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Die Franzosenfreunde Göthe und Wieland.

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gelegt. Von der ganzen frühern weimarischen Herrlichkeit waren eigentlich nur noch Zwei übrig: der Eine war Wieland, wie Göthe ihn genannt hatte, le doyen de la littérature allemande, 75 Jahre alt, einst der unermüdliche Nachahmer des Mercure de France und der französischen Salonliteratur, der begeisterte Prediger der französischen Revolutionsideen und der gestrenge Richter der französischen Revolution, jezt ein gebrochener Greis, den Göthe und sein Kreis mehr oder weniger als eine überlebte Größe behandelten und über den längst die komische Edictalvorladung der Romantiker ergangen war, der sich aber nicht als falschen Propheten erwiesen hatte, wenn er früher den Sieg Frankreichs von Bonaparte erwartete. Der Andere war Göthe, schon nahezu ein Sechziger, nach gewöhnlicher Berechnung auch über die Jahre hinaus, in welchen ein Schriftsteller große Erfolge zu erzielen pflegt. Seine der classischen französischen Bühne nahestehenden Leistungen „Tasso“ und „Iphigenie“ und sein moderner „Wilhelm Meister" waren noch nicht viel über die Grenzen Deutschlands hinausgedrungen. Napoleon scheint ihn nur als Dichter des Werther“ und „Götz“ gekannt zu haben - also bloß den jungen stürmischen Göthe, der, Shakespeare nacheifernd, alle Schranken der Kunst durchbrach, nicht den alten Geheimrath, dem vor lauter Kunstgeheimnissen die eigene Poesie beinahe zum Geheimniß geworden war, der Voltaire und Diderot übersetzte und die griechischen Göttinnen ähnlich verehrte, wie sie in Paris immer verehrt worden waren.

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Seine Audienz bei Napoleon hat Göthe erst nach vielen Jahren, den 15. Februar 1824, skizzirt. Am 2. October 11 Uhr Vormittags wurde er zu dem Kaiser gerufen, der, eben beim Frühstück, sich mit Talleyrand und Daru über Contributions

1 Kanzler Müller trieb ihn dazu an. Am andern Morgen schrieb ihm Göthe: Sie haben mir gestern einen Floh hinters Ohr gesezt, der mich nicht schlafen ließ. Ich stand um fünf Uhr auf und ent= warf die Skizze jener Unterredung mit Napoleon. Zur Strafe aber, daß Sie mich dazu verleitet, secretire ich mein Produkt." Burk hardt, Göthe's Unterhaltungen mit Müller. 1871. S. 80. 81.

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Göthe's Audienz bei Napoleon.

Angelegenheiten unterhielt. Göthe blieb in respectvoller Entfernung, bis ihn der Kaiser herbeiwinkte.

„Nachdem er mich aufmerksam angeblickt, sagte er:,Vous êtes un homme. Ich verbeuge mich.

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Ihr habt Trauerspiele geschrieben.
Ich antwortete das Nothwendigste.

Hier nahm Daru das Wort, der, um den Deutschen, denen er so wehe thun mußte, einigermaßen zu schmeicheln, von deutscher Literatur Notiz genommen; wie er denn auch in der lateinischen wohlbewandert und selbst Herausgeber des Horaz war.

Er sprach von mir, wie etwa meine Gönner in Berlin mochten gesprochen haben; wenigstens erkannt' ich daran ihre Denkweise und ihre Gesinnung.

Er fügte sodann hinzu, daß ich auch aus dem Französischen übersetzt habe, und zwar Voltaire's Mahomet.

Der Kaiser versezte: Es ist kein gutes Stück 2, und legte sehr umständlich auseinander, wie unschicklich es sei, daß der Weltüberwinder von sich selbst eine so ungünstige Schilderung mache.

Er wandte sodann das Gespräch auf den Werther, den er durch und durch mochte studirt haben. Nach verschiedenen ganz richtigen Bemerkungen bezeichnete er eine gewisse Stelle und

Vgl.

1 Göthe's Werke [Hempel]. XXVII. 323 ff. 553 ff. A. Schöll, Göthe in den Hauptzügen seines Lebens und Wirkens. 1882. S. 467-484 (Dichter und Eroberer).

2 Wie Göthe Boifferée erzählte, sagte Napoleon geradezu: „Mahomet est une mauvaise pièce“, und Göthe meinte dazu: „Er, der ein anderer Mahomet war, mußte sich wohl darauf verstehen." Sulpiz Boisserée. I. 265.

3 Welche, hat Göthe selbst dem Freund Eckermann nicht einmal verrathen wollen (Gespräche III. 28); doch fand „der Alles besser wissende Dünger" sogar zwei Stellen für eine. S. Schöll, Göthe. S. 482.

Napoleon über Werther und Mahomet.

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sagte: Warum habt Ihr das gethan? es ist nicht naturgemäß‘; welches er weitläufig und vollkommen richtig auseinandersetzte."

Göthe entschuldigte sich, indem er dem Kaiser zugleich über seinen literarischen Scharfblick ein Compliment machte.

„Der Kaiser schien damit zufrieden, kehrte zum Drama zurück und machte sehr bedeutende Bemerkungen, wie Einer, der die tragische Bühne mit der größten Aufmerksamkeit gleich einem Kriminalrichter betrachtet und dabei das Abweichen des französischen Theaters von Natur und Wahrheit sehr tief empfunden hatte.

So kam er auch auf die Schicksalsstücke mit Mißbilligung. Sie hätten einer dunklern Zeit angehört. Was, sagte er,,will man jetzt mit dem Schicksal? Die Politik ist das Schicksal.""

Nachdem das kurze Literaturgespräch eine Weile durch politischmilitärische Conversation des Kaisers mit Daru und Marschall Soult unterbrochen, stand der Kaiser plötzlich auf und wandte sich wieder zu Göthe.

"Indem er jenen den Rücken zukehrte und mit gemäßigter Stimme zu mir sprach, fragte er, ob ich verheirathet sei, Kinder habe und was sonst Persönliches zu interessiren pflegt; ebenso auch über meine Verhältnisse zu dem fürstlichen Hause, nach Herzogin Amalia, dem Fürsten, der Fürstin und sonst; ich antwortete ihm auf eine natürliche Weise. Er schien zufrieden und übersetzte sich's in seine Sprache, nur auf eine etwas entschiedenere Art, als ich mich hatte ausdrücken können.

„Dabei muß ich überhaupt bemerken, daß ich im ganzen Gespräch die Mannichfaltigkeit seiner Beifallsäußerung zu bewundern hatte, denn selten hörte er unbeweglich zu, entweder er nickte nachdenklich mit dem Kopfe, oder sagte Oui oder C'est bien oder dgl.; auch darf ich nicht vergessen zu bemerken, daß, wenn er ausgesprochen hatte, er gewöhnlich hinzufügte:,Qu'en dit Mr. Göt?""

Damit hatte die weltgeschichtliche Unterredung vorläufig ihr Ende. Die zwei folgenden Tage hatte Göthe als Theaterchef viele Sorge, weil Napoleon nach Weimar hinüberkommen und die Schauspieler des Théâtre français auch dort eine Vorstellung geben lassen wollte. Am 6. war große Treibjagd in Baumgartner, Göthe. III. 2. Aufl.

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„Cäsars Tod“ auf der Weimarer Bühne.

der Nähe von Weimar, dann Festessen, Theater und Hofball. Es wurde Voltaire's „Tod des Cäsar“ aufgeführt, ein in Paris polizeiwidriges Stück, das aber Napoleon vor den guten Deutschen für weniger gefährlich hielt 1. Bei dem Ball ließ er nach kurzer Begrüßung den Kaiser Alexander stehen und suchte nochmals Göthe auf. Wahrscheinlich bei dieser Gelegenheit 2 redete er ihm zu, daß er nicht Shakespeare, sondern die classische Tragödie nachahmen sollte: „Je suis étonné qu'un grand esprit comme vous n'aime pas les genres tranchés . . . Das Trauerspiel sollte die Lehrschule der Könige und der Völker sein; das ist das Höchste, was der Dichter erreichen kann." Ferner soll er ihm noch gesagt haben:

„Sie sollten den Tod Cäsars auf eine vollwürdige Weise großartiger als Voltaire schreiben. Diese Arbeit könnte Ihre Hauptlebensaufgabe werden. In dieser Tragödie müßte man. der Welt zeigen, wie Cäsar die Menschheit hätte glücklich machen. können, wenn man ihm Zeit gelassen hätte, seine weitausschauenden Pläne zu verwirklichen . . . Kommen Sie nach Paris! Ich fordere das von Ihnen. Da werden Sie einen viel weitern Kreis für Ihren beobachtenden Geist finden, da werden Sie ungeheures Material für Ihre poetischen Schöpfungen finden."

...

Wieland war den Festlichkeiten in Erfurt fern geblieben; er war zu alt. Einen Monat zuvor hatte der gemüthliche Schwabe folgenden Rückblick auf sein Leben geworfen 3:

"Ich habe zwar in vollen 75 Jahren Gottlob! kein glänzendes, noch sonderliches Glück gemacht; sondern auch das herzdrückende Schicksal erfahren, alle Freunde und Freundinnen meiner Jugend und meiner besten Jahre zu überleben. Aber demungeachtet

1 Er soll zur Herzogin Luise gesagt haben: ,,Étrange pièce, ce César! Pièce républicaine! J'espère que cela ne fera aucun effet ici." Knebels Briefwechsel mit seiner Schwester Henriette. S. 348. 2 S. Müller, Erinnerungen. S. 240. Thiers, Histoire du

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Lewes (Frese). II. 431.

3 H. Döring, Chr. M. Wielands Biographie. 1853. S. 146.

Wieland in seinen alten Tagen.

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verdanke ich der Mutter Natur eine so glückliche Organisation und Sinnesart, und meinem guten Genius so manche glückliche Ereignisse, und ein so freundlich schönes Gewebe der 27 593 Tage (die Schalttage mit eingerechnet), daß ich mich nicht zu täuschen glaube, wenn ich gegen einen trüben und stürmischen Tag, womit die Parzen mich nicht verschonen konnten oder wollten, vierzehn heitere und vergnügte Tage eines so frohen Lebensgenusses zähle, als ein Sterblicher, ohne thörichte Forderungen an den Himmel zu machen, von diesem unvollkommenen Erdenleben nur immer verlangen kann. Denn für mich sind die Gefühle, worin sich ein Tropfen Bitterkeit mit dem Süßen vermischt, immer die angenehmsten."

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Wie Göthe, wurde auch er zu dem großen Gala-Diner und zum Hofball eingeladen, fühlte sich aber nicht wohl genug1. Dagegen konnte er der Lust nicht widerstehen, die Pariser Schauspieler zu sehen. Er wohnte dem Tode Cäsars" bei, in einer Seitenloge, in welcher sonst der Herzog dem Schauspiel beizuwohnen pflegte. Napoleon sah da den einfach gekleideten Greis mit seinem Sammetkäppchen und fragte, wer es sei. Als er hörte, daß es Wieland sei, wollte er ihn durchaus sehen.

„Nun war kein anderer Rath," erzählt Wieland selbst, „als mich in den Hofwagen, der mir geschickt wurde, zu setzen und in meinem gewöhnlichen accoutrement, eine Calotte auf dem Kopf, ungepudert, ohne Degen und in Tuchstiefeln (übrigens anständig costumirt) im Tanzsaal zu erscheinen. Es war gegen halb eilf Uhr. Kaum war ich etliche Minuten dagewesen, so kam Napoleon von einer andern Seite des Saales auf mich zu. Die Herzogin präsentirte mich ihm selbst, und er sagte mir ganz leutselig das Gewöhnliche, indem er mich zugleich scharf ins Auge faßte. Schwerlich hat wohl jemals ein Sterblicher die Gabe, einen Menschen gleich auf den ersten Blick zu durchschauen, in höherm Grade besessen, als Napoleon. Er sah, daß ich, meiner leidigen Celebrität zum Troy, ein schlichter, anspruchsloser, alter Mann

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1 Ebds. S. 147 ff.

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