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Napoleon die höchste geschichtliche Erscheinung.

Das hat Göthe wohl kaum gesagt oder nur gedacht 1.

Wenn er aber je so bramarbasirt haben sollte, so war es eine Faust in der Tasche. Er hat weder seinen Herzog in Noth und Gefahr begleitet, noch solch ein „Schandlied“ gedichtet, noch viel weniger irgend etwas dergleichen veröffentlicht; er hat weder französische Beschwerdeschriften verbrannt, noch die Jugend gegen Napoleon aufgereizt. Für preußische Ueberlieferungen und preußische Politik hatte er nie geschwärmt, wie sollte er jezt dafür schwärmen, wo sein Herr selbst den preußischen Dienst aufgeben und die preußische Freundschaft, wenigstens officiell, verläugnen mußte? Am alten deutschen Reich hatte er niemals gehangen; dagegen erweckte Napoleons Genie und Energie seine vollste Bewunderung:

„Es giebt einem gar nicht Wunder, daß die Weiber dieser Nation (den Franzosen) nicht feind seyn können, da sich das männliche Geschlecht kaum ihrer erwehren kann. Wenn man den Regierungsrath Müller erzählen hört, der von Berlin mit dem Friedens-Document gekommen ist, so begreift man recht gut, wie sie die Welt überwunden haben und überwinden werden. Wenn man in der Welt etwas voraussähe, so hätte man voraussehen müssen, daß die höchste Erscheinung, die in der Geschichte möglich war, auf dem Gipfel dieser so hoch, ja übercultivirten Nation hervortreten mußte. Man verleugnet sich das Ungeheuere so lange man kann und verwehrt sich eine richtige Einsicht des Einzelnen woraus es zusammengesetzt ist. Wenn man aber diesen Kaiser und seine Umgebungen mit Naivetät beschreiben hört, da sieht man freilich, daß nichts dergleichen war und vielleicht auch nicht sein wird." 2

1 Ad. Stern (Ler. der deutschen Nationalliteratur S. 89) nennt das Buch Falks mit Recht zweideutig und unzuverlässig“, was aber die Götheverehrer nicht abhält, ihn auszuschreiben, wo seine Mittheilungen ihnen behagen. Falk (geb. 1768) war ein mißglückter Theologe, der sich als Privatier in Weimar niederließ, Satiren schrieb und dafür zum Legationsrath ernannt wurde. Er starb 1826.

2 Guhrauer, Briefwechsel zwischen Göthe und Knebel. I. 288.

Müllers Lobrede auf Friedrich II.

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So dachte und fühlte der wirkliche Göthe, so schrieb er vertraulich an seinen alten Freund Knebel. Kriegerische und politische Vaterlandsliebe - Römerpatriotismus stand ihm, dem Frankfurter Parvenu, jetzt noch ebenso fern, als in früheren Jahren. Sehr viel lag ihm aber, nach Fernows Zeugniß, daran, „das bis jezt noch unangetastete Palladium unserer Literatur auf's Eifersüchtigste zu bewahren". Die Schriftsteller sollten, mit Hintanseßung aller persönlichen Nergeleien, „jezt mehr als je zusammenhalten, da Dresden, Leipzig, Jena und Weimar künftig leicht der Hauptsiß der germanischen Cultur im nördlichen Deutschland bleiben dürften“ 1.

Er soll sogar im October 1808 beabsichtigt haben, im nächsten Winter einen Congreß „ausgezeichneter deutscher Männer“ in Weimar zu halten, um über Gegenstände der deutschen Cultur gemeinschaftlich zu berathen“ 2. Aber dabei hielt er es doch auch nicht unter seiner Würde, dem Geschichtschreiber Johannes v. Müller den Hof zu machen, der damals aus einem „deutschen" Patrioten ein begeisterter Verchrer und Augendiener Napoleons geworden war und eine französische Vorlesung über Friedrich II. in Berlin am 29. Januar 1807 dazu benügt hatte, in dem franzosenliebenden und halbfranzösischen Preußenkönig den neuen französischen Allherrscher zu feiern. Göthe übersetzte höchst devot die fein augendienerische Rede, welche mit dem allerliebsten Rococogebete schließt:

„Und Du, unsterblicher Friedrich! wenn von dem ewigen Aufenthalt, wo Du unter den Scipionen, den Trajanen, den Gustaven wandelst, Dein Geist, nunmehr von vorübergehenden Verhältnissen befreit, sich einen Augenblick herablassen mag auf das, was wir auf der Erde große Angelegenheiten zu nennen pflegen, so wirst Du sehen, daß der Sieg, die Größe, die Macht immer Dem folgt, der Dir am ähnlichsten ist. Du wirst sehen,

1-Böttiger, Literarische Zustände und Zeitgenossen. II. 279. 280. 2 Brief von Woltmann an Smidt in Bremen. Göthe-Jahrbuch. VI. 116.

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Patriotismus im Schlafrock.

daß die unveränderliche Verehrung Deines Namens jene Franzosen, die Du immer sehr liebtest, mit den Preußen, deren Ruhm Du bist, in der Feier so ausgezeichneter Tugenden, wie sie Dein Andenken zurückruft, vereinigen mußte.“

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Wie Göthe für sich selbst den „Patriotismus“ auffaßte, hat er übrigens ganz deutlich und klar in dem „Vorspiel“ ausgedrückt, das er im September bei der Rückkehr der Großfürstin-Erbprinzessin aufführen ließ. Die „Majestät“ sagt darin:

„Dieses Thun, das einzig schäßenswerthe,

Das hervordringt aus dem eig❜nen Busen,
Das sich selbst bewegt und seines Kreises
Holden Spielraum wiederkehrend ausfüllt,
Lob' ich höchstens; denn es zu belohnen,
Bin ich selbst nicht mächtig g’nug, es lohnt sich
Jeder selbst, der sich im stillen Hausraum
Wohl befleißigt übernomm'nen Tagwerks,
Freudig das begonnene vollendet.
Gern und ehrenhaft mag er zu Andern
Oeffentlich sich fügen, nüßlich werden,
Nun dem Allgemeinen weislich rathend,
Wie er sich berieth und seine Liebsten.
Also, wer dem Hause trefflich vorsteht,
Bildet sich und macht sich werth, mit Andern
Dem gemeinen Wesen vorzusteh'n.

Er ist Patriot, und seine Tugend

Dringt hervor und bildet Ihresgleichen,

Schließt sich an die Reihen Gleichgesinnter.

Jeder fühlt es, Jeder hat's erfahren:

Was dem Einen frommt, das frommet Allen." 2

1 Göthe's Werke [Hempel]. XXIX. 853. 854. Auf den Uebersezer Göthe paßt entschieden, was Häusser (III. 36) von dem Lobredner Müller sagt: „Zum Kampfe gegen Bonaparte bedurfte es mehr, als dieser rhetorischen Salbung und der selbstgefälligen Autoreneitelkeit, wie sie bei Müller von den literarischen Cameraderien, den Salons und den Weibern großgehätschelt worden war." 2 Göthe's Werke [Hempel]. XI. 96.

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Dieser Patriotismus trug weder Patrontasche noch Seitengewehr: er konnte unter Napoleons Oberherrlichkeit ebenso gut bestehen, wie früher unter dem Patronat Friedrichs II. Im Schlafrock war ihm am wohlsten, und Göthe hat dieses behagliche Kleidungsstück wohl nicht umsonst seinen „Prophetenmantel“ genannt.

Kranke, besonders todkranke Freunde zu besuchen, scheint nicht seine Sitte gewesen zu sein. Gegen die todten Größen des alten Weimar wurden die Pflichten officieller Verehrung mit Würde erfüllt. Im Uebrigen schloß sich Göthe an die Lebenden und Fröhlichen an, nicht an die Todten und Leidenden 1. Von der früheren Generation war noch Knebel da, welcher zwar auch schon ein wenig das Alter fühlte, aber doch noch munter und lustig war. Sie schrieben einander in sehr jovialem, gemüthlichem, - oft fast jugendlichem Ton. Von Trauer über Deutschlands tiefe Erniedrigung ist da kaum etwas zu spüren 2. „Man kann anjezt das Lachen nicht genug vervielfältigen", schreibt Knebel am 12. Januar 1807 3.

1 Troß seiner Scheu vor Begräbnissen," bemerkt Dünger (Göthe 543), war Göthe bei der Bestattung des an den Folgen seiner bei der Plünderung erlittenen Mißhandlung gestorbenen Landsmannes Kraus", des Directors der Zeichenschule.

2 Wie Knebel über Preußen und Franzosen dachte, zeigt ein Brief vom 30. December 1805: „Gestern hatten wir zusammen ein großes Convivium bei Frommanns, wo auch einige Preußische Offiziers zugegen waren. Die rohe Beschränktheit dieser Menschen leuchtet bei solchen Gelegenheiten am meisten hervor. Sie können sich von nichts Begriffe machen, was nicht in ihrem engen Kreise liegt, und finden da allein alles schön und höchst verständig. Selbst ihr Patriotismus ist nur Roheit und daher ge= wissermaßen beleidigend. Wir hielten uns sehr still und gut, und sie schienen nicht zu ahnden, was die andern dachten. Nur ich vertheidigte und lobte einigermaßen die französische Bildung." Guhrauer I. 270.

3 Guhrauer I. 290.

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Göthe's Virtuosität in Liebhaberrollen.

So dachte Göthe auch. Ein Brief Johanna Schopenhauers 1 an ihren Sohn schildert sehr anschaulich, wie gut er sich von Deutschlands Noth und Bedrängniß zu erholen wußte. Junge Schauspieler ließ er Abends kommen, um sie für ihre Kunst zu bilden". Und dafür holte er kein Stück des Shakespeare oder Schiller hervor, auch nicht Tasso oder Iphigenie, sondern das mißrathenste und unsittlichste seiner Jugenddramen: „Die Mitschuldigen“, und übernahm selbst die Rolle des Gastwirths. Zwischendurch meisterte er die jungen Leute, weil sie ihre Liebesrollen „zu kalt" declamirten.

Seid ihr denn gar nicht verliebt?" rief er komisch erzürnt, und doch war's ihm halber Ernst, seid ihr denn gar nicht verliebt? Verdammtes junges Volk! Ich bin 60 Jahr alt und ich kann's besser." 2

„Wir blieben bis halb 12 zusammen,“ erzählt Johanna, „ich saß bei ihm und die Bardua (eine junge Schauspielerin) auf der andern Seite, wir beide sind seine Lieblinge." Ein andermal, als gerade die „interessantesten Herren“ und Frau von Göthe bei Johanna beisammen waren, sagte er: „Weil wir eben so ganz unter uns sind" und damit fing er aus einem Briefe die

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1 Brief Johanna Schopenhauers vom 12. Februar 1807, mit= getheilt von Löper. Göthe-Jahrbuch. IV. 327.

2 Vgl. den Aufruf der am 21. Juni 1885 zu Weimar gestifteten Göthe-Gesellschaft, worin es heißt: „Mit dem neuen deutschen Reich ist die Zeit einer großen nationalen und politischen Denkart gekommen, für welche jene Vorurtheile und Befangenheiten nicht mehr sind, die in vergangenen Jahrzehnten die richtige Erkenntniß und Würdigung Göthe's bei Vielen gehemmt haben. Ein großes nationales Reich weiß den größten seiner Dichter in seinem vollen Werthe zu schäßen. Die Begründung und Erhaltung der politischen Größe unseres Volkes geht Hand in Hand mit der Pflege und Förderung seiner idealen Güter.“ — Für die höchsten idealen Güter des deutschen Volkes, christlichen Glauben und christliche Sitte, . hat Göthe kein Herz gehabt; politisch war er so gleichgiltig als möglich.

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