht, einen rechtlichen Anspruch nicht hat. Das gesetzte Recht nimmt die äufsere Einrichtung der Gnade in sich auf und bestimmt über die Fälle ihrer zulässigen Vornahme und über die zuständigen Organe der Ausübung; aber es stellt die Möglichkeit, auf diesem Wege das richtige Rechtsergebnis zu erreichen, dem Gewissen. der befugten Person allein anheim.

Zum Exempel ist die Ehelichkeitserklärung eines unehelichen Kindes durch eine Verfügung der Staatsgewalt ein Akt der Gnade und kann nicht von der Landesregierung im Wege des rechtlichen Zwanges beansprucht werden. (BGB. 1734). Anders steht es, wenn ein für volljährig erklärtes Kind vor der Vollendung des 21. Lebensjahres heiraten will, und die nach dem Gesetze erforderliche elterliche Einwilligung verweigert wird: Hier hat das Vormundschaftsgericht die Einwilligung zu ersetzen, wenn sie ohne wichtigen Grund verweigert wird; es hat das Kind ein erweisbares Recht auf die rechte Art der vom positiven Gesetze anbefohlenen Entschliefsung, das Vormundschaftsgericht eine rechtliche Verpflichtung, das Vorhandensein oder Fehlen eines wichtigen Grundes zu prüfen und festzustellen.

Dabei wird es nach den vorgeführten Beispielen deutlich sein, dass es sich keineswegs blofs um Äufserungen

des Souveräns oder auch nur anderer Organe des Staates handelt; sondern dafs es gleichermafsen auch bei allen Nachgaben irgend eines Rechtsangehörigen gegenüber einem anderen in Anwendung steht. Vielleicht mag der Sprachgebrauch hier und da schwanken. Aber in der Sache ist es ganz das Gleiche: Es ist das Verwirklichen von richtigen Normen, welches das gesetzte Recht selbst nicht fordert.

Hiernach können wir das begriffliche Verhältnis von richtigem Rechte und Gnade zusammenfassen.

Es ist nicht eine Verschiedenheit im behandelten. Gegenstand oder in dem Ziele seiner Bestimmung. Die Gnade will richtiges Recht verwirklichen. Nach dem Rechte darf sie natürlich nur eintreten, wo dieses sie zuläfst. Sie bedeutet einen eigenen Weg, den die Gesetzgebung einschlägt, um zu einem sachlich begründeten Resultate zu gelangen. Gnade ist das Betätigen von richtigem Rechte, ohne Rechtszwang, blofs auf Grund der sittlichen Pflicht.

Wenn sie daher, innerhalb ihrer technischen Zulässigkeit, sachlich gut und zutreffend ausgeübt werden soll, so ist zweierlei notwendig vorausgesetzt: Die Methode des richtigen Rechtes; das ist die Einsicht in das, was in bestimmter Lage inhaltlich gutes Recht ist; und dazu: Die Kraft des sittlichen Willens, das als richtig Erkannte auch zu bewähren und durchzuführen.

Da nun das erste mit den sonstigen Anforderungen von richtigem Rechte zusammenstimmt, so ist es nicht unbegründet, bei der Betrachtung des Begriffes der Gnade auf das andere einmal den Nachdruck zu legen. Die Berechtigung eines einzelnen Gnadenaktes ist davon abhängig, inwieweit er in seinem Inhalte richtiges Recht

bedeutet. Aber die Rechtfertigung des Institutes der Gnade im Ganzen, zu dem doch so vieles von vorneherein hindrängt, wird in bestimmten sozialen Zuständen davon abhängen, mit welcher Sicherheit man sich auf den Einfluss des zweiten Faktors, den wir nannten, verlassen darf. Für die Betätigung der Gnade, da wo sie veranlafst ist, um richtiges Recht zu erzeugen, gibt es keine weitere Gewähr, als die sittliche Lehre in der früher dargelegten Bedeutung. Indem diese den diese den einzelnen in möglichst starker und sicherer Weise mit dem Geiste der Hingabe an das Richtige erfüllen will, so würde man auch ihrer Einwirkung auf die gute und verlässige Betätigung des begnadigenden Rechtes vertrauen. Im übrigen weiss seine Art von keinem Zwang:

Die Gnad' ist über einer Szeptermacht,

Sie thronet in dem Herzen der Monarchen,
Sie ist ein Attribut der Gottheit selbst.

Stammler

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Fünfter Abschnitt.

Richtiges Recht und ungeprüfte Rechtsauffassung.

I.

Das natürliche Rechtsgefühl.

Es ist mit dem natürlichen Rechtsgefühle unvereinbar, dafs jemand das unangefochten behalte, was er durch eine widerrechtliche Handlung erlangt und dem durch dieselbe in seinen Rechten Verletzten entzogen hat. So das Reichsgericht in einem schwierigen Rechtsfalle, in welchem auf Vernichtung einer widerrechtlich erlangten photographischen Aufnahme der Leiche des Fürsten Bismarck geklagt war. Worauf stützt sich hier der Gerichtshof? Was ist dieses natürliche Rechtsgefühl, das ihm den angeführten Satz eingab?

Das

Vielleicht antwortet einer, dafs es das höchst persönliche Empfinden jemandes über das sei, was Recht sein sollte; ein subjektives Meinen über eine zu fordernde rechtliche Norm. Aber in jenem Urteile tritt es ja innerhalb der Gründe der Entscheidung auf. Gericht beruft sich darauf, um etwas zu beweisen. Es führt den Gedanken des Lesers dorthin, um diesen von der Richtigkeit der Ausführungen zu überzeugen: Also ist eine objektiv gültige Art der Betrachtung rechtlicher Dinge gemeint.

Man sieht nun unschwer, dafs es in der Sache weiter nichts ist, als eine rechtliche Norm, welche in ihrem Inhalte das Richtige bietet. Auch abgesehen von einer besonderen eigenen Ausführung durch den Gesetzgeber, so meint das Gericht, läfst sich einsehen, dafs der Satz, auf den sich bezogen wurde, richtigen Rechtens ist. In dem merkwürdigen Ausdrucke des natürlichen Rechtsgefühles wird blofs der Meinung Wort verliehen: dafs die Einsicht von dem richtigen Rechtsinhalte durch ein natürliches Empfinden des Überlegenden in Sicherheit geliefert werde.

Das ist eine von alters her oft gehegte Vorstellung. Vor allem wurde von ARISTOTELES genauer ausgeführt: dafs die inhaltliche Forderung des von Natur dem Menschen eingepflanzten Rechtsgefühles durch die Beobachtung dessen, was alle Menschen hierüber dächten, zu finden und zu beweisen sei. Von gröfserem Interesse ist aber die selbständige Wendung, welche in der neueren Philosophie und Rechtslehre der Frage gegeben worden ist.

Denn diese hat mit dem Hindeuten auf das dem Menschen von Natur schon eignende Rechtsgefühl doch nicht blofs die geschichtliche Herkunft einer Idee der Gerechtigkeit bei dem einzelnen Menschen gemeint, sondern damit zugleich die sachliche Begründung des als gerecht Empfundenen angeben wollen. Das war ja auch im allgemeinen der Sinn der angeborenen Ideen, wie sie von LEIBNITZ und seinem Zeitalter behauptet wurden. In voller Übereinstimmung sagt in der neueren Zeit BIERLING in seinen sonst trefflichen Untersuchungen über Prinzipien des Rechtes und der Jurisprudenz: dafs keine wahre Rechtswissenschaft denkbar ist, ohne die Voraussetzung, dafs der

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