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Tag ausmachten, lernte meinen ganzen Umgangskreis ebensogut, wie meine Arbeiten. meine Pläne und Hoffnungen kennen, und auch aus meinen Wünschen machte ich ihr kein Hehl. Beinahe in Allem in großen und kleinen Dingen fragte ich sie um Rat, nicht so sehr deshalb, weil ich selbst mir nicht zu raten wußte, als vielmehr aus dem Grunde, weil ich erkannt, daß sie mir noch nie schlecht geraten hatte, so sonderbar und be fremdend es mir manchmal auch vorkam, daß sie mir eindringlich oft das Gegenteil dessen, was ich selbst zu unternehmen im Begriffe war, anriet.

Bei solchen Gelegenheiten fiel mir immer mehr auf, daß sie nie sofort Antwort gab. Ihr Leib schien zu erstarren — ob sie nun saß oder stand - ihr Blick ward gleichfalls starr, und es sah aus, als schliefe sie mit offenen Augen. Ahnungslos, was das zu bedeuten habe, mußte ich regelmäßig, da mir die Pause zu lange währte, zweimal fragen, bis ich Erwiderung erhielt. Dann erst kam wieder Leben in sie sie schien aus einem kurzen Schlafe zu erwachen und sprach kurz, klar, bestimmt.

Anfangs ließ ich ihr diese Seltsamkeit hingehen, später aber verlor ich die Geduld und zankte, sie ob ihrer Fadaise und unzeitgemäßen Schläfrigkeit aus. Dann lächelte sie immer so eigentümlich — fast traurig und doch auch wieder gutmütig, verzeihend, wie allenfalls eine Mutter lächelt, wenn ihr liebes Kind sie durch Unvernunft und Unart gekränkt. Doch Aufklärung gab sie nicht, und ich war weit davon entfernt, sie zu verlangen, da ich das Ganze nur für eine kleine Unart hielt.

Was mich an ihr mit der Zeit aber wirklich in hellen Aerger versetzte, war ihre scheinbare Neugierde.

Wie jeder Mensch hatte und habe auch ich manchmal Tage, wo ich nicht reden, noch weniger gefragt sein will und mir in Langeweile und Mismut gefalle. Und in solchen Zeiten wurde mir die gute Johanna Hansi ge. nannt lästig, da sie meine Laune, meine Verstimmung nicht gehörig respektirte und mich mit Fragen belästigte. Zum Beispiel: Wenn ich von irgend einem Gange heimkam: „Wo warst Du?" Oder wenn ich aus gehen wollte allein: „Wohin willst Du?“ Oder wenn ein Brief kam: „Der ist von R?" Oder auch: „Der ist von MD" 20. Wenn ich selbst einen Brief schreiben mußte: „Du schreibst doch nicht an X?"

Eines schönen Sommertages wurde es mir zu bunt!

Am Morgen hatte ich ein umfangreiches Manuscript zur Post ge schickt und war dann selbst ausgegangen, um Verschiedenes zu besorgen. Eine peinliche Begegnung brachte mich um meine gute Laune. Ver. stimmt, verdrossen, aufgereizt kam ich heim und fand Hansi, auf dem Divan liegend, vor.

Bei meinem Eintritt sprang sie auf und küßte mich, wie immer, zärt› lich auf den Mund.

Unwillig duldete ich das und warf dann voll Aerger meinen Hut auf den Tisch.

Wie sie mich kannte, mußte jie nun schon wissen, daß das Alles be. deuten sollte:

„Laß mich ungeschoren, Hansi! Ich bin heut ungnädig gestimmt und zum Reden nicht aufgelegt. bitte reiz' mich nicht!"

Also

Unglücklicherweise legte sie dem aber keine Bedeutung bei, und begann wie sie es immer that mich auszufragen.

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„Du warst beut' bei der Marietta ?"

Ich machte ein finsteres Gesicht und schwieg.

„Und dem Rudolf bist Du auch begegnet ?"

Mein Gesicht verfinsterte sich noch mehr, und sie konnte hören, daß ich leise mit den Zähnen knirschte.

„Und die große Novelle hast Du heute auch verschickt ?" fragte sie in wie es mir schien lebhaftester Neugierde weiter.

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Da wurde es mir zu viel!

„Donnerwetter!" rief ich zornig. Bist Du noch nicht still! Laß mich in Ruh! Und daß Du's endlich einmal weißt: Deine zudringliche Neugierde ist mir verhaßt!"

Jhr blasses Gesicht schien noch bleicher zu werden, ihre strahlenden Augen nahmen einen erschreckten, angstvollen Ausdruck an, auf ihren Mienen prägte sich schmerzliche Bestürzung aus — im Ganzen ein Bild, das mich entwaffnen mußte sie sah rührend aus und mußte tief ge troffen sein.

„Nun ja“, grollte ich, um über meine Verlegenheit hinauszukommen. „Wenn Du auch so neugierig bist!"

„Es ist nicht Neugier", entgegnete sie leise, fast demütig und sah mich mit so flehenden Blicken an, daß mir das Herz weich wurde.

Was sonst ?" fragte ich besänftigt.

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Wieder sah sie mich an angstvollste Spannung lag in ihrem Blick „Darf ich Dir's sagen?" sollte es heißen, „Wirst Du mich nicht verspotten ?"

„So sag's doch!“ drängte ich in Ungeduld.

Sie atmete tief auf, als wollte sie sagen: „Nun denn in Gottesnamen!"

Eine kleine Pause. Dann das Haupt neigend, halblaut, ergeben wie ein Opfer, sagte sie:

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Auf das war ich nicht vorbereitet: somnambul!

Mir fuhr es durch die Glieder, und ich starrte sie betroffen, staunend, ungläubig an.

Sie nickte wehmütig.

„Ja, und deshalb frage ich, um Dir zu raten, Dich zu warnen, Dir zu sagen, was Du thun, und was Du lassen sollst", setzte sie dann in schlichtem, überzeugendem Tone hinzu.

Nun, ihre Furcht, auch von mir verlacht zu werden, war grundlos gewesen. Im Gegenteil, ich sah in ihr nur etwas, wie ein höheres Wesen und schloß sie zärtlich in die Arme.

Jetzt war mir Alles, das mir an ihr seltsam und sonderbar erschienen, klar, und klar wurde mir nun auch, daß die so oft und viel bezweifelte rätselhafte Gabe des Hellsehens kein Märchen ist. Was Hansi mir nur je angeraten, es war zu meinem Heile gewesen, und Alles, was sie mir sonst, bevor ich noch um ihre geheimnißvolle Fähigkeit gewußt, an kleineren oder größeren Dingen vorhergesagt, es hatte sich bewahr heitet.

Da der Zweck dieser Skizze nicht darin liegt, ein Lebensbild zu malen, oder eine Novelle zu erzählen, sondern nur darin, Jene, die sich für solche unerforschte Dinge interessieren, mit einer einschlägigen Erscheinung bekannt zu machen, sei es mir zum Schlusse noch gestattet, einige Belege für den thatsächlichen und erprobten Somnambulismus dieser jungen Dame an zuführen:

Der merkwürdigste Fall, den mir ihre Angehörigen erzählten, ist wohl jener, der den zu so trauriger Berühmtheit gelangten ehemaligen f. k. österreichischen Postbeamten Philemon Zalewsky betrifft.

Wie bekannt, verübte derselbe vor ca. 9-10 Jahren bei dem Wiener Postamt, dem er zugeteilt war, Defraudationen in der Höhe von über 150000 fl und ergriff darnach, wie man annahm, sofort, die Flucht, was aber den Thatsachen nicht entsprach.

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Meine Freundin Hansi wohnte nun damals mit ihren Eltern im Be zirke Mariahilf in der Engelgasse, und als die Zeitungen damals wochen. lang von dem Falle Zalewsky, seiner Flucht und der Unauffindbarkeit des Defraudanten voll waren und alle Welt in Atem hielten, man ihn in Hamburg, Bremen oder Lübeck und auf allen nach Amerika fahrenden Schiffen suchte, sagte Hansi wiederholt und mit der größten Bestimmtheit ihren Angehörigen, man suche ihn den sie selbstverständlich nicht kannte -vergeblich auf dem Wasser er sei hier, in Wien in unmittel barster Nähe ihrer Wohnung und zwar im Nebenhause, wo er unerkannt weile. Sie wiederholte das so hartnäckig und so bestimmt, daß man sie auf die Dauer nicht mehr wie man anfangs gethan unbändig auslachte, sondern nach und nach sich mit dem unheimlichen Gedanken vertraut zu machen anfing, sie sei irrsinnig geworden und schon beriet, sie in eine Heilanstalt zu bringen.

Plötzlich, nach ungefähr fünf Wochen, kam die Nachricht, daß man den Defraudanten, eben, als er in New York landen wollte, verhaftet habe, und dann stellte es sich auch heraus, daß er durch volle vier Wochen als Weib verkleidet, bei seiner Geliebten Jenny Nathanson in Wien, Mariahilf, Engelgasse 10- dem Wohnhause Hansi's benachbart wohnt und sich verborgen gehalten habe.

ge.

Trotzdem damals Hansi ihre Hellseherei zur Evidenz erwiesen, schenkte ihr die Familie nach wie vor keinen besonderen Glauben, schob das Ganze auf einen lebhaften Traum und spottete weiter über ihrem Som nambulismus.

Don mich selbst betreffenden Fällen will ich nur zwei erwähnen:

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An jenem Tage, als sie mir ihr Geheimnis enthüllte, hatte ich wie gesagt ein Manuskript verschickt, und als ich heimkam, mit ihr ungnädig war und erfuhr, was für eine Bewandtnis es mit ihr habe sagte sie mir dann vorher, daß ich für eben dieses selbe Manuskript in genau vier Wochen eine ansehnliche Summe Geldes erhalten werde. Sie wiederholte dies von Zeit zu Zeit, indem sie sagte: „Nun dauert's noch drei Wochen.“ „Nun noch zwei“. . . . „Nun noch 8 Tage" 20. Und eines Abends es war an einem Mittwoch, sagte sie, bevor sie heimging: Morgen früh um 38 Uhr kommt das Geld!"

"

Es war, wie gesagt: Donnerstag früh 3⁄48 Uhr kam der Geldbriefträger und brachte einen großen dicken Brief darin 320 fl. waren.

Sogleich ging ich zu ihr hinüber, teilte ihr das Ereignis mit und fragte zuletzt:

„Nun sag' mir aber auch: wie viel hab' ich bekommen?"
„,320 Gulden!" sagte sie ohne Zögern

Nacht gesehen.“

ich hab's schon in der

Zu allerletzt noch zwei Fälle, die meinen Bruder angingen:

Er, Hansi und ich waren an einem schönen Sommerabend in größerer Gesellschaft im Prater, von unserm Wohnbezirke Wieden über eine Stunde entfernt, und es war gut zwei Stunden über Mitternacht, als wir ins gesamt den Heimweg antraten.

Allen voran ging Hansi Arm in Arm mit meinem Bruder lustig plaudernd, scherzend, neckend, wie ein paar gnte Kameraden, die sie waren: Keines in das Andere verliebt.

Unmittelbar hinter ihnen folgte ich, am Arme eines guten Freundes und konnte fast jedes Wort hören, das die vor uns Gehenden sprachen. Plötzlich, mitten in einem Witworte verstummte Hanji, blieb einen kleinen Augenblick stehen und deutete mit vorgestreckter Hand auf ein Haus in einer kleinen stillen Gasse des Bezirkes Landstraße, den wir durch querten, um einen kürzeren Weg zu haben.

„Hier wohnt die Dame ihres Herzens“, sagte sie zu meinen Bruder. Der war unwillkürkich auch stehen geblieben und sah in diesem Augenblicke so verdußt drein und dabei so geistlos aus, daß ich und mein Begleiter laut auflachen mußten.

Jst's wahr ?" fragte ich noch immer lachend; wußte doch ich nichts davon, daß mein Herr Bruder sein Herz vergeben habe er hatte es ganz geheim gehalten und Hansi hatte auch kein Sterbenswort davon gewußt.

Endlich faßte er sich und nickte. Später sagte er mir, daß meine Freundin ihm in diesem Augenblicke unheimlich geworden sei.

Einige Tage darauf sagte sie ihm wieder unaufgefordert : ,,Heinrich, morgen bekommen Sie einen Brief, der Ihnen eine ange. nehme Entscheidung bringen wird."

Dem war auch so: am nächsten Tage erhielt er ein Schreiben in großem, weißem Couvert, das ihm seine Ernennung zum Redakteur eines großen Blattes brachte.

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Wie bereits entwickelt, ist alles Gefühl nur Handhabe und Zwangsmittel eines höheren Willens und hat keinen Selbstzweck. Das Mittel zum Zweck machen, heißt dem Willen widerstreben, bewußt oder unbewußt sündigen. Der Gefühlsauslösung, d. h. dem Genusse Selbstzweck gewähren ist Curus. Curus und Sünde ist eins. Alle Aeußerungen des Seelenlebens lassen sich somit auf einer Skala des sittlichen Wertes oder Unwertes einreihen, je nach dem Maße, in dem sie dem Willen Gottes dienen oder von seiner Richtung abirren. Nicht der Aufwand, der eine Gefühlserregung herbeiführt und seine Auslösung begleitet, stempelt den Genuß zum Lurus, sondern der Selbstzweck, der ihm eingeräumt wird.

Die von der Tendenz bewirkten Gefühlsanreize möglichst entsprechend auszulösen, ist sittlich gut, zumal wenn die Auslösung ohne Konflikt mit gültigen Konventionen abläuft. Sünde und Lurus aber ist unter allen Umständen der Genuß, der einzig seiner selbst wegen durch provozierten Gefühlsanreiz herbeigeführt wird und dessen die Seele zu ihrer Entfaltung nicht bedarf. So kann es geschehen, daß derselbe Vorgang, dem Einen ein körperliches und seelisches Lebensbedürfnis bildet, für den Andern aber Lurus ist. Der reife Mann braucht z. B. weniger Genuß als der Jüng ling, aber mehr als der Greis. Und das Weib bedarf mehr körperlicher Pflege als der Mann. Die Versagung rein sinnlicher Genüsse, die als Ansprüche des weiblichen Organismus unter reger Beteiligung der Seele befriedigt werden müssen, rächen sich an ihm energischer, als wenn sie einem männlichen Körper entsteigen. Askese wirkt unter Umständen eben. so schädlich wie Lurus.

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