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Lesen der Bibel, das ihn aus dem Schiffbruch rettete, zunächst für sich selbst niederschrieb. „Was wollen Sie, schreibt Hamann an J. G. Lindner (9. März 1759), für große Anstalten zu ihrem neuen Studium (dem theologischen) haben? Drei Leibbücher wären für mich hinlänglich. Das erste (die Bibel) lesen und schmecken Sie schon, und wenn Sie solches als ein Christ lesen, so wird es Ihnen, als einem Gottesgelehrten, mehr zu Statten kommen, als ein Auszug der besten Ausleger u. s. w." Die biblischen Betrachtungen zeigen in vollstem Maße, daß es sich also verhält.

Es gibt zwar keine Erklärung des Wortes Gottes, die desselben würdig wäre; aber diese bruchstückartigen, hamannschen Bemerkungen lassen eine solche ahnen. Ich wenigstens habe kaum irgendwo reichlichere Geistesnahrung in Bibel-Auslegungen gefunden, und selten ist mir bei Lesung menschlicher Schriften ein so unmittelbares und festes Bewußtsein über das, was Gottes Wort ist und in sich birgt, aufgegangen. Männer selbst, die über Hamann nur sprechen konnten: „Du bist voll süßen Weines! oder: Du rasest! die große Kunst macht Dich rasen!" mußten etwas von einer unbekannten Geistesgewalt fühlen, wenn Hamann über das Wort Gottes sprach. Derselbe Lindner, welchem Hamann den Rat gab, Empfindungen nicht für Glauben zu halten, erzählt noch dreißig Jahre nach des Letteren Tode, daß er demselben einmal „bei seinen Auslegungen ganz gleichgiltiger Stellen der Bibel" gesagt habe: „Geben Sie mir Jhr originelles Talent, durch den Zauber eines solchen Proteuswiges, wie der Ihrige, Erde in Gold und Strohhütten in Feenpaläste zu verwandeln, so will ich aus dem Schmuze Krebillonischer Romane und Aretinischer Bibliotheken alles das sublimiren, was Sie aus jeder Zeile der Bücher der Chroniken, Ruth, Esther u. s. w. glossiren und interpretiren!" (III, S. VIII.) Der krösusreiche Mann, welcher des Gotteswortes so wenig bedarf, daß er noch wähnen kann, erst der verständige, wizige Menschengeist müsse das arme Gotteswort reich machen! Ihm konnte Hamann freilich nur antworten: „Darauf sind wir angewiesen!" Ich meine auch, darauf sind wir Arme, die in sich selbst nicht das

Leben haben, angewiesen, daß wir die verborgene Herrlichkeit des in Knechtsgestalt gehüllten Gotteswortes schauen lernen und davon uns nähren, davon leben. „Jede biblische Geschichte, sagt Hamann, ist eine Weissagung, die durch alle Jahrhunderte und in der Sele jedes Menschen erfüllt wird. Jede Geschichte trägt das Ebenbild des Menschen, einen Leib, der Erde und Asche und nichtig ist, den sinnlichen Buchstaben; aber auch eine Sele, den Hauch Gottes; das Leben und das Licht, das im Dunkeln scheint, und von der Dunkelheit nicht begriffen werden kann. Der Geist Gottes in seinem Wort offenbart sich wie das Selbständige - in Knechtsgestalt, ist Fleisch und wohnt unter uns voll Gnade und Wahrheit."

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Diese Worte fand der Herausgeber der Hamannschen Schriften auf einem besondern Blatte und hat sie den Betrachtungen vorgesegt. Mit Recht. Sie bilden den Kern und das Ziel derselben. Ueberall sucht Hamann in der irdischen, niedrigen Erscheinung des Wortes Gottes das Leben und das Licht, die Gnade und die Wahrheit, die von oben ist. Ueberall gräbt er nach der Wurzel der Sachen, um aus ihr das allgemeine Wesen der einzelnen Erscheinungen, das inwohnende Gesetz ihrer Entwicklung und ihre verborgene Verbindung zu erkennen*). Wohl dem, der zu suchen und zu finden versteht, wie er!

*) Um ein Beispiel herauszugreifen, will ich wenigstens in einer Anmerkung die Gedanken Hamanns zu Apostelg. 17 mitteilen. „Die Athener aber alle, auch die Ausländer und Gäste, waren gerichtet auf nichts anders, denn etwas Neues zu sagen und zu hören.“ Hamann betrachtet diesen einzelnen Fall sogleich in Verbindung mit dem immer und überall fich kundgebenden Triebe der Menschen nach dem Neuen. Durch irdische Gegenstände wird dieser Trieb nur vermehrt, nicht gestillt, bis er am Ende einer verirrten Entwicklung in krankhaftester und hoffnungslosester Form hervortritt, wie bei den Athenern zur Zeit Pauli. Der Mensch kann mit dem, was er kennt, nicht zufrieden sein, weil darin sein Ziel nicht besteht. Darum muß er nach etwas Neuem trachten. Aber weder im Laufe der Natur noch im Gesichtskreise unserer Vernunft und jedes vernünftigen Geschöpfes ist etwas Neues anzutreffen," wie Hamann weiter nachweist. Es ist also „die Neugierde eine Art des Aberglaubens und der Abgötterei," des Aberglaubens, da man glaubt, es

Die Brocken sind, wie die biblischen Betrachtungen noch in London geschrieben. Dem Titel ist der Spruch beigefügt: „Sammelt die übrigbleibenden Brocken, daß nichts umkomme." (Joh. 6, 12.) Hamann wollte in diesen Blättern die Früchte seines Nachdenkens, wie seiner Erfahrung sammeln. Es sind Brocken geblieben, aber Brocken von nahrungsfähigem Geistesbrot. Die wenigen Seiten enthalten die Wurzeln des Baumes jener Erkenntnis, die nicht den Tod, sondern das Leben bringt. F. H. Jacobi hatte Gelegenheit, sich das Manuscript abzuschreiben, und wurde von seinem Inhalte so angezogen, daß er einige Hauptgedanken in Allwills Briefsammlung (Br. XV) aufnahm, lange vorher, ehe

gebe etwas neues, wiewol es nichts gibt, der Abgötterei, da man dem vermeintlich Neuen als dem Gößen des Tages sich für eine Zeit beugt, bis es fich als Altes herausgestellt hat. Zugleich aber ist die Neugier eine unbewußte Prophetie. Gott schafft das Neue. Seine Vereinigung mit der Menschheit in Chrifto und die Art, wie er diese Vereinigung zu Wesen bringt, ist „die einzige Neuigkeit, die für die Erde und ihre Einwohner wichtig, allgemein und wirklich neu ist, ja niemals aufhören wird, neu zu sein.“ „Dies ist also der einzige Gegenstand, für den uns der Trieb der Neugierde von Gott eingepflanzt ist; dies ist der einzige Gegenstand, der demselben genug thun kann, der unsere Neugierde in Weisheit verwandelt. Dies ist ein Durst, den wir ungeachtet unserer Erbsünde fühlen, den alle irdische Brunnen nur vermehren, und den nur die lautere, himmlische Quelle stillt. Je mehr er davon trinkt, desto reicher wird der Zufluß, und es ist unmöglich, davon zu viel zu trinken.“ Warum gleichwol die Athener, wie überhaupt die neugiervolle Menschheit das Neue, was sie mit Schmerzen verlangt, nicht annimmt, darüber spricht Hamann zu Apost. 17, 23 sich so aus: „Dies ist einer von den unzähligen Widersprüchen, die wir in unserer Natur finden, und deren Auflösung uns unmöglich ist. Die Vernunft ist geneigt, einem unbekannten Gotte zu dienen, aber unendlich entfernt, ihn zu kennen. Sie will ihn nicht kennen, und was noch erstaunender ist, wenn sie ihn erkannt hat, hört sie auf, ihm zu dienen. Dies ist ein Grund, warum Gott so spät und so langsam sich entdeckt; er weiß, daß seine Kenntnis den Menschen ein Anstoß, ein Aergernis ist, sobald er sich ihnen offenbaren und zu erkennen geben will. Die Athener waren andächtig genug, um vor einem unbekannten Gotte niederzufallen; sobald aber dieser unbekannte Gott ihnen entdeckt wird, ist ihnen nichts mehr daran gelegen; sie spotten darüber.“

das Ganze gedruckt wurde, freilich leider ohne sie in sich aufzunehmen.

Die Briefe endlich sind in dieser, wie in den späteren Perioden der schriftstellerischen Thätigkeit Hamanns ein Schlüffel zu seiner hieroglyphischen Autorschaft. Was sein Innerstes bewegte, womit er lange schwanger ging, ehe ein geistlich Kind geboren wurde, das legt er in den Briefen seinen Freunden zwar körnig und originell, aber schlicht und verständlich vor die Augen.

Schon in diesen ersten Aufzeichnungen Hamanns ist jener Same zu erkennen, aus dem die spätern Schriften Hamanns geboren sind, und von dem er selbst einmal sagt: „Den Samen von allem, was ich im Sinne habe, finde ich allenthalben.“ (G. S. 495.) Sie bilden indeß nicht, wie diese, ein organisches Ganze, sondern geben neben einander gestellte Gedanken; ich versuche, diese in den allgemeinsten Umrissen und einer innern Ordnung wieder zu geben.

Ich beginne natürlich mit dem kräftigen Keime seiner Autorschaft, seinem Verlangen nach dem ganzen, vollen, wahren Leben und seiner heiligen Scheu, Namen und Wörter für die Sache zu nehmen. „Ich lasse mich nicht durch Namen, so wenig als durch Wörter hintergehen. Meine Menschen sind nicht elfenbeinerne, Sie müßten mich denn für einen Elefanten selbst halten. Nicht Cadavera, nicht Klöße, nicht tote Bäume sie fühlen und schreien Gottlob und überführen mich, daß ich sie nicht von fern ausspeculire, sondern sie mit meinem Dolch so gut als Bogen treffe. Gott ist in den Schwachen mächtig; das sind aber keine schwache Leute, die ihre Nächsten so lieblos beurteilen, und anstatt als Hirten lebendiger Lämmer sich anzusehen, sich für Pygmalions halten, für große Bildhauer, deren liebreiches Herz den Othem des Lebens ihnen mitteilen wird, si Diis placet!" (Br. 52.) Ja, wenn es Gott gefällt! Kein philosophischer Pygmalion wird den Gebilden seines Kopfes Leben einhauchen, noch viel weniger durch sie Leben schaffen. „Ich muß, versichert Hamann Kant (Br. 49.), beinahe über die Wahl eines Philosophen zu dem Endzweck, eine Sinnesänderung in mir hervorzubringen, lachen. Ich sehe die

beste Demonstration, wie ein vernünftiges Mädchen einen Liebesbrief, und eine Baumgartensche Erklärung wie eine wizige Fleurette an." Ein Lügner weiß besser, als ich es ihn überführen kann, daß er lügt; er weiß ebenso gut, als ich, daß er nicht lügen soll. Ift hier also die Rede vom Lehren und Unterrichten?" (Br. 54.)

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Nicht auf Demonstrationen, sondern auf Thatsachen beruht Hamanns Leben und Ueberzeugung; seine Beweismittel nimmt er darum auch nicht aus den logisch-metaphysischen Luftschlössern, sondern aus dem wahrhaften Leben und seinen Thatsachen. „Ich will auf einmal, mein Herr Magister, heißt es in demselben Brief an Kant, Ihnen die Hoffnung benehmen, sich über gewisse Dinge mit mir einzulassen, die ich besser beurteilen kann, wie Sie, weil ich mehr Data darüber weiß, mich auf Fakta gründe, und meine Autoren nicht aus Journalen, sondern aus mühsamer und täglicher Hin- und Herwälzung derselben kenne; nicht Auszüge, sondern die Akten selbst gelesen habe, worin des Königs Interesse sowol als des Landes debattirt wird."

Mit erhabenem Spott schilt er seinen Bruder: „Was Narren schreiben, darum bist Du neugieriger, als was Gott thut; ja wenn Du auch nur jene zu verstehen und anzuwenden wüßtest!" (1, 457.) Die Fakta und Data, welche Hamann für festern Grund hält, als die Schreibereien der Narren und Weisen, sind freilich nicht die allein, welche von den Sinnen geschaut, gehört, getastet, oder sonst wahrgenommen und ausgemacht werden können. „Man muß nicht glauben, was man sieht, geschweige, was man hört!“ schreibt er an Kant (Br. 49.) und an J. G. Lindner (Br. 36.): „Herr B. (Berens) wird noch Zeit nötig haben und ganz andere Erfahrungen, als er bisher gehabt oder kennt, ehe er vieles in meinem Lebenslauf, sowie in meinen Briefen verstehen kann. Fleisch und Blut sind Hypothesen der Geist ist Wahrheit!"

So viel höher das Geistesleben über dem Sinnenleben steht, soviel grundlegender sind die Geistesfakta, als die sinnlichen, sichtbaren. Die Thaten Gottes, des absoluten, persönlichen Lebens, sind die absoluten Grundlagen alles Lebens. Jm zulegt erwähnten

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