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Einleitung.

Mit den im Tiere erscheinenden niederen Entwickelungsformen des Seelischen müssen die untersten Entwickelungsstufen des menschlichen Seelenlebens verglichen werden. Diese treten. uns einerseits im Kinde, andererseits in dem sog. Wilden entgegen, und zwar im Kinde nur als eine rasch vorübergehende Folge niederer psychischer Zustände, dagegen im Wilden als eine sein ganzes Leben hindurch dauernde psychische Erscheinungsform.

Der Ausdruck,,Wilder" empfiehlt sich im allgemeinen nicht; er erweckt unwillkürlich die Erinnerung an die künstlichen Wilden in Jahrmarktsbuden, die sich wie Rasende gebärden. Wir ziehen. daher die Benennung ,,Naturmensch" vor im Gegensatz zum „Kulturmenschen". Aber auch der Ausdruck ,,Naturmensch" könnte mißverstanden werden, wenn man dabei an ROUSSEAU S Phantasien über einen ursprünglichen, guten und glückseligen Naturzustand denkt und an einen daraus hervorgehenden, ideal harmlosen Urmenschen, wie SEUMES Kanadier, der noch Europas übertünchte Höflichkeit nicht kannte, und ein Herz, wie Gott es ihm gegeben, von Kultur noch frei, im Busen fühlte"; der dem Weißen gegenüber von Seinesgleichen rühmen kann: "Seht, wir Wilden sind doch bessere Menschen." Ein solcher erster Naturzustand der Menschheit, ganz abgesehen von der Unwahrheit seiner idealistischen Ausschmückung, läßt sich offenbar gar nicht fixieren, weil wir nicht sagen können, wo in der kontinuierlichen Entwickelung aus niederen Formen heraus der Mensch eigentlich begonnen hat. Der Naturmensch ist weder ein Wilder im Sinne eines Rasenden, noch ein Ideal, noch ein Tier, sondern immer schon ein Kulturmensch niederen Grades, der z. B. Schultze, Naturvölker.

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Feuer zu zünden versteht, was kein Tier kann, u. dgl. m. In diesem Sinne allein ist der Ausdruck „Naturmensch" zu gebrauchen.

Wie ist der Naturmensch zu seiner Kultur niederen Grades gelangt? Zwei entgegengesetzte Theorien geben darauf eine verschiedene Antwort. Nach der Entartungstheorie, welche vorzugsweise von Theologen und von theologisch angehauchten Philosophen, wie von SCHELLING in seiner „,Philosophie der Mythologie und Offenbarung" vertreten wird, soll der ursprüngliche Zustand der eben aus der Hand Gottes hervorgegangenen Menschheit der einer verhältnismäßig höheren Kultur gewesen sein, von der die Menschen infolge zunehmender Sündhaftigkeit herabsanken. Die Kultur war also das Primäre, die Wildheit das Sekundäre. Nach der Entwickelungstheorie, wie sie, allerdings in verschiedenen Formen von Philosophen, wie HERDER, KANT und HEGEL, und von Naturforschern, wie DARWIN und seinen Nachfolgern, aufgestellt ist, hat sich alle Kultur erst aus Zuständen der Unkultur herausgebildet; die heutigen wilden Völker sind gewissermaßen „lebendige Petrefakten“, d. h. Überbleibsel jenes Zustandes niedrigster Kultur, in welchem sich ursprünglich die gesamte Menschheit befand. Es bedarf heute keiner Polemik mehr gegen die Entartungstheorie, da sie durch die überall siegreich begründete Entwickelungstheorie völlig verdrängt und abgethan ist. Übrigens hat schon im Jahre 1859 der Herbartianer THEODOR WAITZ sich in seiner vorzüglichen Anthropologie der Naturvölker (Bd. I. S. 347, 383) mit Entschiedenheit auf Grund eines reichen empirischen Materials gegen die Entartungstheorie und für die Lehre einer allmählichen Kulturentwickelung aus Zuständen der Unkultur ausgesprochen. Daß einzelne Völker und Stämme aus höheren Kulturzuständen zu niederen herabsinken können und, wie die Geschichte lehrt, thatsächlich manchmal herabgesunken sind, ist natürlich kein Gegenbeweis gegen die Lehre von der allmählichen Höherentwickelung der gesamten Menschheit.

Einer auf psychologischer Beobachtung der Naturvölker zu begründenden Psychologie der Naturvölker stellen sich eine Reihe von Schwierigkeiten und Hindernissen entgegen. Die überlieferten

1 Vgl. PESCHEL, Völkerkunde, 1. Aufl. S. 137 f.

Beobachtungen sind vielfach deshalb wenig brauchbar und mit Vorsicht aufzunehmen, weil den Beobachtern, wie z. B. Schiffskapitänen, jede psychologische Schulung und die dadurch erworbene psychologische Beobachtungskunst fehlte; oder weil sie, wie dies oft genug bei Missionaren1 der Fall war, an theologisch-dogmatischer Voreingenommenheit litten, welche sie verführte, dem Beobachteten eine falsche Deutung, z. B. naturreligiösen Anschauungen und Gebräuchen christliche Ideen unterzuschieben, oder in den wirklich vorhandenen primitiven religiösen Erscheinungen, weil diese von der christlichen Religion abwichen, überhaupt keine Religion zu sehen. Der Naturmensch andererseits ist weit davon entfernt, dem fremden. weissen Manne sogleich sein Inneres zu offenbaren. Abgesehen davon, daß er selbst gar nicht im stande ist, seine Gefühle oder seine verworrenen Ansichten in klare Worte zu kleiden und mitzuteilen, so besitzt er eine begreifliche Scheu vor dem Weissen, infolge deren er erst recht sich ängstlich verschliesst. Und da

1 G. ROSKOFF, Das Religionswesen der rohesten Naturvölker (Leipzig 1880) S. 7:,,Die glaubensselige Ausschliesslichkeit und Selbstüberhebung der Missionare achtete nur das als Religion, was mit ihrem Katechismus übereinstimmte, der ihnen als absoluter Maßstab galt; wo sie keine solche Buchreligion, keinen Komplex von kirchlichen Glaubenssätzen vorfanden, da fanden sie auch keine Spur von Religion. Solch mechanisches Anlegen eines mitgebrachten Massstabes auf dem religiösen Gebiete, das in der Geschichte Religionskriege, Massenhinrichtungen und Ketzerverfolgungen hervorgebracht hat, bringt in der Wissenschaft heillose Verwirrung hervor. Wir können den Mut des Missionars, welcher den Todesgefahren, den namenlosen Quälereien und den härtesten Entbehrungen sich unterzieht, um seinen Kirchenglauben zu verbreiten, bewundern und um so mehr achten, da ihm kein äußerer Lohn in Aussicht steht; aber die Befangenheit des kirchlichen Dogmatismus macht zur unbefangenen Beobachtung und Beurteilung der religiösen Erscheinungen bei anderen Völkern untauglich, weil jene eben die Fähigkeit erheischen, aus der eigenen Anschauungsweise herauszutreten und in den fremden Gedankengang sich hineinzuversetzen. „Dies bedarf einer psychologischen Askese, die keine leichte ist“, bemerkt Bastian vom Mythenforscher, was aber auch vom Religionsforscher gefordert werden muß. Nur dann, wenn dieser einer solchen Selbstentäußerung fähig ist, auf den Standpunkt des Wilden und in dessen Anschauungsweise sich zu versetzen vermag, ist er im stande, dessen Gedankengang zu verfolgen und dessen Religion als den Reflex seines Gemütslebens zu verstehen. Allerdings wird es ihm nicht gelingen, sich in die Gefühlsweise des Wilden hineinzufühlen und sein Gemüt mit der Bestimmtheit jenes zu erfüllen; aber er kann dieselbe zum Gegenstand seines Denkens machen und insofern auch begreifen.“

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