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zu lesen, man meint, man könne nicht mehr ablassen. Ich habe nie dürfen zuviel auf Einmal darin lesen, es hat mich zu sehr angegriffen.“

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Daß er übrigens doch nicht ganz ohne alle Anfechtung während seines Studiums der classischen Philologie und der Anfangsgründe der Philosophie auf dem Gymnasium zu Stuttgart geblieben sey, ist aus folgender Aeußerung über diese Lebens-Periode zu schließen: Weil der Wille zwar folgsam war, aber im Verstand mancher Zweifel entstand, den ich zu entdecken und mir benehmen zu lassen. zu schüchtern war, hatte ich im-Jnner, manche Mühseligkeit, die mich ohne Nußen abmattete, und mir nicht nur im Exterieur (Aeußern) eine beståndig nachgehende Blödigkeit zuzog, sondern auch das Vermögen, meine Mienen zu regieren, schwächte; dagegen aber auch diese Wirkung hatte, daß oft unbekannte angefochtene Leute bey dem Ersten Blick die Hoffnung eines Mitleidens und ein Vertrauen zu mir faßten und äußerten. Dazwischen kriegte ich doch von der göttlichen Leutseligkeit die innigsten Friedensblicke, insonderheit bey den ersten Gången zum Heil, Abendmahl des HErrn, welche die heilsame Wirkung hatten, daß sie zu kindlichem Gebet, und zum Verlangen bey Christo zu seyn, mich antrieben."

Schon die ersten Worte dieser Aeußerung Bengel's geben den Schlüssel zur Erklärung dieser merkwürdigen psychologischen Erscheinung. Sein Wille war auf's bestimmteste für das Gute entschieden, und sein Herz fand Genuß und völlige Befriedigung in dem Evangelium JEsu, als derjenigen Religion, welche das wahrhaft Gute auf die lebendigste, entschiedenste Art empfahl und förderte ; aber der Verstand machte auch von Zeit zu Zeit seine Rechte geltend, und kämpfte mit um so heftigerer Gewalt um gewiße, begründete Ueberzeugung von der angeeigneten Wahrheit, je kräftiger er bey Bengel der natürlichen Anlage nach war, und je aufgeklärter und gebildeter er durch sein Studium der classischen Schriftsteller, so wie auch durch sein inneres sittlich-religidses Leben geworden war.

Aeußerst merkwürdig ist in dieser letztern Beziehung folgende Aeußerung: Eine schöne Materie zu einer Disputation wäre der Sat: die Bekehrung führt leicht zur

Heterodorie. Da würde erstlich vorgebaut und gezeigt, daß überaus viel an der göttlichen Wahrheit, auch in den ges ringsten Dingen, gelegen sey, hingegen aber auch aus der Schwachheit des menschlichen Verstandes nachgewiesen, wie wenig wir im Stande seyen, die göttliche Wahrheit recht zu fassen, und wie viel man deßwegen Geduld mit einander haben müße. Einen. rohen, unbekehrten Menschen, welcher so nach der Welt-Mode hin lebt, und welchem die Wahrheit überhaupt gleichgültig ist, kommt es nicht sauer an, alle Lehrsåße zu unterschreiben; er glaubt eben, was er vor sich findet, es geht nicht bey ihm durch Prüfung. Aber in der Bekehrung wird dem Menschen die Wahrheit theuer; er möchte gerne damit pünktlich und vorsichtig, als mit einem kostbaren Kleinod, umgehen, da gehet es nicht mehr so leicht; im Gegentheil, es müßen alle Lehrsätze durch einen Kampf gehen, und ihre Wahrheit muß auf's neue errungen werden. Das geschieht oft sehr langsam, und leicht wird man für heterodor gehalten. Wie ist es hernach so übel, wenn man gleich über solche subtile Seelen herfahren, ihnen Fragen vorlegen, und fie adftringiren (zwången) und übertreiben will. Man sollte ihnen die Zunge lüpfen, daß sie ein Vertrauen gewinnen, und sich zurechtweisen lassen.“

Mit welcher Art von Zweifeln Bengel gerade damals zu kämpfen gehabt habe, darüber finden sich in seinen Papieren zwei verschiedene Andeutungen. Einmal, da er von den sogenannten 7 Buß-Psalmen spricht, welche dazumal von såmmtlichen Schulkindern auswendig gelernt zu werden pflegten, sagt er: „die 7 Buß-Psalmen, welche schon vor Luther's Zeiten auf diese Weise ausgezeichnet waren, begreifen sehr viele Stücke in sich, die auch bey Geübten und Erfahrenen (geschweige bei Jüngern und Unerfahrnen) sich nicht überall so befinden. In meiner Jugend habe ich viele Noth damit ges habt, weil ich mich mit demselben Maaß messen, und es ges waltsamer Weise herausbringen wollte, und es doch nicht angieng. Ich denke, es könnten zehn Andere den Weg machen mit derjenigen Noth und Jammer, die ich gehabt habe." Zum Andern bemerkt er am Schlusse seiner Aeußerung über die låsterlichen Gedanken, mit denen zuweilen gute Seelen geplagt End:,, wie viele dergleichen Pfeile sind schon durch mein ars

mes Herz gegangen, das hat mir meine Jugend so beschwers lich gemacht, daß ich mich im Aeußern nie recht habe in meiner Gewalt gehabt.“

Außerdem finden wir, daß er spåter darüber klagt, er habe einen großen Theil der zwey ersten Jahre seines Aufenthalts an der Universitår Tübingen durch seine Zweifel an der Reinheit des Griechischen Neu-Testamentlichen Tertes verlos ren. Er hatte nåmlich zu seinem gewöhnlichen Gebrauche einen von August Hermann Franke besorgten, und von ihm mit einer trefflichen Vorrede versehenen Abdruck der Orford's schen Ausgabe des Griech. N. Testaments, welcher eine ziem lich große Menge von verschiedenen Lese-Arten, jedoch ohne die nöthige Anweisung zur Auswahl des Richtigen, enthielt. Indem er nun bey seinem Studium der Dogmatik die Beweis-Stellen in seinem N. Testament nachschlug, stieß er auf diese ungeordnete Masse von Varianten, und wußte nicht im Geringsten, was er damit anfangen sollte; denn der damalige Zustand der Theologie brachte es mit sich, daß in den öffentlichen Vorlesungen auf manchen Universitäten der Kritik des Neutestamentl. Tertes bey weitem nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wurde, und weil der schüchterne Jungling meinte, er sey der einzige auf Erden, der von diesen Zweifeln angefochten werde, so getraute er sich nicht, irgend Jemand um Aufschluß darüber zu bitten, und sah sich endlich, nachdem er sich lange unnöthiger Weise abgemattet hatte, ge= nöthigt, die Ausgabe mit Varianten auf die Seite zu legen, und an eine Ausgabe ohne dieselben sich zu gewöhnen. Ganz ohne Gewinn gieng ihm jedoch auch diese dunkle PrüfungsZeit nicht vorüber, seine Zweifel,,trieben ihn zum fleißigen Gebete, und namentlich gewöhnte ihn die Ungewißheit über die Reinheit des Textes frühe schon mit der genauesten Pünktlichkeit auf alle Einzelnheiten des göttlichen Wortes zu mer ken, sie nöthigte ihn, sich an etliche Hauptstellen zu halten, dämpfte das Vertrauen auf den eigenen Verstand und auf anderer Menschen Ansehen, und ließ die Lust zu unnöthigen Ausschweifungen wenig Raum mehr finden,“ dessen nicht zu gedenken, daß sie in der Folge die verdienstvolle Frucht seiner kritischen Arbeiten zu Tage förderte.

Endlich dürfte auch noch die Aeußerung als ein Gez winn dieser Prüfungs-Zeit anzusehen seyn:,,die wichtigsten Cons troversen sind diejenigen, welche der Mensch in seinem eigenen Herzen findet, und es hat damit nirgends kein Ende noch Ort, wofern er eben in seinem ganzen Sinn noch zu keiner Aenderung und Erneuerung durchgebrochen ist; sobald als dieses geschieht, so fallen auf Einmal viele Gewissens-Scrupel weg und find bald erörtert."

Im Uebrigen war der Aufenthalt zu Tübingen, und namentlich im theolog. Stift daselbst, in mehr als einer Hinsicht für Bengel's inneres Leben förderlich. Er trat gerade zu einer Zeit daselbst ein, „da der HErr unter den åltern Studierenden einen ungemeinen Eifer für die Gottseligkeit erweckt hatte, der für Viele von der gesegnetsten und andauerndsten Wirkung war." Nach dem Vorbilde der Studierenden andes rer Universitäten Deutschlands, vornehmlich derer zu Halle und Leipzig, hatte sich nämlich auch zu Tübingen ein Kreis 'gotz tesfürchtiger Stipendiaten zu einem brüderlichen Vereine vers bunden, der die Bestimmung hatte, praktische Schriftkenntniß und lebendiges, thätiges Christenthum unter sich und ihren Umgebungen zu pflanzen. Die edelste und schönste Zeit ihres Lebens wollten diese Jünglinge nicht in leichtsinnigen Zerstreu-` ungen nuklos vergeuden, sondern sich gegenseitig ermuntern, schon ihre erste, frischeste Kraft dem Dienste Dessen zu widmen, dessen Diener sie im besondersten Sinne einst werden sollten. In den Tagen, da Welt und Fleischeslust mit so verführerischem Reiße den Unerfahrenen in's Nez des Verderbens lockt, und so Manchem den Pfad des zeitlichen und ewigen Glückes für immer abgråbt, wollten sie mit vereinten Kräften ihren Kampf bestehen, und zugleich gerade in der hiezu geeignetsten Lebens-Periode Freundschaften anknús pfen, die durch Gottesfürcht geheiliget, ihnen Labsal und Trost durch's ganze Erdenleben hindurch gewähren möchten.

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Daß ein Jüngling wie Bengel, den Gott schon frühe zu sich gezogen,,,der," wie er in Demuth und Dankbarkeit bekennt ,,in seiner Kindheit so viele Gnade erfahren hatte, daß hundert alte Adam darin håtten ersäuft werden können,“ sich glücklich werde geschäßt haben, einem solchen Vereine beitreten zu können, und nun nicht mehr einsam seinen Pilgers

Weg hinziehen zu müßen, ist ganz natürlich; und gewiß war auch er den Mitgliedern desselben in hohem Grade willkommen, denn wie sollte es sie nicht gefreut haben, daß der HErr auch diesen reichbegabten Geist ihrem anspruchlosen Kreise zugeführt?

Dieser schöne, die Statuten der Universität und des Stifts nicht nur nicht störende, sondern vielmehr Fleiß und gute Sitten auf's wohlthätigste fördernde und daher auch von mehreren Professoren durch liebevolle Unterstützung gepflegte Verein dauerte nicht nur die vier Jahre über fort, während welcher Bengel zu Tübingen war, sondern bestand, von einer Studenten-Promotion zur andern sich fortpflanzend, durch das ganze Jahrhundert hindurch; und so lieb blieb Bengel diese Anstalt, die ihm als einem Anfänger im Christenthume so merklich zu Statten gekommen war, an die sich so viele angenehme Jugend-Erinnerungen knüpften, daß er sich nicht nur auf's innigste darüber freute, als er einst (1747) hörte, es sey eine neue Erweckung im Stipendium entstanden *), sondern auch noch im Jahre 1748 bey einem Besuche in Tübingen an einer Versammlung der dazu gehörigen Studierenden den freundlichsten Antheil_nahm. **)

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Neben diesem Gewinne eines religiösen Verkehres mit gleichgestimmten Alters-Genossen gewährte der Aufenthalt zu Tübingen Bengel auch noch in der Beziehung ungemei nen Vortheil für sein geistiges Leben, daß unter seinen Lehrern mehrere waren, welche, selbst von dem lebendigsten Glauben an Christum durchdrungen, mit dem thatigsten Eifer nicht bloß auf die wissenschaftliche, sondern auch auf die Hers zens-Bildung der Studierenden hinarbeiteten. Vorzüglich verdienen unter diesen die Doctoren der Theologie, Christoph Reuchlin und A. A. Hochstetter genannt zu werden.

Von dem Ersteren rühmte Bengel:,,er sey ein äußerst wackerer Mann gewesen; seine Collegien, besonders die, welche

*) Unter den damals Erweckten war namentlich auch Carl Heinrich Rieger, nachmaliger Stifts-Prediger in Stutt

gart.

**) Die brüderlich-herzlichen Worte, welche er bey dieser Ges legenheit sprach, finden sich unten im zweiten Abschnitt, 1. Kap. §. 2. Anhang.

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