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reichen Zirkel, vor Allen die den Goethe-Kultus proklamirende Rahel mit Varnhagen im Gefolge, bis in die politischen und militärischen Kreise und in die Höfe hinein, für Alle war oder ward der Faust eine Art Evangelium. Seit dieser Zeit ist dem Stücke eine Liebe und ein Studium zugewandt worden, wie nur annähernd noch Dante's Göttlicher Komödie und Shakespeare's Hamlet, den beiden Dichtungen, mit denen es von je her verglichen zu werden pflegt.*) Selbst die ältere Generation blieb nicht unberührt. Wieland schrieb in dieser Zeit (Juni 1808) an Reger in Wien: „Haben Sie unter den Novitäten der letzten Buchhändlermesse auch eine der allermerkwürdigsten, die neue, sehr vermehrte, veränderte und beinahe ganz umgeschaffne Ausgabe des Goethe'schen Doktor Faust schon gesehen? Auch das, was wir jetzt von dieser barock-genialischen Tragödie, wie noch keine war und keine jemals sein wird, erhalten haben, ist nur der erste Theil derselben, und der Delphische Apollo mag wissen, wie viele Theile noch folgen sollen. Ich bin begierig, zu wissen, welche Sensation dieses excentrische Geniewerk zu Wien macht, und besonders, wie Ihnen die Walpurgisnacht auf dem Blocksberge gefallen wird, worin unser Musaget mit dem berühmten Höllen-Breughel an diabolischer Schöpfungskraft und mit Aristophanes an pöbelhafter Unflätherei um den Preis zu ringen_scheint.“ **)

Und in demselben Monat schreibt Wieland an Böttiger: ***) „Wie hat Ihnen die Walpurgisnacht unsres Königs der Genien gefallen, der, nicht zufrieden, der Welt gezeigt zu haben, daß er nach Belieben Michel Angelo, Raphael, Correggio und Tizian, Dürer und Rembrandt sein kann, sich und uns nun auch den Spaß macht, zu zeigen, daß er, sobald er will, auch ein zweiter Höllen-Breughel sein könne? Jch gestehe, daß mich unbeschreiblich nach dem zweiten Theil dieser in ihrer Art einzigen Tragödie verlangt, von welcher man mit viel größerem Recht als von Wilhelm Meister sagen könnte, daß sie die Tendenz nicht nur des verwichenen Jahrhunderts, sondern aller zwi

*) Jean Paul: „Dieses, gleich Dante's Göttlicher Komödie, teuflische Trauerspiel, in welchem ganze geistige Welten spielen und fallen“, 1814 in der Recension des Stael'schen Buches „Ueber Deutschland“ (Bd. 52, S. 58 der Hempel'schen Ausg.). Vergl. K. Fischer S. 3 und 4: „Faust unsre divina commedia."

**) Wieland, Denkwürdige Briefe 2, 81fgg. ***) Raumer, Historisches Taschenb. 10, 451.

schen Aeschylus und Aristophanes und uns verflossenen Jahrhunderte sei."*)

Goethe's Mutter hatte die Walpurgisnacht schon am 6. Oktober 1807 mit Schmerzen" verlangt.

Auch die preußischen Patrioten lasen das Werk. Stein, in der Literatur wenig zu Hause, erhielt es von Schön zugesandt; er faßte das Ganze mehr historisch als poetisch auf, nahm an Vielem Anstoß, verlangte aber schon 1808 sehr naiv die Zusendung des Zweiten Theils. Arndt und Jahn nannten damals Goethe den deutschesten Dichter, **) und der kühle Niebuhr, der wesentlich nur den jugendlichen Goethe schäßte, Werke wie Wilhelm Meister und die Italiänische Reise verwarf, von dem Zweiten Theil des Faust (der Helena) zu schweigen, fand in diesem Ersten Theil, im Tiefsten ergriffen, seinen „Katechismus, den Inbegriff seiner Ueberzeugungen und Gefühle."***) Außer etwa den Schlegel und Woltmann†) wüßten wir jedoch Niemand aus den Kreisen der höhern Kritik, der sich einer eingehenden Beurtheilung des neu erstandenen Werks in jener ersten Zeit unterzogen hätte. Es erschien damals wie aus der Romantischen Schule hervorgegangen, und der eigenthümlichste Vertreter ihrer zweiten Phase, Achim von Arnim, nahm die Faustische Idee, als zugleich der Vergangenheit und der Gegenwart angehörig, in seine die Zeit Marimilian's des Ersten darstellenden „Kronenwächter" auf.

Die Periode der eigentlichen Fauststudien brach erst später an, mit Schubarth (1818), Göschel und Daub (1824)††) und Hinrichs (1825). Der Strom der allerdings höchst nothwendigen Kommentare ist noch heute nicht versiegt und wird so bald nicht versiegen, weil das Werk sich in jeder neuen Zeitepoche wieder anders reflektirt. Seine Wirkung machte sich unmittelbar und sogleich auf die Künstler

*) Mit Bezug auf eine Aeußerung Fr. Schlegel's, welcher Smith's Nationalökonomie, Kant's Kritik und Wilhelm Meister für die Haupttendenzen des vorigen Jahrhunderts erklärt hatte.

**) Deutsches Volksthum 1810 (S. 391).

***) Lebensnachrichten 2, S. 64. Brief aus Amsterdam vom 18. Mai 1808 an einen Graf Moltke: „Weißt du wohl, was von allen Dingen mir hier am Meisten fehlt! Ein Goethe, wäre es auch nur sein Faust, mein Kas techismus, der Inbegriff meiner Ueberzeugungen und Gefühle."

+) 1815 in den Memoiren des Freiherrn S-a 1, 43. tt) Jahrb. der Theologie S. 349-72.

geltend, auf diejenigen, welche auf demselben deutschen Boden, aus welchem die Dichtung ihre beste Kraft gesogen, auch die deutsche Kunst neu begründen wollten, und wie schon früher Carstens die Herenküche,*) so reproducirte nun Cornelius, für Goethe enthusiasmirt, die ganze Dichtung in einem malerischen Cyklus. Beethoven begeisterte sich zwar am Faust, aber ohne zur lange beabsichtigten Komposition zu gelangen; die Verwandtschaft seiner Musik mit dem Geiste des Gedichts ist aber so groß, daß Richard Wagner ein Programm **) der Beethoven'schen Neunten Symphonie einfach aus Stellen des Faust zusammensehen konnte. Dagegen vertiefte sich Fürst Radziwill, der mit Niebuhr 1810 zu Berlin in der Bewunderung des Gedichts zusammentraf, in dessen Komposition, die das Werk seines ganzen Lebens wurde (er starb 1833). Daneben ist Spohr's Oper Faust zu nennen, welcher indeß nicht der Goethische Text, sondern dessen Nachbildung von Bernard (1814) zu Grunde liegt. Eine andre Nachahmung setzte (1819) Ignaz Walter in Musik. ***) Denn auch diese Periode sah eine Menge Faustdichtungen im Gefolge der Goethischen, sowohl ernst gemeinte, wie die von Chamisso (1804), Schöne (1809), Klingemann (1815), v. Voß (1824) u. A. m., als auch Travestien †) emporwuchern, eine Produktion, welche seitdem nicht wieder ins Stocken gerathen ist.

Goethe selbst änderte seit dem Jahre 1808 nur wenig an der Tragödie, deren unten in der Tertrevision verzeichnete Auflagen, obgleich die gesammten Werke dort fehlen, einen ungefähren Maßstab für die zunehmende Verbreitung abgeben. Nur in das Intermezzo legte der Dichter noch nachträglich für die Ausgabe lezter Hand die beiden, Tanzmeister und Fiedeler überschriebenen Strophen, wahrscheinlich aus älterm Vorrathe, ein. Sonst krystallisirte sich um die vorhandenen Entwürfe, namentlich um die der Helena, der Zweite Theil für sich, der nun Goethe's Greisenalter beschäftigen, zuleßt fast ausfüllen sollte.

*) Deutsches Kunstblatt vom 16. April 1857, S. 142. Carstens starb 1798. **) Neue Zeitschrift für Musik 1852, Bd. 37, Nr. 14.

***) Gefänge zu Doktor Faust, allegorisch-romantischem Singspiel in 4 Aufzügen, nach Goethe von C. A. Mämminger. Musik von Ignaz Walter. Regensburg 1819 (daselbst in der Proske-Mettenleiter'schen Musikbibliothek).

+) Benkowitz, Jubelfeier der Hölle 1808. Der travestirte Faust 1809. Seybold, Der umgekehrte Faust 1816.

Im Jahre 1827 begann die Veröffentlichung des Zweiten Theils, der ganz jedoch erst nach des Dichters Tode (1832) erschien. Wenn auch das Ausland fortfuhr und jezt noch fortfährt, unter dem Faust vorzugsweise den Ersten Theil zu verstehn, so empfing dieser für uns Deutsche doch durch den Zweiten Theil eine neue Beleuchtung; die gelehrte Forschung, welche das Verständniß dieses letteren wegen seiner antiken Elemente erst vermitteln mußte, kam auch dem Ersten Theile zu Statten, beide wurden in Zusammenhang gebracht und zulezt als Einheit mehr und mehr begriffen. *)

Die antiquarische Forschung versuchte schon früh, die historischen und sagenhaften Grundlagen der Faustdichtung aufzuspüren. Nach Stieglitz' des Aeltern erstem vorzüglichen Artikel in Fr. Schlegel's Museum 1812 (und 1834 in Fr. v. Raumer's Historischem Taschenbuch) haben später H. v. Hagen, Dünger, Reichlin-Meldegg, Sommer, Fr. Notter, Schade, Ristelhuber und neuerdings A. Kühne, A. Lindner, Engel, Luther, E. Wilken, Creizenach die ältern Untersuchungen über das Historische des Zauberers Faust (besonders die Neumann'schen **) aus dem Jahre 1683) zu großer Klarheit weitergeführt. Hiernach ist nicht zu bezweifeln, daß ein Johann Faust im funfzehn= ten und sechzehnten Jahrhundert gelebt hat. Als sein Geburtsort gilt das Städtchen Knittlingen (Kundlingen) bei Bretten in Württemberg, Roda bei Weimar nach dem Faustbuch von 1587, Salzwedel nach Widman. Mit Franz von Sidingen wird er in Verbindung gebracht (um 1507) ***). Doktor Ullmann fand in den Heidelberger UniversitätsAften von 1509 einen Johannes Faust aus Simmern als Bacca= laureus der Theologie eingetragen. Der Magier Faust nannte sich wohl Hemitheus Hedelbergenfis, doch ist die Identität zweifelhaft. Dann soll er um 1516 bei dem Klosterabt von Maulbronn, wo noch Faustküche und Faustthurm an ihn erinnern, sich aufgehalten und in Wittenberg und Krakau noch nach 1530 Theologie und Medizin studirt haben, als fahrender Schüler herumgezogen und durch seine

*) In den Schriften von Deycks 1834, Weiße 1837, Meyer 1847, Dünger 1850, Horn 1854, Benfey und Schnetger 1858, Sengler 1873, K. Fischer 1878. Vergl. Peter, Literatur der Faustsage 1849 fgg., und Petzholdt, Neuer Anzeiger 1869 fgg.

**) Goedcke's Grundr. 1, 421 fgg.

***) Rhein. Antiquarius 2, Bd. 5. S. 189; s. auch Trithemius und Faust daselbst 2, Bd. 16, S. 505.

Zauberkünste in ganz Deutschland mehr berüchtigt als berühmt gewesen sein. In Venedig versuchte er zu fliegen. Sein Ritt auf dem Fasse aus Auerbach's Keller zu Leipzig bei seinem dortigen Aufenthalte im Jahre 1525 ist durch bildliche Darstellungen, worauf fich der Teufel als sein spiritus familiaris in Gestalt eines Hundes findet, allgemein bekannt. Auch in Prag soll er sich aufgehalten haben; man zeigt noch jezt seine Wohnung in der Nähe des dortigen Krankenhauses. Die Zeit von Faust's Tode ist nicht festgestellt; jedenfalls hat er nicht über die Mitte der Vierziger Jahre jenes Jahrhunderts hinaus gelebt. Die Zeitgenossen waren überzeugt, daß ihn der Teufel, den er in Hundsgestalt mit sich geführt haben sollte, ge= waltsam ums Leben gebracht habe. Luther und Melanchthon erwähnen seiner, Ersterer in einer, jedoch als echt angefochtenen Stelle der Tischreden (1, Nr. 47), „da über Tisch zu Abends eines Schwarzkünstlers, Faustus genannt, gedacht_ward“.*) Sein Ruf war aber der allerschlechteste, und er galt den Gelehrten der Zeit als gemeiner Betrüger (turpissimus nebulo).

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Diese Lebensumstände interessiren hier nur, insofern seine Existenz zur Zeit Luther's feststeht, da von diesem historischen Johann Faust nichts weiter als der Name, und der nicht einmal vollständig auf den Goethischen übergegangen ist. Dieser wurzelt in der Sage, welche sich nach dem Tode jenes Faust ausbildete und vom Jahre 1587 ab in weit verbreiteten prosaischen Volksbüchern, in deren gereimter Bearbeitung und in den „Faust's Höllenzwang" genannten Zauberbüchern ihren Ausdruck fand. Das älteste Faustbuch" vom Jahre 1587, von welchem nur drei Exemplare, und zwar nur ein vollständiges, erhalten find (nach F. Zarnde's bibliographischem Nachweis im Vorwort zu dem Neudruck des Volksbuchs 1878), ward neuerdings wiederholt abgedruckt (s. am Schlusse die Literatur). Es enthält, mit dem ausgesprochnen Zweck, „allen Christen das schrecklich Exempel D. Johann Fausti, was sein Zauberwerk für ein abscheulich End genommen, für die Augen zu stellen", die Historie desselben kapitelweise, mit den Disputationen, welche Faust, dem Charakter der Reformationszeit gemäß, mit seinem dienstbaren Geist „Mephostophiles" anstellte. Dies Buch erschien schon bis 1592 in nicht weniger

*) Wegen Melanchthon s. A. Lercheimer's christlich Bedenken und Erinnerung vor Zauberei 1585, Horst's Zauberbibliothek 6, 87, ferner Grohmann, Ge schichte der Universität Wittenberg 1802, 3, 240.

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