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Sprache ohne Worte.

125823

Idee einer allgemeinen Wissenschaft der Sprache

von

Rudolf Kleinpaul.

AY

Leipzig.

Verlag von Wilhelm Friedrich,

K. R. Hofbuchhändler.

1888.

Alle Rechte vorbehalten.

Vorwort.

Krösus, der alte Krösus, hatte, wie Herodot erzählt, zwei Söhne, beide durch ein merkwürdiges Schicksal und durch ihre Sprache ausgezeichnet. Der eine, ein armer, gebrechlicher, stummgeborener Mensch, sollte mit ein paar Worten seinem Vater das Leben retten. Als die Stadt Sardes von Cyrus erobert und zerstört ward, ging ein Perser auf Krösus los und wollte ihn totschlagen. Da erlangte der Stumme plötzlich vor Schreck die Sprache. Er schrie in seiner Angst: Mensch, töte den Krösus nicht! "Qv9qwπε, μỳ. κτεῖνε Κροῖσον! Der andere Sohn, Atys mit Namen, war ein schöner, kräftiger Jüngling, ein guter Jäger und Meister in allen Leibesübungen, die einzige Freude des Vaters. Von dem träumte Krösus, er werde von einer ehernen Lanzenspitze tödlich getroffen werden. Solches Verhängnis abzuwenden, brauchte der bekümmerte Vater jede Vorsicht: er verbot ihm das Kriegshandwerk, er hielt alle Waffen von ihm fern, er verheiratete ihn. Nun fügte es sich, dass in den Wäldern des mysischen Olymp ein kolossaler Eber erschienen war, der das Land verwüstete, und dass die Bewohner zum König mit der Bitte kamen, er möchte

ihnen seinen Sohn Atys mit Jägern und Hunden senden, um das Ungeheuer aus dem Wege zu räumen. Krösus weigerte sich natürlich; aber Atys selbst flehte den Vater an, ihn doch nicht von jeder männlichen und rühmlichen That zurückzuhalten, und um ihn des Traumes wegen zu beruhigen, so stellte er ihm vor, ein Eber habe wohl Gewehre, aber doch keine ehernen Lanzenspitzen. Krösus willigte denn ein und gab dem Sohne als Leibwächter einen gewissen Adrastus mit, einen unglücklichen phrygischen Prinzen, der seinen Bruder unabsichtlich getötet hatte, deshalb von seinem Vater verstossen und von Krösus liebreich aufgenommen worden war. Da wollte es der Zufall, dass, als die Jäger das Wildschwein im Gebirge glücklich eingekreist hatten und die Speere nach ihm warfen, derselbe Adrastus mit dem seinigen abermals unabsichtlich den Sohn des Krösus traf und tötete. Atys. wurde dem Vater als Leiche zurückgebracht, dahinter kam der Mörder Adrastus, der unseligste aller Menschen, der sich hernachmals auf dem Grabe des Atys selbst das Leben nahm.

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Auch der zweite Sohn des Königs war ein stiller Mann geworden und er grüsste den Vater nicht doch war der entseelte Leib gleichsam selbst eine stumme Botschaft, welche die Götter dem Krösus sandten ohne Worte schien er dem schwergeprüften Manne die Mahnung Solons zu wiederholen: dass niemand vor seinem Tode glücklich zu preisen sei.

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Krösus, der Besitzer unermesslicher Schätze, ist wie der reiche Menschengeist, der aller Sprache Vater heisst; seine beiden Söhne, der plötzlich der Sprache zurückgegebene und der plötzlich der Sprache und dem Leben

verlorene können uns zu Typen für die zwei Arten der Rede dienen; für die Sprache mit Worten und für die Sprache ohne Worte.

Dieser Unterschied ist neu; was soll das heissen: Sprache ohne Worte! Ist das nicht ein vollkommener Widerspruch, wie wenn man eine Musik ohne Töne oder einen Strom ohne Wasser statuieren wollte? Nicht ganz; und ich lade den geneigten Leser, der sich mit dem Gedanken einer Sprache ohne Worte noch nicht befreunden mag, ein, das vorliegende Buch zu lesen. Es ist nicht bloss ein Bild, welches wir brauchen, wenn wir von einer Zeichensprache, einer Geberdensprache, einer Sprache der Thatsachen und einer göttlichen Sprache reden. O, nein; Ursprung und Grundbegriff des Wortes sprechen sind dunkel; nicht einmal das kann man behaupten, dass sprechen wenigstens zunächst immer soviel sei wie Worte hören lassen. Die weitere Anwendung des Wortes rechtfertigt eine solche Beschränkung vollends nicht; danach findet überall Sprache statt, wo ein Wesen einem andern einen Gedanken mitteilt, wo ein denkender Geist den andern etwas wissen, etwas erraten lässt, gleichviel durch welches Mittel.

Es sind tausendfältige Erscheinungen, die unter diesen allgemeineren Begriff der Sprache fallen. Die Sprache ohne Worte fängt schon an, ehe noch die Absicht vorhanden ist, eine Nachricht zu geben und einen Menschen über sein Schicksal aufzuklären. Die ganze Welt spricht; allaugenblicklich empfängt der denkende Geist vom Weltgeist unzählige Mitteilungen, die ihn klüger und weiser machen und ihm, richtig erwogen und verglichen, zur Wissenschaft verhelfen. Solche Auffassung wird uns erleichtert, wenn wir mit unsern frommen Vätern glauben, dass die Welt

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