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Humboldt hat denselben Gedanken noch verallgemeinert; nach ihm (Kosmos Bd. 2) hat Goethe überhaupt das Bündniß erneuert, welches im Jugendleben der Menschheit Philosophie, Physik und Dichtung mit einem Bande umschlang". Auch des Engländers Lewes Würdigung des Faust gehört, namentlich in der Vergleichung mit Hamlet, *) dem Faustus von Marlowe und Calderon's wunderthätigem Magus, **) zu dem Besten, was über Faust, „das größte Gedicht der neuern Zeit, das den Kampf des Menschen gegen die Schranken seiner geistigen Eristenz darstelle“, überhaupt gesagt ist. Was die streng sachliche Erklärung betrifft, auf die zunächst noch ein großes Gewicht gelegt werden muß, so hat der allseitig benußte Dünger'sche große Kommentar alle andern in den Schatten zu stellen und fast überflüssig zu machen gewußt; vor der Hand ist keine befriedigende Detailerklärung denkbar, die von dieser hervorragenden Leistung Umgang nähme.

Die schönste Auslegung kann einem Kunstwerke nur die Kunst selbst geben. Es existirt wohl kein deutsches Werk, das so malerisch gedichtet, so reich an bildlicher Darstellung wäre und die Künstler produktiv so angeregt hätte wie der Faust. ***) Dies beweisen die malerischen Faust-Cyklen von Cornelius, Ludw. Schnorr, Delacroix, Kaulbach, Retsch, Seibert und zuleht A. v. Kreling, den der Tod bei der Arbeit ereilte. Fast jede Kunstausstellung liefert neue Faustbilder. Wir heben von früheren hier nur die junge Here" von Genelli, „Auerbach's Keller“ von A. Schrödter und Lüderiz, „Marthens Garten“ von Hosemann, vor Allem aber die Faust- und GretchenBilder des Belgiers Ary Scheffer hervor, weil diese Gestalten durch

*) Pustkuchen bemerkt in den falschen „Wanderjahren“, 1821 (1, 220), Hamlet erscheine unter allen Shakespearischen Charakteren allein den Goethischen verwandt. Ebenso find nach Lewes (2, 240) beide Stücke in der Vorstellung der Engländer mit einander verwachsen. Vergl. L. Eckardt über Hamlet (Bern 1853, Kap. 1) und die Gegenschrift: Faust und Hamlet (Berlin 1855).

**) Im Abschnitt 7 des 2. Theiles von „Goethe's Leben und Schriften“. Bon Andern (Wiener Zeitschrift 1821, Nr. 9, S. 68 ff.) ward Faust mit Calderon's Los dos amantes del Cielo I, 1 verglichen. Der erstere Vergleich ward auch von spanischer Seite gemacht, von Don Diego de Ochoa (im Tesoro del Teatro Español), sowie von Philarète Chasles. Die Dänen dagegen stellen Faust mit Aladdin zusammen (Hamb. Lit. u. krit. Blätter von Niebour und Wille v. 9. Oktober 1848).

***) Stieglitz, in Raumer's Hist. Taschenbuch 1834, S. 177.

seinen Pinsel europäisches Bürgerrecht in Kreisen erhalten haben, wohin die Dichtung nicht vorgedrungen war.") Neuerdings hat Gretchen als Walpurgisnachterscheinung von Gabriel Mar Aufsehn erregt. Gegen die bildende Kunst ist die Musik, auf die so Vieles im Faust berechnet war, nicht zurückgeblieben, und in dem leßten Winter konnte man selbst in Rom (1876 in Mailand) die Gestalten beider Theile des Faust in einer italiänischen Oper schauen und hören.**) Oper, Oratorium, Symphonie und Ouverture sind die Formen, in welchen R. Schumann, H. Berlioz, R. Wagner, Liszt, Rubinstein, Gounod den Faust reproducirten. ***) Die Bühne kennt ihn als Tragödie, als Oper und als Ballet, in den beiden leztern Formen besonders im Auslande.†)

Auch die Dichter dürfen nicht vergessen werden. Byron (Manfred), Shelley sowie russische und polnische Dichter des Weltschmerzes haben im Faust erst die tieferen Motive ihrer Skepsis gefunden. Der

*) Das Gründlichste über die malerische Seite des Faust findet man bei v. Blomberg, „Der Teufel und seine Gesellen in der bildenden Kuuft“, 1867, S. 117 fgg. Hier wird nachgewiesen, wie sehr das Stück auf die moderne Kunst regenerirend gewirkt, daß Alles im Faust, von den Meerkatzen bis zum gräulichen Höllenrachen, der sich links aufthut, nicht nur mit den Ideen, sondern auch mit den künstlerischen Darstellungen des Mittelalters im Einklange stehe, und daß selbst die landschaftlichen und baulichen Hintergründe „echt“ seien, inspirirt durch historische Vorbilder.

Mefistofele von Arrigo Boito, große Oper in fünf Akten, nach Goethe und Marlowe; darüber F. Lewald in der Köln. Zeitung 1878, Nr. 72. ***) H. Berlioz' Symphonie fantastique entstand unter dem Eindrucke von Nerval's Faust-Uebersetzung schon 1829; im März 1831 folgte in der Italiänischen Oper zu Paris die Faust-Oper der Mlle. Bertin, die jedoch bald spurlos verschwand. Gounod's spätre Oper hält sich schon seit zwei Jahrzehnten auf allen größern Bühnen. Den zweiten Theil hat R. Schumann's Oratorium zuerst congenial ergriffen. Eberwein und Pierson schrieben begleitende Musik und Chorgesänge zu den Aufführungen des Zweiten Theils in der Mitte der Funfziger Jahre, A. Lassen endlich die Musik zu beiden Theilen für die Devrient'schen Faust-Aufführungen zu Weimar in diesem Jahrzehnt.

†) Das Morgenblatt v. J. 1825 Nr. 149 berichtet schon von einer Londoner Faust-Aufführung, während die erste deutsche, abgesehn von der Dilettanten-Aufführung am Berliner Hofe unter Fürst Nadziwill's Leitung, erst 1829 in Braunschweig stattfand. Die Scala zu Mailand brachte 1849 ein Fauftballet, ein Londoner Theater im Juli 1854 eine Burleske Faust und Margarethe von J. Halford.

Festus des Engländers Phil. James Bailey, der 1839 erschien, ist ein abgeschwächter Faust. Auch das „Drama des Lebens" von dem Shelleyisten Alex. Smith ist hieher zu rechnen, wenn auch die Faustfabel parodirt wird: Faust fehlt die Geleitschaft des Mephistopheles, dagegen ist er glücklicher Gatte Gretchens. Ueber des Amerikaners Austin Human tragedy leuchtet gleichfalls Faust's Gestirn. Einen weiblichen Faust haben wir in Maryken von Nymwegen der Louise von Plönnies (1853). In Deutschland erblickt noch in jedem Jahre ein neues Faust-Drama das Licht; aber Saturn verzehrt seine Kinder schnell. Von den Faustgedichten der Dreißiger und Vierziger Jahre, der H. Harring, Marlow, Bechstein, Nürnberger, Braunthal u. s. w., können nur noch Lenau's balladenartige Faustskizzen und etwa Heine's Tanzpoem als lebend gelten. Auch in Nordamerika bleiben die Deutschen im Geleise dieser Produktion, die im Vaterlande seit Herr Schöne's" Zeiten fruchtlose Versuche macht, durch die That zu zeigen, wie der Zweite Theil des Faust hätte geschrieben werden müssen.*) Dahin gehört auch der diesen heiter perfiflirende Dritte Theil des Faust von Vischer (Tübingen 1862). Rechnet man hiezu die Uebersehungen der Goethischen Tragödie in alle Sprachen der civilifirten Welt, selbst ins Hebräische (von Dr. Letteris, 1864), ins Vlaemische (von Vleeschouwer) und ins Portugiesische (von Vasconcellos), die beiden leztern sehr gelungen,**) die unzähligen Erläuterungsschriften mit der sich anschließenden Literatur, die

*) Faust's Tod von E. Mölling, Philadelphia 1864; der Fauft von Stolte in 4 Bänden 1869; der Fauft von Müller 1869; Goethe's Faust, erläutert von Emil Laßwitz, Milwaukee 1877.

**) Es ist hier nicht der Ort, sämmtliche Faust-Uebersetzungen aufzuführen. Die Zahl ist zu groß. Bei den deutschen Faust-Aufführungen zu London i. J. 1852 befanden sich vierzehn englische Faust-Uebersetzer unter den Zuhörern. Die fortgesette Bearbeitung desselben Gegenstandes hat aber, namentlich Engländer, Italiäner und Franzosen, eine hohe Stufe der Vollendung erreichen laffen. Des Nordamerikaners Bayard Taylor Uebersetzung beider Theile in den Bersmaßen des Originals bedarf nicht mehr des Lobes. Die Ueberseßung des Ersten Theils ins Italiänische von Ans. Guerrieri-Gonzaga (Florenz 1873) hat selbst die von Maffei noch übertroffen; ebenso wird die Uebertragung in franzöfifche Verse von Alexander Laya (Paris 1873) den ersten Rang unter den vielen französischen Uebersetzungen seit Stapfer verdienen. Auch die sehr gerühmte Uebersetzung ins Ungarische von Ludwig Doczy (Pest 1873) ift gereimt. Des Ungarn Madach „Tragödie des Menschen“ (1861) reiht fich den obengenannten Dichtungen von Bailey, Smith und Austin an.

Theateraufführungen, die bis Konstantinopel (v. Reichlin 1857) und bis zu den Arbeitervereinen reichenden Vorlesungen über Faust, welche von Kiel (Groth) bis Innsbruck (Zingerle) auf deutschen Universitäten ein stehendes Kolleg bildeten und bilden, endlich die vervielfältigten Auflagen des Stückes selbst, mit und ohne Kommentar: so wird man den Worten eines französischen Kritikers,*) daß Faust, ein Phantasieheld, den Geist der Menschen mehr beschäftigt habe und beschäftige als je ein Held der Geschichte, wohl zustimmen müssen. Der be= wundernden und nachahmenden Beschäftigung mit dem Stücke steht allerdings auch tadelnde Kritik gegenüber, welcher, bei aller Anerkennung der Poesie in den meisten Scenen, das Stück als solches doch schlecht und sein Einfluß nachtheilig erscheint. Eine solche Kritik, wie sie Julian Schmidt und hinsichtlich des Zweiten Theils Fr. Vischer üben, kann nur die Erkenntniß fördern, aber sie haftet nicht tief. „Man verleugnet oft," sagt Chateaubriand (in den Mémoires d'outre tombe) in Worten, die wie auf Goethe's Faust berechnet sind, „man verleugnet oft die ersten Meister, man lehnt sich gegen sie auf, zählt ihre Mängel her, wirft ihnen Längen, Launen, schlechten Geschmack vor, und doch sträubt man sich vergebens wider ihr Joch. Alles erscheint uns im Lichte ihrer Farben, auf Alles drücken sie ihr Siegel, ihre Ausdrücke werden zu Sprichwörtern, ihre fingirten Personen zu wirklichen mit Leibeserben und Nachkommenschaft. Sie eröffnen weite Perspektiven, fie fäen Ideenkeime zu Tausenden aus, fie liefern allen Künsten Formen und Gestalten, und ihre Werke sind die Fundgruben des menschlichen Geistes, der durch sie nur athmet."

In der Gestalt, worin der Erste Theil des Stücks aus der

*) H. Blaze de Bury in der Rev. des deux mondes v. 15. März 1869, S. 521: Ce nom de Faust par exemple, quelle place ne tient-il pas dans l'histoire de l'esprit moderne? A partir du XV. siècle, de quelque côté que votre curiosité se tourne, vous le trouvez partout. De ces 5 lettres assemblées par le doigt du destin sur un échiquier, des montagnes d'oeuvres sont sorties: récits populaires, drames, compilations littéraires et musicales, dessins, gravures et tableaux. Les bibliothèques, les musées, les salles de spectacle, ce nom a tout rempli, à ce point que voilà un héros légendaire qui, si je m'en rapporte au catalogue des choses qu'il a suscitées, a déjà plus occupé le génie humain que n'ont fait les plus authentiques personnages de l'histoire.

Redaktion v. J. 1808 hervorging, beginnt es, abgefehn von der als ein selbstständiges Gedicht vorangestellten Zueignung an die Vergangenheit, an die abgeschiednen Freunde, an erste Lieb' und Freundschaft, *) mit dem Vorspiel auf dem Theater und dem Prolog im Himmel.

Den Gedanken zu dem Vorspiel entnahm Goethe Kalidasa's Sakontala, welche er 1791 in Forster's Uebersetzung kennen gelernt hatte. Die indischen Dramen fangen in der Regel mit einem Gebet des Schauspieldirektors an nebst einem über die Fabel und die Charaktere orientirenden Dialoge zwischen dem Direktor und einem Schauspieler (einer Schauspielerin in Sakontala). **) Auch das spa= nische und italiänische Theater kennen solche Vorspiele. ***) Das Vorspiel ist kein integrirender Theil der Tragödie, wohl aber der Prolog im Himmel, der nicht allein den Ersten Theil, sondern beide Theile, die ganze Dichtung einleitet. Ihm korrespondirt Faust's Himmelfahrt am Schlusse des Zweiten Theils.

Es war der Instinkt des Genies, der Goethe bestimmte, seine Tragödie durch den Prolog in das Licht der Mosaischen HiobLegende zu stellen, welche nach Klein's geistvoller Bemerkung sich dem Gedanken nach den Buß- und Schicksalsdramen anreiht und durch die Anklagen des Mißverhältnisses von Schuld und Heimsuchung an die Oedipus-Tragödie erinnert. Spinoza fand heidnische Motive im Buch Hiob. †) Das Mittelalter und die Reformationszeit ent

*) So wird man die Ueberschrift aus dem Inhalte des Gedichtes vervollständigen dürfen. Vergl. über dasselbe Briefw. mit Reinhard, 27 und 33; Goedeke 3, 331; Vilmar, Zum Verständniß 2c. S. 23.

**) v. Biedermann, die Quellen und Anlässe einiger dramatischen Dichtungen Goethe's 1860, S. 23; Klein, Geschichte des Dramas, 3, 61. 62. 137. Das dort zuletzt erwähnte Vorspiel von Bhavabhuti enthält, ähnlich dem Goethischen, ein Gespräch zwischen Direktor und Schauspieler über die Eigenschaften eines Drama.

***) Vergl. die Loas, Vorspiel- und Empfehlungsstücke von Lope de Vega, und den Prologo-Argomento der Italiäner, z. B. zu Graffini's Strega im 16. Jahrh., wo den Forderungen der Kunst die des Tagesgeschmacks, wie bei Goethe, gegenübergeftellt werden. Goldoni's Stück „Die Gründung von Venedig“ wird mit einem Dialoge zwischen der Musik, der Komödie und dem Genius des Adriatischen Meers als Prolog eröffnet.

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†) Spinoza, Tract. theol.-polit. c. X. In den Unterhaltungen mit dem Kanzler Müller (S. 26 vom 17. Dezember 1824) sagt Goethe: „Nur durch

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