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Dr. Heinrich Müller's

evangelischer

Herzensspiegel.

(Vierter unveränderter Abdruck.)

Bweite Abtheilung:

Epistel-Predigten.

Hamburg, 1858.

Verlag der Agentur des Rauhen Hauses.

Gedruckt im Nauhen Hause zu Horn bei Hamburg.

M947.5
1856

Epistel am ersten Sonntage des Advents.

Von dem rechten Gebrauch des Lichts.

Röm. 13, 11-14.

eil wir solches wissen, nämlich die Zeit, daß die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf; sintemal unser Heil jezt näher ist, denn da wirs glaubten; die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbei kommen: so lasset uns ablegen die Werke der Finsterniß, und anlegen die Waffen des Lichts. Lasset uns ehrbarlich wandeln, als am Tage; nicht in Fressen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid; sondern zieht an den Herrn Jesum Christ, und wartet des Leibes, doch also, daß er nicht geil werde.

eliebte in Chrifto Jesu! Der liebreiche Apo | stel und Evangelist Johannes giebt von dem ewigen Worte des Vaters, unferm Heilande Chrifto Jesu, ein solches Zeugniß im 1. Capitel seines Evangelii: In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht des Menschen, und das Licht scheinet in der Finsterniß, und die Fin fterniß habens nicht begriffen. Damit zeuget er erstens von der natürlichen Blindheit des Menschen. Denn wir gehören von Natur zum Reiche der Fin sterniß, darin der Satan durch Unwissenheit und Finsterniß herrschet, und ziehet mit sich alle, die ihm dienen, in die ewige Finsterniß, darin Heulen und Zähnklappen ist. Wie es unmöglich ist, daß einer in dicker Finsterniß auf unbekannten und ungebahnten, gefährlichen Wegen nicht irre und umkomme: also auch ist es unmöglich, daß ein Mensch zur Seligkeit gelange, wo ihm nicht das wahre Licht zuscheinet. Es wandelt zwar ein jeglicher, und su: Het etwas Gutes, aber der Weg zum wahren Gut ist dem Menschen von Natur unbekannt, auch schwer und gefährlich, findet auch in der ganzen Natur kein Licht, dadurch sein Weg möchte erleuchtet wers

den.

Darum kann es nicht anders sein, er muß irre gehen und verderben.

Zweitens zeiget uns Johannes das Licht auf diesem Weg, Chriftum, daß er sei das Licht der Menschen, das da scheine in der Finsterniß, das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Denn Christus ist ein öffentliches Licht, allen vorgesezt, und so viel je mals erleuchtet sind, die sind alle durch dieses Licht erleuchtet. Er hat geleuchtet in den Tagen seines Fleisches durch seine Lehre und sein heiliges Leben. Nachmals erleuchtet er die Welt durch seine Apostel und Diener, allermeist wenn er mit seiner Gnadenzukunft unser Herz erfüllet.

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Drittens giebt auch der Evangelist ein Zeug-
niß von der Welt Undankbarkeit: Das Licht schei
net in der Finsterniß, aber die Finsterniß habens
nicht begriffen. Es war das Licht in der Welt,
und die Welt ist durch dasselbige gemacht, und die
Welt kannte es nicht. Er kam in fein Eigenthuni,
und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Eine Ver:
blendung ist es, bei hellem Licht tappen, irren und
flürzen; aber eine Bosheit ist es, auf gefährlichen,

barlich als am Tage zu wandeln bewogen werden.
Zum andern: Der
Zum andern: Der Gebrauch des Lichts, nämlich
die Art und Weise, wie wir in dem Lichte ehrbar
wandeln sollen.

Vom ersten spricht der Apostel: Ihr wisset die Zeit, daß die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf; fintemal unser Heil jeßt näher ist, denn da wirs glaubten. Die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbei kommen.

ungebahnten Wegen das Licht muthwillig auslöschen: | Lichtes Anfang, als eine Ursache, dadurch wir ehr also auch ist es beides eine hohe Verblendung und Bosheit, wenn die Welt Christum nicht will an nehmen noch erkennen, und die armen Menschen ihre Augen muthwillens verschließen, daß sie ja das ewige Licht nicht ansehen mögen. Nicht weniger Bosheit ist es, wenn das Licht in unserer Seele aufgegangen, aber wieder ausgelöschet wird. Solche Leute sind billig zu vergleichen den thörichten Jung frauen, die ihre Lampen erlöschen ließen. Weil denn die Welt nicht leiden mag das Licht des Le bens, so muß sie leiden cin ewiges Feuer des To: des, welches sie wird peinigen, aber nicht erleuchten. Hierin muß der Christen höchster Fleiß sein, wenn Christus mit seinem Licht und Schein eines Advent und Eintritt hält in ihre Seele, daß er würdiglich aufgenommen und behalten werde. Auf was Art und Weise solches geschehen solle, zeiget an vorhabende Lection, in welcher gehandelt wird vom rechten Gebrauche des Lichts, und bestehet die ganze Epistel, in eine Summa gefasset, in diesen Worten: Das Licht ist aufgegangen, darum wachet und wandelt im Licht. Dies müssen wir weiter bedenken. Gott wolle Gnade dazu geben, durch Christum, unsern Herrn! Amen.

8 redet in dieser Lection der Apostel Paulus nicht mit denen, die noch im Unglauben stecken, sondern mit denen, die schon gläubig geworden wa ren, und lehret, nicht was der Glaube sei, sondern was er wirke. Vorhin hat er die römische christ liche Gemeine ermahnet zu der Liebe, darauf feßet er jego einen allgemeinen Grund von der Erleuch: tung der Christen. Wenn er gelehret: Ihr sollt in der Liebe bleiben, seßt er hinzu: Und dasselbe (nämlich daß ihr euch sollt lieben) darum, dieweil ihr wisset die Zeit, daß die Stunde da ist, aufzus stehen vom Schlaf. Als wollte er sagen: Je heller das Evangelium geprediget wird, je fruchtbarer man durch dasselbe werden soll. Da spricht aber der Apostel nicht aus schlechter Weise, sondern ver mahnet mit verblümten Worten unter dem Geist des Lichts und der Finsterniß: Die Stunde ist da, aufzustehen vom Schlaf. Die Nacht ist ver: gangen, der Tag aber herbei kommen; darum Lasset uns ehrbarlich wandeln als am Tage. Also wird uns zweierlei vorgehalten, zum ersten:

Des

Allhier müssen wir vor allem wissen, was Nacht und Tag sei. Die Nacht ist eitele Unwis: senheit von dem Heil Christi, und wäre es auch sonst köstliche Weisheit; denn außerhalb der Erkenntniß Christi ist keine heilwärtige Lehre, sondern eitel Finsterniß.

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Wie die Nacht ist die ordentliche Zeit des Schlafs, also auch wird von den Kindern der Finsterniß gefaget, daß sie liegen und schlafen. Wie denn auch in dieser Epistel geschrieben stehet: Jeßt ist die Stunde, aufzustehen vom Schlaf. Darum eh die Kinder der Finsterniß erleuchtet werden, so liegen sie und schlafen. Mit einem Schlafenden hat es die Beschaffenheit. Erstlich empfindet er der Dinge keines, so um ihn her find, und ob schon viel köstliche Sachen um ihn stehen, lieget er doch mitten darunter wie ein Todter es ist ihm auch der Tag felbst unnüglich, siehet so wenig, als wenn keine Sonne oder Tag da wäre. Hernach anstatt der wahrhaftigen Güter gehet er um mit Träumen und eitelen Bildern, empfindet bei sich nichts anders, als wenn die Bildnisse der Güter in seinem Gehirne seien die wahren Güter. Im Traum hat er viel Geld und Gut, Essen und Trinken; wenn er erwachet, ist er wohl ein armer Tropf. Da erkennet man, daß man geäffet ist, da verlieren sich die Träume, und fängt man an mit wahren Gütern umzugehen.

Nicht anders gehet es den Kindern der Finsterniß, das ist, allen, die da nicht sind in der le bendigen Erkenntniß Chrifti; die schlafen geistlich in Finsterniß, empfinden nicht die geistlichen himmlischen Güter, die uns im Evangelio angeboten und vorgeleget werden; denn sie mangeln des Lichts dadurch sie solche Güter ersehen können. Die Güs ter sind geistlich und himmlisch, und sind verborgen in Chrifto, darum können sie auch nicht anders ale durch den Glauben an Christum ersehen werde

Und ob schou das Licht in der Welt aufgegangen ist, so wird es doch nicht gesehen in ihrem versin sierten Herzen. Unterbessen aber ergößen sie sich mit den vergånglichen Gütern, mit irdischer Wollust und Ehre, halten das falsche Gut für das wahr Haftige Gut, weil sie das wahrhaftige Gut nicht sehen. Ein Geldgeiziger achtet es für köstlich Ding, viel Geld ansehen; ein Ehrgeiziger kißelt sich in seiner Ehre; ein Hoffärtiger erfreuet sich über leib. liche Zierd und Gaben; einem Schwelger und Un züchtigen thut wohl die Wollust dieser Welt. So wüthet und tobet die Welt über ihre Güter, und ist doch nur ein Traumbild; denn es bringet doch nur eine betrügliche Ergögung, nicht anders, als ein füßer Traum, der da verschwindet, ehe man sein recht genießet. Ja, sollte man die Weltehre und Freude halten gegen die himmlische Freude und Setrieben, und wie ein Kauch vom Wind verwrhet, ligkeit, ist dieselbe gegen diese in Wahrheit nur zu achten, wie ein Brodtbild im Traum gegen ein wahrhaftigee Brodt, und noch nicht so viel.

haben ihre Sache wohl und füglich angefangen, siehe, so haben sie geträumet; nicht anders ist es mit aller Heulichkeit der Welt.

Das Büchlein der Weisheit am 5. Capitel machet es gering genug, wenn co tinführet vie | Gottlosen, welche mit folgenden Worten ihre Träumerei beklagen: Was hilft uns nun die Pracht? Was bringt uns nun der Reichthum famunt dein Hochmuth? Es ist alles dahin gefohren wie ein Schatten und wie ein Geschrei, das vorüber fäl ret. Also auch wir, nachdem wir geboren sind ge wesen, haben wir ein Ende genommen, und haben kein Zeichen der Tugend beweiset, aber in unserer Bosheit sind wir verzehret. Denn des Gottlosen Hoffnung ist wie ein Staub vom Wind zerstreuet, und wie ein dünner Reif von einem Sturm ver:

Das will die Welt noch nicht glauben. Aber höret, was die Schrift davon sagt! Im 73. Psalm stehet geschrieben: Wie werden die Gottlosen so plöglich zunicht? Sie gehen unter und nehmen ein | Eude mit Schrecken. Wie ein Traum, wenn einer erwachet, so machst du ihr Bild in der Stadt ver: schraäbet. Ist so viel gesagt: Die Gottlosen und Ruhnräthigen stehen nach ihrer Meinung fest wie ein Pallaft, es gehet ihnen wohl, ihr Troßen muß ciu köstlich Ding sein, sie brüsten sich wie ein fetter ¦ Wanst; was sie reden, das muß vom Himmel herab geredet sein, was sie sagen, das muß gelten auf Erden. Aber alles, damit sie umgehen, all ihr Wesen und Herrlichkeit, ist nur ein Schein und Bild, wenn das wird verschwinden, so werden sie plöglich zunicht, sie gehen unter, und nehmen ein Ende mit Schrecken.

Jesaias 29 stehet geschrieben: Wie ein Nacht geficht im Traum, so soll sein die Menge aller Heiden. Denn gleich wie einem Hungrigen träumet, daß er esse, wenn er aber aufwachet, so ist feine Seele noch leer; und wie einem Durftigen träumet, daß er trinke, wenn er aber aufwachet, so ist er matt und durftig: also soll sein die Menge aller Heiden, die wider den Berg Zivn streiten. Ist so viel: Wenn die mächtigen Völker auf Erden meinen, sie haben große Kräfte und Stärke, und

H. Müllers Herzensspicael.

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und wie man eines vergisset, der nur einen Tag Gast gewesen ist. Das ist ja schlecht und gering gruug geredt von aller Welt Herrlichkeit, und kann nicht geringer gemacht werden.

Was der 39. Psalm von den Geizigen faget, mag billig auf alle Weltliebende gesagt werden: Sie machen ihnen viel vergebliche Unruhe. Man sehe an das Wesen aller Welt bei Hehen und Niedrigen, Gelehrten und Ungelehrten, so wird man vergebliche Mühe gnug finden. Die Sorge des Zeitlichen nimmt die Menschenkinder also ein, daß fie des Heils in Christo sich nicht recht können annehmen. Die Gelehrten trachten nach äußerlicher Wissenschaft so schr, daß sie ihnen auch nicht Zeit nehmen, den inwendigen Menschen mit Gottesfurcht und Andacht zu erbauen. Viele Schriftgelehrte arbeiten Tag und Nacht an den Buchstaben der Schrift, und beißen damit die Hülsen, aber den Kern schmecken sie nicht, der wird oft nur den Einfältigen gelassen.

Man predige aber, was man will, so bleibet die Welt bei ihren fünf Sinnen, und muß ihnen köstlich sein, was sie für köstlich halten; sie werden solche Narren nicht werden, daß sie die Herrlichkeit der Welt fullten halten für einen nichtswürdigen Schatten; was soll man ihnen thun? Sie schlafen und sehen das Licht im Glauben nicht; soll sie aber Christus erwecken, und ihre Augen öffnen durch seine feligmachende Erkenntniß, alsdann würden sie auch sehen das wahrhaftige Gut, welches ihnen bisher

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