Vorspiel auf dem Theater. Direktor. Theaterdichter. Lustige Person.*) Direktor. Ihr Beiden, die ihr mir so oft In Noth und Trübsal beigestanden, Sagt, was ihr wohl in deutschen Landen 5 Ich wünschte sehr, der Menge zu behagen, Ich weiß, wie man den Geist des Volks versöhnt, 15 Wie machen wir's, daß Alles frisch und neu Denn freilich mag ich gern die Menge sehen, 20 Sich durch die enge Gnadenpforte zwängt, *) Figur aus den Fastnachtsspielen (auch der Hegel genannt), der Schalksnarr der geistlichen Spiele des Mittelalters und der Hanswurst (Kasperle) der Zeit nach Luther. Hier ist unter der luftigen Person ein solche Rollen darstellender Schauspieler aus der Truppe des Direktors zu denken, derselbe, der im Stücke den Mephistopheles spielen wird. Bei hellem Tage, schon vor Vieren, Mit Stößen sich bis an die Kasse ficht Und, wie in Hungersnoth um Brod an Bäckerthüren, 25 Dies Wunder wirkt auf so verschiedne Leute Dichter. O, sprich mir nicht von jener bunten Menge, Bei deren Anblick uns der Geist entflieht! Verhülle mir das wogende Gedränge, 30 Das wider Willen uns zum Strudel zieht. Nein, führe mich zur stillen Himmelsenge, Wo nur dem Dichter reine Freude blüht, Wo Lieb' und Freundschaft unsers Herzens Segen Mit Götterhand erschaffen und erpflegen. 35 Ach, was in tiefer Brust uns da entsprungen, Was glänzt, ist für den Augenblick geboren, Luftige Person. Wenn ich nur nichts von Nachwelt hören sollte! Um ihn gewisser zu erschüttern. Drum seid nur brav und zeigt euch musterhaft, 55 Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft, Direktor. Besonders aber laßt genug geschehn! Man kommt, zu schau'n, man will am Liebsten sehn. 60 So daß die Menge staunend gaffen kann, Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen; Gebt ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken! Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht. 70 Was hilft's, wenn ihr ein Ganzes dargebracht? Das Publikum wird es euch doch zerpflücken. Dichter. Ihr fühlet nicht, wie schlecht ein solches Handwerk sei, Der saubern Herren Pfuscherei 75 Ist, merk' ich, schon bei euch Marime. Direktor. Ein solcher Vorwurf läßt mich ungekränkt; Kommt Jener satt vom übertischten Mahle, Gar Mancher kommt vom Lesen der Journale. V. 84. Wegen der zerstreuenden Wirkung sah Goethe das Journallesen für „das größte Unheil unserer Zeit“ an (Sprüche in Prosa Nr. 23). Vergl. Gedichte 3, 277: „Wer hätte auf deutsche Blätter Acht!“ Die Damen geben sich und ihren Puß zum Besten Was träumet ihr auf eurer Dichterhöhe? 90 Was macht ein volles Haus euch froh? Befeht die Gönner in der Nähe! Halb sind sie falt, halb find sie roh; Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel, Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen. 95 Was plagt ihr armen Thoren viel Zu solchem Zweck die holden Musen? Ich sag' euch, gebt nur mehr und immer, immer mehr, Sucht nur die Menschen zu verwirren, 100 Sie zu befriedigen, ist schwer Was fällt euch an? Entzückung oder Schmerzen? Dichter. Geh hin und such dir einen andern Knecht! Der Dichter sollte wohl das höchste Recht, Ist es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt V. 87. Ovid's Vers von den das Theater besuchenden Frauen: ward zum Sprichwort (Lehmann, Florilegium pol. 1642, unter „Buhlen“, V. 105-24. Im Tasso (I, 1), Meister's Lehrjahren (II, 2) und Dicht. u. Wahrh. (III, S. 125) wird der Beruf des Dichters in ähnlicher Art gefeiert. Die zweite Stelle schließt mit demselben Gedanken wie die obige: „Ja, wer hat, wenn du willst, Götter gebildet, uns zu ihnen erhoben, sie zu uns herniedergebracht, als der Dichter?" Die Dichter als die wahren Bildner der Mythologie, als die Schöpfer des Göttervereins. Der Gedanke wird abgeschwächt, wenn man mit Dünßer und Stahr in V. 124: „vereinet Göttern", lesen will. Wer theilt die fließend immer gleiche Reihe Wer läßt den Sturm zu Leidenschaften wüthen? Wer flicht die unbedeutend grünen Blätter So braucht sie denn, die schönen Kräfte, Es wächst das Glück, dann wird es angefochten, 13 Greift nur hinein ins volle Menschenleben! 140 So wird der beste Trank gebraut, Dann sammelt sich der Jugend schönste Blüthe 145 Aus Eurem Werk fich melanchol'sche Nahrung, V. 138-40. Vergl. Gedichte 2, 348: So ein Ragout von Wahrheit und von Lügen, |