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so beschränkt und unkritisch ihr Gebrauch auch sein mag (vgl. darüber oben S. 42).

Die zusammgesetzten Apperceptionsfunktionen der Synthese und Analyse, die in Wahrheit nichts anderes sind, als eine vielfache Verbindung und wiederholte Bethätigung der einfachen apperceptiven Beziehung und Vergleichung, tritt bei den Naturvölkern ohne Zweifel in all den Gebilden hervor, in denen der Naturmensch eine schöpferische Thätigkeit beweist, also zunächst und vor allem in seiner Sprache; dann in all seinen Phantasieerzeugnissen, in seinen Mythen, Sagen, Märchen, Liedern und endlich in seinen Kunstprodukten, so roh sie noch sein mögen. Kommt übrigens diese höhere Geistesthätigkeit nicht allen Kulturmenschen in gleichem Maße zu, sondern bilden auch hier die wenigen aktiven Geister die Ausnahme unter den vielen mechanischen und passiven Köpfen, so gilt dieses erst recht von den noch auf niedriger Entwickelungsstufe verharrenden Naturmenschen. Und doch muß sich auch hier bei einzelnen, besonders gut veranlagten Individuen die zusammengesetzte Apperceptionsfunktion der Synthese und Analyse ohne Zweifel geltend machen und gemacht haben, d. h. es muß auch hier vereinzelte Talente, ja Genies (diese Begriffe natürlich stets relativ im Verhältnis zu der Geistesentwickelung ihrer Genossen gemeint) geben und gegeben haben. Woher wären denn sonst die Mythen und rohen Kunstgebilde entstanden, die wir bei den Naturvölkern finden? Ja, wie wäre sonst überhaupt die geistige Höherentwicklung der Menschheit aus den niedrigsten Stufen der Wildheit möglich gewesen, wenn nicht einzelne tüchtigere Geister, von neuen Gedanken bewegt, vorangegangen wären und Bahn gebrochen hätten? Man darf natürlich nicht die kritische Schärfe des heutigen wissenschaftlichen Denkens oder die verwickelten Formen und Gesetze des heutigen künstlerischen Schaffens in jenen ersten Anfängen suchen; aber wenn man erwägt, wie weit z. B. eine mittelalterliche Scholastik und Kunst noch von diesem unserem heutigen Standpunkte entfernt waren, wie viel Unkritik und Phantasterei noch vor einem halben Jahrtausend in den damals besten Köpfen Europas herrschte, so wird man deshalb, weil die zusammengesetzte Apperceptionsfunktion bei den Wilden noch von so viel Unlogik und Phantasterei überwuchert ist, ihr Dasein und ihre Wirksamkeit doch nicht leugnen dürfen.

Von größter Bedeutung ist es aber, und deshalb mit Nachdruck hervorzuheben, daß die gesamte associative und apperceptive Geistesthätigkeit des Naturmenschen sich fast nur auf das konkrete Gebiet der sinnlichen Vorstellungen bezieht. Hier entfalten jene Funktionen eine vielfach sehr bedeutende Stärke; sie erweisen sich jedoch schwach und hinfällig, gerade wie bei unseren Kindern, sobald es sich um abstrakte Begriffe handelt, wie wir im Folgenden zeigen werden.

V. Die begrifflich-abstrakten Associationsund Apperceptionsvorgänge im Geistesleben des

Naturmenschen.

1. Einleitung.

So stark der Wilde im sinnlichen Vorstellen ist, so schwach erweist er sich im begrifflich-abstrakten Denken, darin stimmen. alle Beobachter überein. So heißt es bei SPIX und MARTIUS (citiert bei POTT, Zählmethode etc. S. 3 Anm.): „Leider ist es bei dem Mangel an Übung des Geistes des Indianers sehr schwierig über seine Sprachen genügende Auskunft zu erhalten. Kaum hat man angefangen, ihn darüber auszufragen, so wird er ungeduldig, klagt über Kopfweh und zeigt, daß er diese Anstrengung nicht auszuhalten vermöge.“ Ähnlich sagt DOBRITZHOFER (citiert bei LUBBOCK, Origin of civilisation, p. 402):,,Wenn die Abiponen nicht im stande sind, etwas auf den ersten Blick zu verstehen, so werden sie bald müde, es weiter zu prüfen und rufen: orqueenàm = Was ist es denn? Die Guaranis waren manchmal völlig verwirrt, dann falteten sie die Stirn und riefen: tupâ oiquaà Gott weiß, was es ist. Da sie so geringe Verstandeskräfte besitzen und so wenig Neigung haben dieselben anzustrengen, so ist es kein Wunder, daß sie weder fähig noch willens sind, über etwas nachzudenken" (vgl. oben S. 5-7 und das Beispiel der Botokuden S. 39). Diese Schwäche im abstrakten Denken zeigt sich auf all den Gebieten, welche der Menschengeist selbst erzeugt, d. h. in allen sog. Formalien. Die Realien umfassen die Vorstellungen und Vorstellungsgebiete, deren Bestandteile nur durch Sinneswahrnehmungen von außen gegeben werden, die also der Mensch nicht aktiv schafft, sondern passiv

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empfängt. Die Realien umfassen also das ganze Gebiet der äußeren Naturerscheinungen, den Menschen, insofern er zur Natur gehört, und seine Geschichte inbegriffen. Diesem dem Menschen von außen gegebenen sinnlichen Vorstellungsstoff steht aber das gegenüber, was der menschliche Geist vermittelst seiner ihm angeborenen Apperceptionsfunktionen und den mit diesen unmittelbar gegebenen logischen Denkgesetzen selbst erzeugt, nämlich die Formen, durch welche er den von außen empfangenen Vorstellungsstoff auffaßt, bearbeitet, ordnet und sich verständlich macht: einerseits die Zahlen und Maße, andererseits die Sprache. Die Natur giebt uns wohl Licht und Wärme, Farben und Klänge u. s. w., aber keine Zahlen und Maße und keine Worte. Alle diese macht der Mensch selbst diese Formalien sind das Werk seiner apperceptiven Synthese, ebenso wie übrigens auch alle Kunstschöpfungen, welche der Mensch hervorbringt, indem er einem bestimmten Stoffe, der ihm von außen gegeben ist, nach seinen Zwecken eine gewisse, von ihm beliebte Form verleiht. Empfangen ist leichter als Erzeugen, sich Passivverhalten leichter als Aktivsein. Wohl empfängt der Wilde mit Leichtigkeit die Sinneseindrücke, welche die Außenwelt ihm liefert, und weiß sich praktisch zweckmäßig mit ihnen abzufinden

aber noch sehr schwer wird es ihm, rein innerliche Geistesgebilde hervorzubringen und zu gebrauchen, wie die reinen Formalien der Zahlen und Maße und die Begriffen entsprechenden sprachlich-formalen Zeichen der Wörter. Gerade die außerordentlich spärliche Entwickelung des Naturmenschen in den formalen Gebieten der Mathematik und der Sprache, dazu aber auch im ästhetisch-formalen Gebiete der Künste beweist schlagend, wie weit er noch in allen begrifflichen und abstrakten Associations- und Apperceptionsvorgängen von dem Kulturmenschen absteht und hinter ihm zurückgeblieben ist.

2. Das Zählen der Naturvölker.

Die Zahl ist kein Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung, sondern ein Erzeugnis des menschlichen Geistes. Nirgends zeigt uns die Natur eine 5. Der Mensch faßt mehrere Bäume zu einer einheitlichen Gruppe zusammen und bezeichnet sie mit der an sich abstrakten und auf alle möglichen Gegenstände anwendbaren Zahl 5. Die Zahl ist also das Erzeugnis der

synthetischen Thätigkeit des Geistes und ein sehr abstraktes Gebilde, insofern in ihr von allem konkreten Inhalt der besonderen Dinge abgesehen und nur gesagt wird, wie vielmal irgend ein Gegenstand sich wiederholt. Das ist also ein wesentliches Merkmal des eigentlichen Zählens, daß der Zählende die abstrakte Fähigkeit besitzt, von der Natur der gezählten Dinge ganz absehen und die Zahl auf alle noch so verschiedenen Dinge anwenden zu können. Die Bedeutung und der Sinn der Zahl wird daher auch von unseren Kindern nur sehr allmählich erfaßt. Ein kluges kleines Mädchen, das ich in dieser Beziehung beobachtete und in anschaulichster Weise belehrte, indem ich ihm Äpfel und andere Gegenstände vorlegte und sagte: „1 Apfel und noch 1 Apfel sind 2 Äpfel" u. s. w., war über zwei Jahre alt, ehe sie die Zahl 2 begriff, d. h. selbständig die Zahl 2 auch auf Puppen u. s. w. anwandte, indem sie von sich aus urteilte: „Dies sind 2 Puppen." Es dauerte bis zu 2 Jahren und 4 bis 5 Monaten, ehe sie die 3 begriff. Als sie 2 Jahre und 6 Monate weniger 10 Tage alt war, hatte sie aber die 4 noch nicht in ihrer Gewalt. Auch die taube, stumme und blinde Laura Bridgman, deren psychische Entwickelung viel Licht auf die Erscheinungen primitiver Geisteszustände wirft, begriff nicht die abstrakte und auf alle möglichen konkreten Gegenstände anwendbare Bedeutung der Zahlen, sondern betrachtete jedes Rechenexempel als eine konkrete, sie selbst unmittelbar betreffende Thatsache. Wenn ihr Lehrer sie fragte: „Wenn Du ein Faß Apfelwein für vier Thaler kaufen kannst, wie viel kannst du dann für einen Thaler kaufen?" so antwortete sie ganz einfach: „Für Apfelwein kann ich nicht viel geben, weil er sauer ist" (TYLOR, Anfänge der Kultur, I. 408). So erklärt es sich denn und beweist zugleich, wie gering noch die Fähigkeit, abstrakt zu denken, bei den Wilden entwickelt ist, daß die Buschmänner nach LICHTENSTEIN und die brasilianischen Waldindianer nach SPIX und MARTIUS nur bis 2 zählen können. Die Botokuden haben überhaupt nur zwei Zahlwörter: für 1 sagen sie „mokenam", für 2 und alles, was darüber ist, „muhu“ = viel. Bis 3 zählen nach SPIX und MARTIUS die Coroados in Brasilien und zwar an den Fingergelenken. Für mehr als 3 gebrauchen sie das eine unbestimmte Menge bezeichnende Wort „mony". Die Damaras in Afrika haben nach GALTON Zahlwörter nur bis 3. Bei 4 greifen sie zu den Fingern bis 5. Über 5 zählen sie nicht

mehr, weil die Finger der einen Hand bereits verbraucht sind, die andere Hand zum Greifen dient und eine dritte Hand fehlt. Trotzdem sie nicht weiter zählen können, verlieren sie selten einen Ochsen aus der Herde, da sie jedes Tier von Angesicht zu Angesicht kennen. Der Tauschhandel wird in der Art betrieben, daß, wenn z. B. für ein Schaf 2 Stangen Tabak bezahlt werden, dem Damara zwei Stangen Tabak gegeben und darauf ein Schaf weggetrieben wird, und sich dies so viele Male wiederholt, als die Zahl der zu kaufenden Schafe beträgt. Wenn für eine Kuh 10 Stangen Tabak bezahlt werden sollen, so wird auf jeden der auf dem Boden ausgespreizten Finger des Herdenbesitzers 1 Stange Tabak gelegt und darauf eine Kuh weggetrieben, und dies wiederholt sich ebenfalls so viele Male, als die Zahl der zu kaufenden Kühe groß ist.1

Die Grundzahl in unserem Dezimalsystem ist 10. Wir haben aber bereits in der Schule in den ersten Arithmetikstunden gelernt, daß man auch jede andere Zahl als Grundzahl gebrauchen könne, und haben übungsweise solche andere Zahlsysteme, mit der 2 als Grundzahl anfangend, ausgearbeitet. Daß aber solche anderen Systeme in Wirklichkeit existierten, wußten wir damals noch nicht. Und doch ist es so! Natürlich, je kleiner die Grundzahl ist, um so weniger umfassend gestaltet sich das darauf begründete Zahlensystem, um so weniger wird noch gezählt und kann überhaupt gezählt werden und so sind denn solche auf kleiner Grundzahl erbauten Zahlensysteme stets ein Beweis für das noch sehr mangelhaft entwickelte abstrakte Denken der Menschen, welche sich dieses Systems bedienen. In Australien herrscht vorzugsweise das Zweiersystem (Dualsystem). Die Kap-Yorker zählen

1

2

3

4

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1 Vgl. zu diesen Angaben wie zu allen folgenden insbesondere A. F. POTT, Die quinäre und vigesimale Zählmethode bei Völkern aller Weltteile, Halle 1847; EDWARD B. TYLOR, Die Anfänge der Kultur, Deutsche Ausgabe, Leipzig, 1873, Bd. II. Kap. VII; L. GEIGER, Ursprung und Entwickelung der menschlichen Sprache und Vernunft, Stuttgart 1872, Bd. II. S. 227ff.; LUBBOCK, Origin of civilisation und Prehistoric times an verschiedenen Stellen; ebenso KLEMM, Kulturgeschichte, ferner HERMANN SCHUBERT, Zählen und Zahl, Hamburg 1887.

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