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4. Kapitel

Raubehe

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Gewalt ist die Schutzherrin des Rechts, sie ist aber auch sein Ursprung 1). Gewalt geht vor Recht das gilt auch im rein zeitlichen Sinne. Was die List für spätere und heutige Kulturstufen ist, für die älteren Zeiten war es der Raub. Wir werden später sehen, dass der Raub einer der ältesten Titel des Eigentums ist und zwar geradezu in streng juristischem Sinne, während es die List heutzutage nur in uneigentlichem ist - und wir können daher nicht erstaunen, ihn auch als Eigentumstitel an der Frau (denn so fassen rohere Zeiten noch vielfach die Stellung des Mannes der Frau gegenüber auf) zu finden.

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Soviel ist sicher, dass der Raub der Frau Zustände voraussetzt, in denen sich die Exogamie (Aussenehe) bereits als anerkanntes Prinzip festgesetzt hat. Solange nach dem Grundsatz der Endogamie (Innenehe) dem Stamm die Frauen zuwuchsen und ein eheliches Band unter den nächsten Angehörigen, selbst unter Geschwistern, als von der Natur gegeben galt so lange bestand kein Anlass, die Frau mit Gewalt ausserhalb der Familie zu entnehmen. Im übrigen aber ist die Raubehe mit jeder Art der altertümlichen Eheverfassungen vereinbar; wir können sie als Begleiterscheinung des Hetärismus, wie des Mutter-, wie des Vaterrechts denken.

1) Es sei hervorgehoben, dass dies nur mit Rücksicht auf die ältesten Zeiten gesagt ist.

Denn die geraubte Frau kann dem ganzen Stamm, wie der Familie, wie dem Einzelnen zu eigen werden. Dass die Frau in solchem Fall auch Stammesgut werden kann, zeigt die oben1) erwähnte Sitte der Australneger, den Helfern des Frauenraubs als Vertretern des Stammes ein Recht der Brautnacht einzuräumen. Die Raubehe ist daher keine besondere Klasse der Ehe, sie ist nur eine besondere Art der Eheschliessung.

man

Naturgemäss setzt der Frauenraub eine hochgradige Unsicherheit der Beziehungen von Stamm zu Stamm voraus, wie sie aber bis tief in späte Kulturzustände hinein bestand denke nur, wie lange Seehandel und Seeraub Hand in Hand gingen. Nur in Zeiten unablässiger Fehde, wo der Friedebruch andauernder Zustand war, konnte es möglich sein, die Männerwelt mit geraubten Frauen zu versorgen. Nur kriegerische Völker, denen die Waffe Rechtstitel war und bei denen Raubzüge sich ständig wiederholten, konnten so ihre Frauen sich wie Beutestücke holen. Ein Abstillen der kriegerischen Leidenschaft und das Eindringen friedlicherer Sitten werden stets mit geordneten Rechtszuständen den Übergang zu der demnächst zu besprechenden Kaufehe gebildet haben. Und wo die Umbildung sich nicht auf diese Weise vollzog, griff, gerade wie bei der Blutrache im Strafrecht, die erstarkende Staatsgewalt gegen private Gewalttätigkeiten ein. Der Frauenraub wurde mit schweren Strafen bedroht, und erhebliche Nachteile wurden an die solcher Gestalt zu Stande gebrachte Ehe geknüpft. Dies ist der Weg, den die Entwickelung z. B. in den altnordischen und altdeutschen Rechten vielfach gegangen ist3).

Die Raubehe als Rechtsinstitut musste, da sie den Friedebruch zur Voraussetzung hatte, dazu führen, dass jeder Stamm vor dem anderen seine Töchter hütete und nach Kräften zu verteidigen suchte. Es lässt sich daher begreifen, dass eine

1) S. 37, 77; vergl. auch KOHLER in Zeitschrift, Bd. 4, S. 287.
2) BERNHÖFT in Zeitschrift, Bd. 9, S. 400 ff.

Werbung wie ein Angriff betrachtet werden und zu Gegenmassregeln herausfordern konnte. So heisst es in einer altrussischen Sage: »Ganz freundlich nahm der König anfangs die beiden Russendegen auf. Aber als er von ihrem Vorhaben erfuhr, ward er wütend, wollte Dunay in den Kerker werfen lassen und schlug ihn ins Gesicht 1). Denn hinter dem Gesuch des Freiers stand immer die Gewalt, und es wurde daher als Drohung empfunden; aus dem Freier konnte ein Räuber werden, der, durch die Gewährung der Tochter kühn gemacht, nach Habe und Herrschaft griff. So suchte man in jenen Zeiten die Frauen, wie ein kostbares Besitztum, vor feindlichen Angriffen nach Möglichkeit zu verwahren. Auch darüber weiss die Sage manches zu berichten; wenn auch die Einzelzüge ins Märchenhafte übertrieben sind, der Grundgedanke hat sich doch nicht verwischen lassen. So wissen die Griechen von der Königstochter Danaë zu erzählen, die vor Freiern in einem Turm verborgen gehalten wurde. Und die altrussische Sage erzählt vom einem Königskinde: »Sie sitzt hoch im Fürstengemach hinter 30 Stahlschlössern<< 2). Und Schön ist sie, doch sitzt sie im hohen, durch zwei Türen verschlossenen Gemach, von niemand gesehen und berührt. Die rote Sonne wärmt sie nicht, und die rauhen Winde umwehen sie nicht. Kein kluger Falke fliegt an ihrem Gemach vorbei, kein starker Held reitet auf gutem Rosse vorüber<3).

Wie sich zeigen wird, hat die Raubehe überraschend lange als lebenskräftige Gepflogenheit und später im Symbol bestanden. Das Material fliesst daher hier bis in geschichtliche Zeiten hinein sehr reichlich, und hat der Sammlerfleiss, besonders der deutschen Gelehrten, unglaublich viel an Nachweisen zusammengeschafft4). Das folgende soll nur einen Auszug

1) BERNHARD STERN, Fürst Wladimirs Tafelrunde, S. 111.

2) BERNHARD STERN ebenda.

3) BERNHARD STERN a. a. O., S. 147.

4) Vergl. die Zusammenstellungen bei KULISCHER in Zeitschrift für Ethnologie 1878, S. 193 ff.; DARGUN, S. 78 ff.; POST, Bausteine, Bd. 1,

bringen, der aus der Fülle einige besonders wesentliche Züge heraushebt und vor allem den universalen Charakter bezeugen will.

Hierbei ist folgendes zu beachten. Lange nach dem tatsächlichen Verschwinden der Raubehe hat sich ihr Abbild bei vielen Völkern bis in späte Zeiten in den Hochzeitsspielen erhalten. Ihre Schilderung ist daher für die Darstellung der Raubehe von ganz hervorragender Bedeutung, besonders wo sie sich bei abgesondert lebenden Völkern in Urwüchsigkeit erhalten haben.

Im alten Israel war es anerkannte Rechtssitte, die im Kriege erbeuteten Frauen zu ehelichen Weibern zu machen, und wurden hierfür ganz bestimmte Regeln aufgestellt 1). Überliefert ist aber auch ein lediglich auf Frauen gerichteter Raubzug. Als der Stamm Benjamin durch ein Strafgericht fast ausgetilgt war und die übrigen Stämme sich verschworen hatten, den Überlebenden keine Frauen zu geben, wurden mit Gewalt 400 Jungfrauen aus Jabes in Gilead geraubt, und die hiernach noch unversorgten Männer vom Stamme Benjamins lauerten den Töchtern Silos auf, als sie in die Weinberge mit Reigen zum Tanze gingen. Sie »nahmen Weiber nach ihrer Zahl von den Reigen, die sie raubten, und zogen hin und wohneten in ihrem Erbteil und baueten Städte und wohneten darinnen< 2).

In Hellas wissen die homerischen Epen nichts mehr von der Raubehe; und doch ist der Ausgangspunkt der Ilias und der Anlass des trojanischen Krieges, der das Abendland wider Kleinasien waffnete, der Frauenraub. Auch betrachtet sich Helena durchaus als rechtmässige Gattin ihres Räubers Paris

S. 111; KOHLER in kritische Vierteljahrsschrift N. F. Bd. 4, S. 165; auch bereits LEYSER, Meditationes ad Pandectas, specimen DXCIII corollarium 4 (Bd. 9, S. 322 ff.) mit merkwürdigen, dort nachzulesenden Berichten über litauisch-russische Hochzeitsgebräuche.

1) 5. Mose 20, 12-14; 21, 10-14.

2) Richter 21.

und nennt Menelaus ihren früheren Gemahl, damit die Gültigkeit ihrer gegenwärtigen Ehe anerkennend1). Dies aber ist Sage aus einer schon für die homerische Mitwelt fernen Vergangenheit; als Sitte der Gegenwart wird der Frauenraub nirgends erwähnt. Auch sonst finden wir nur vereinzelte Anklänge. So berichtet HERODOT2), offenbar auch einem Mythos folgend, von den >Pelasgern, die von Brauron die Weiber der Athener geraubt hatten. Und Dionys von Halikarnass3) lässt Romulus den Raub der Sabinerinnen mit den merkwürdigen Worten rechtfertigen: »es sei ein uralter griechischer Brauch und unter allen Arten, eine Ehe mit Weibern zu schliessen, die glänzendste.<< Kaum hierhin gehört die spartanische Sitte, dass jeder Jüngling sich eine Jungfrau zum Weibe raubte 4); denn hier handelte es sich um eine Entführung mit Zustimmung des ganzen Stammes. Und wenn das altgriechische Wort für Gattin, dáμap, ursprünglich eine durch Kriegsraub erworbene Sklavin bezeichnete 5), so deutet dies zurück auf jene Zeiten, in denen dies alte Wort entstand, also auf die sagenhafte Zeit, aus der uns der Frauenraub der Helena berichtet wird.

Im alten Rom ist es die schon erwähnte Sage vom Raube der sabinischen Jungfrauen, welche auf eine Raubehe in sehr alter Zeit Schlüsse gestattet. Aber auch die Hochzeitsgebräuche, welche noch bis in die Zeiten der Hochkultur festgehalten wurden, weisen solche Anzeichen von Gewaltsamkeit auf, dass FESTUS) nicht mit Unrecht sagt, es habe bei den Hochzeitsfeierlichkeiten

1) Ilias 3, 427, 429. Vergl. auch die Sagen vom Raube der Persephone und der Europa. Auch die Ariadnesage gehört hierher.

2) 4, 145.

3) 2, 30.

4) PLUTARCH, LYKURG C. 15.

5) DARGUN, S. 99.

6) sub. v. RAPI (ed. THEWREK p. 404). Vergl. auch die hübsche Schilderung sub. v. PATRIMI (ed. THEWREK p. 316): Patrimi et matrimi pueri prätextati tres nubentem deducunt: unus qui facem praefert ex spina alba, quia noctu nubebant; duo qui tenent nubentem.

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