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Lehre nicht. Sie will nicht zwei verschiedene Wirklichkeiten aufstellen, eine materielle und eine nebenher gehende oder sonstwie wirkende ideologische; wohl aber scharf unterscheiden zwischen der Materie des Wollens und der Idee einer möglichen Gesetzmäfsigkeit seines Inhaltes.

Die Beobachtung, dafs die Auffassungen über rechtes Wollen nach Klassen der Bevölkerung vielfach verschieden seien, betrifft nur den bedingten Stoff der Bestrebungen. Es ist ein generelles Urteil von relativer Richtigkeit. Im einzelnen müssen überall Vorbehalte und Ausnahmen gemacht werden. Wie immer jedoch sich das feststellen läfst: Überall hat die angezogene Beobachtung nur mit der obigen ersten Frage, nach dem Stoffe des wirklichen Geschehens, zu tun.

Wir aber wollten jetzt nicht eine verallgemeinernde Beschreibung dessen haben, was tatsächlich von gewissen Menschen gemeint und gewollt werde, sondern eine Antwort auf die Frage besitzen: Woran man erkenne, ob jenes in seinem sachlichen Inhalte richtig sei? In dem Stellen und Betonen dieser Frage liegt die Verschiedenheit der zuletzt besprochenen Richtungen: Der Lehre von dem richtigen Rechte und derjenigen von der Moral der

Klassen.

Auch in dem, was in einer gewissen Klasse der Bevölkerung als das Richtige angesehen wird, steckt neben dem konkreten Elemente der Begriff des Richtigen notwendig enthalten. Das konkrete Element wird diesem Begriffe in dem angenommenen Urteil eingeordnet: Wie kann man da auf die Frage, was dieser Obersatz bedeute, mit dem Hinweise auf das von der Klasse ihm konkret Subsumierte verweisen?

Es handelt sich ja in dem Begriffe des Richtigen. nicht um etwas in der Erfahrung selbständig Erlebtes oder je zu Erlebendes; sondern um ein grundsätzliches formales Verfahren, in welchem dem empirischen Stoffe eine allgemeingültige Prädizierung zu teil werde. Vielleicht interessiert es jemanden gar nicht, für die prinzipielle Methode als solche eine eigenartige Einsicht zu haben; das ist dann seine persönliche Sache. Wer sich aber über unseren Begriff der sachlichen Richtigkeit eines Rechtsinhaltes und das mit ihm gesetzte methodische Vorgehen Aufklärung verschaffen will, mufs zuerst lernen, das damit entrollte Problem von der blofsen Beschreibung dessen zu trennen, was von dem einzelnen oder seiner Klasse wirklich empfunden worden ist.

Die Lösung des ersten Problems geht blofs durch eine bewufste Abstraktion, bei der man die Idee und die Methode des Richtigen für den Inhalt eines wollenden Bewusstseins als einen eigenen Gegenstand der Untersuchung nimmt. Ist diese durchgeführt, so kann man auch sehen, ob die Klasse mit ihrer ungeprüft aufgestellten Meinung Richtiges getroffen hat oder nicht.

Ad illustrandum. Das bürgerliche Gesetzbuch sagt, dafs der Mieter sofort ausziehen darf, wenn die Benutzung der Mietwohnung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist (544); sowie, dafs bei Dienstverträgen die Ausführung der Dienste für den Arbeiter so einzurichten ist, dafs der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit tunlichst geschützt ist (618). Es kommt zum Prozesse. Soll der Richter die Entscheidung über die gesunde Beschaffenheit der fraglichen Räume nach den Ansichten treffen, welche in der Bevölkerungsklasse der

Streitteile oder eines von ihnen überwiegend oder einstimmig gelten? Und wenn hier nicht, weshalb denn bei dem Zweifel, ob ein wichtiger Grund zur Auflösung eines Dienstvertrages vorliegt, oder in der Frage, ob die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach Treu und Glauben konkret zulässig ist, oder für den Fall, da mehrere Dienstbarkeiten auf demselben Grundstücke nach billigem Ermessen auseinanderzusetzen sind?

So beruht die Beschränkung auf das Betonen der Verschiedenheit der Moral in verschiedenen Klassen als ein angeblich oberstes Prinzip für die Beurteilung von Willensinhalten auf einer Verwechselung des bedingten Materiales mit der allgemeinen Form, die in dem Probleme des gesetzmäfsigen Richtens und Bestimmens jenes Stoffes aufgegeben wird.

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Der Begriff der Richtigkeit, wiederholen wir, kann nicht durch einfache Bezugnahme auf dasjenige, was man als konkrete Anwendung seiner irgendwo angenommen hat, lediglich wiedergegeben werden. Er ist für sich festzustellen. Und ebenso die Lehrart, darin nach ihm ein objektiv begründetes Urteil über richtiges Recht möglich ist.

V.

Das freie Ermessen des Richters.

Wir kommen damit zu der letzten Art eines Urteiles über richtigen Rechtsinhalt, das ohne eigene kritische Prüfung und ohne methodisch erschaffende Selbsttätigkeit aufgestellt wird. Allen dahin zu zählenden Arten ist gemeinsam, dafs tastend nach einem fremden Wesen gegriffen

wird, aus dessen Händen sich das hier geforderte Ergebnis entgegennehmen liefse: Natürliches Fühlen der Menschen überhaupt, Seelen der Völker, herrschende Anschauungen der Rechtsangehörigen oder feste Diktate sozialökonomischer Klassen. Wer aber keines von diesen mag, der versucht es wohl einmal mit dem Richter. Es solle das freie oder auch das höchst persönliche Ermessen des Richters entscheiden, oder sein Gerechtigkeitssinn den Ausschlag geben. Allein dies ist als Lehrart und als Grundsatz gewifs das Allerschwächste, was hier eingeschaltet werden mag.

Das Recht wendet sich in erster Linie an die ihm Unterstellten. Es will ein bestimmtes Verhalten dieser, eine gewisse Art ihres Zusammenlebens bewirken. Seine Sätze sind selbstverständlicher Weise zunächst nur Anweisungen für die Gemeinschafter selbst; und es steht das richtige Tun und Lassen gerade der Mitglieder des Verbandes in Frage. Wie kann man als Inhalt dieses Gebotes zu rechtem Vorgehen und Leisten die künftige Entscheidung eines dritten nach dessen subjektiv freiem Meinen einführen! Heifst das nicht das arabische Sprichwort unbewusst wahr machen: Der Christ lernt das moslimische Recht, wenn er aus dem Gerichte herauskommt! Wenn aber unser Gesetz sagt: Vermeidet die Verträge und die vorsätzliche Schädigung gegen die guten Sitten, fordert und vollzieht eure Leistungen nach Treu und Glauben, bleibt von dem Mifsbrauche in Familienrechten fern, so ist es ein Widersinn, darin die Norm zu finden: Verhaltet euch jetzt so, wie demnächst der Richter nach seinem freien Ermessen angeben wird.

Es ist jedoch überhaupt nicht haltbar, dafs der Richter von seinem Standpunkte aus ein freies Ermessen oder eine

Stammler

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höchst persönliche Entscheidung walten zu lassen habe. Das Gegenteil ist richtig. Das Gericht hat überall, auch wo es einen Vertrag nach Treu und Glauben auslegt, eine Dienstmiete wegen wichtigen Grundes für beendet erklärt, eine sittliche Pflicht zu einer Schenkung anerkennt, die Annahme einer Leistung gegen die guten Sitten feststellt, oder ausspricht, dafs einem Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht zugemutet werden kann, und in allen anderen entsprechenden Fragen sein Urteil möglichst überzeugen'd zu begründen. Es soll ein objektiv richtiges Urteil sein und kein subjektiv freies Befinden: Ein Wahrspruch und nicht ein persönlicher Entscheid. Übel stände es an, wenn es von dem richterlichen Ermessen heifsen sollte, wie in dem Stücke der beiden Veroneser steht:

Kein andrer ist's, als eines Weibes Grund;

Er scheint mir so, nur weil er mir so scheint.

Das gerichtliche Urteil jedoch soll in logischer Geschlossenheit abgeleitet sein. Es hat einen bestimmten Tatbestand der mafsgebenden Norm unterzuordnen. Und nur dieser Unterschied besteht, dafs das eine Mal die Ableitung des Urteiles von einem technisch geformten Rechtssatze geschieht, dagegen in den hier interessierenden Fällen das Gleiche von dem sachlichen Grundgedanken des Rechtes her vorzunehmen ist. Dafs ein Zusammenstimmen des Rechtsfalles mit einer begrenzten Regel stattfinde, dafür hat die technische Jurisprudenz zu sorgen; die Harmonie eines bestimmten Urteiles in besonderer Sachlage mit dem obersten Ziele des Rechtes selbst zu finden und methodisch festzustellen, das will die theoretische Rechtslehre zeigen.

Indem wir damit hart an der Grenze angelangt sind, bei der die Methode des richtigen Rechtes in unserer

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