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Hamanns Autorschaft.

Erster Zeitraum von 1759-63.

1. Sokratische Denkwürdigkeiten.

„Meine eigentliche Autorschaft, erzählt Hamann im Briefe an Jacobi vom 6. Jan. 1785, hebt sich mit 1759 und den So= kratischen Denkwürdigkeiten an. Die zween, welche mich feierlich besuchten, um mich zur Autorschaft zu verführen, sind der jezige Ratsherr Johann Christoph Berens in Riga, der an den Schicksalen meines Geschmacks und Lebens den größten Anteil hat, und unser Prof. Kant."

Diese beiden, Männer von scharfem Blicke, ahnten die ungemeinen Anlagen, welche in Hamann schlummerten. Wir sind ihnen großen Dank schuldig, daß sie dieselben zu wecken suchten. Freilich war die Frucht ihrer Bemühung eine ganz andere, als sie bezweckten. Sie wollten nämlich den kaum zu Gott Bekehrten zu ihren Meinungen zurückbekehren. Besonders eifrig hierin war Berens. Aus den Briefen Hamanns an J. G. Lindner, welcher freiwillig oder auf Berens Antrieb zu vermitteln suchte, sehen wir, wie Legterer über die in London erfolgte Umwandlung seines Freundes dachte. „Mit Ekel" hatte er dessen Lebenslauf gelesen, Ekel verursachten ihm dessen Briefe, worin das Licht des neuen Lebens leuchtete. Er trauerte in seiner Weise aufrichtig, daß ein solches Genie durch so „bedauernswürdige, religiöse Uebertreibung, Aberglauben, Schwärmerei, Beten, Händefalten, Beichten" u. s. w. für ihn und die Welt verloren gehen sollte, betrachtete ihn für hin

fort unbrauchbar, warf ihn mit Gichtel und Böhme, die er so wenig wie damals Hamann kannte, in einen Topf, nannte ihn einen Mischmasch von großem Geiste und elendem Tropfe, ja, sprach sogar von einem Loch, wo nicht Sonne, nicht Mond scheint, und wohin er Hamann zu dessen Besserung seßen laffen wollte. (Br. 36.) Berens, der auf der Höhe des Jahrhunderts stehende Weltbürger, konnte es nicht tragen, daß ein Mann wie Hamann das Häuflein der Kinder und alten Frauen, welche noch an Gottes Wort und Gottes Sohn glaubten, vermehren sollte. Mit Eifer und Liebenswürdigkeit suchte er seinen Freund wieder zur Vernunft zu bringen, mahnte ihn, in der Meinung, seine Neligionsgrillen seien Ausgeburten eines träumerischen Müßiggangs, mit Gewalt zu zerstreuender Arbeit,*) sagte ihm dann wieder Schmeicheleien (I, 360), ohne Zweifel über die Größe seines Geistes, Alles in der edlen Absicht, den Verlorenen für die Welt wieder nugbar zu machen, seine Religion von Aberglauben und Schwärmerei zu sichten und ihn zu einem „Bekehrer der Freigeister" heranzubilden. (Br. 38.) Als Lindners Vermittlung sich nuglos zu erweisen begann, gewann Berens den Magister Kant, dieses aufsteigende Licht, um durch ihn zum Ziele zu kommen. Hamann freilich konnte an Kant selbst nur schreiben: „Ich muß beinahe über die Wahl eines Philosophen zu dem Endzweck, eine Sinnesänderung in mir hervorzubringen, lachen.“ (Br. 49.) Berens verzagte noch nicht. Während Hamann, wie man in seinen Briefen sieht, rund und rein seine Ueberzeugung aussprach, dabei freilich „Kohlen redete," blieb Berens stets freundlich, „redete sanft säuselnde Wahrheiten und Sittensprüche,“ zeigte sich überhaupt wie einen Engel des Lichts." (Br. 53.) Er versuchte

*) H. an I. G. Lindner (Br. 36): „Ich gönne ihm seine Geschäfte und er soll mir meine Muße gönnen. Laßt ihn Gott danken, daß er arbeiten kann, und ich bin ihm für die Ruhe, die er mir gibt, ebensoviel schuldig. Pralen und triumphiren muß er nicht. Doch diesen Spruch versteht er ebensowenig mitten im Gewühl seiner Arbeiten, als Crösus unter seinen Reichtümern, was ein wahnsinniger Grieche zu ihm sagte."

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endlich den lezten Schritt. „Er besuchte mich, schreibt Hamann an Lindner am 18. August 1759, sehr lange ich weiß die Zeit nicht, daß ich ihn gesehen mit dem Herrn Magister Kant, durch den er meine Bekehrung wie durch Sie versuchen wollte." Dies muß jener Besuch sein, in dem Berens und Kant ihn „verfähren“ wollten, Autor zu werden, und dessen Frucht die sokratischen Denkwürdigkeiten waren. Denn unmittelbar darauf erzählt Hamann weiter: „Ich versprach, mich bei seinem (des Berens) neuen Freunde (Kant) in der Zeit von zwei Tagen zu einem Colloquio einzustellen. Anstatt selbst zu kommen, rief meine Muse den Kobold des Sokrates aus dem Monde herab, und schickte ihn in meinem Namen, mit einer Granate, die aus lauter kleinen Schwärmern bestund. Weil ich seinen kleinen Magister so sehr liebe und hochschäße, als Ihr Freund; so machte ich ihm dies Schrecken, um zu verhindern, daß er sich nicht weiter einlassen sollte."

Der Berenssche Plan war in der That fein angelegt. Mancher junge Mann von Genie ist durch den Weihrauch, welchen er dem Publicum opferte, und dieses zum Gegendienste ihm wieder streute, aus einem Diener des lebendigen Gottes ein Anbeter der öffentlichen Meinung und des Zeitgeschmacks geworden, denn es steht einmal geschrieben: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre von einander nehmet? Und die Ehre, die von Gott allein ist, suchet ihr nicht."

Hamann durchschaute den Plan. Er wurde allerdings ein Autor. Aber er wandte das Schwert des Wortes gegen die beiden Verführer und das ganze Volk, dessen Mund diese zwei waren. Seine Autorschaft sollte das Mittel werden, sie und die Ihren zu bekehren,*) der klugen Mitwelt ihre Ursünde aufzudecken, den

*) An J. G. Lindner 28. Sept. 1759 (Br. 56): „Man hat mich hart beschuldigt, daß ich Mittel verachtete . . . . Wer ist aber ein Verächter der Mittel? Braucht Gott kein Mittel, uns zu bekehren? ... Was für ein beffer Mittel hätten sich meine Freunde von Gott selbst erbitten können, als mich, den man für einen alten, wahren Freund ansieht und immer angesehen hat, wenn er in eigenem Namen kommt? Weil man aber den nicht kennt, der mich gesandt hat, so bin ich auch verworfen, sobald ich in seinem Namen

Gößendienst des Zeitgeistes zu stürzen und von dem Könige der Wahrheit zu zeugen. Das ist der Ursprung, Inhalt und Zweck der fokratischen Denkwürdigkeiten.

Es ist nicht zufällig, daß Hamann seine Autorschaft mit einer Schrift über Sokrates begonnen hat, denn er hat troß aller Verschiedenheit eine wesentliche, innere Verwandtschaft mit diesem Manne.*)_Darum hat er auch, ohne den Xenophon und Platon gelesen zu haben und nichts anderes kennend als zwei unbedeutende Schriften über den atheniensischen Weisen, doch dessen eigenstes Wesen und wahre Bedeutung klar und sicher herausgefühlt. Das ist sein Streben nach dem ganzen und vollen Leben, die Gründung der Erkenntnis nicht auf ein einseitiges Denkvermögen, sondern auf das Gesammt-Leben. Eben das ist ja auch Hamanns Bedeutung. Die Lex continui, d. i. das Gesez vom notwendigen, organischen Zusammenhang zwischen Wesen und Leben einerseits und dem Denken andrerseits führte Hamann nach seinem Geständnis stets als das größte Geheimnis glücklicher Composition und gesunder Kritik im Munde, und diese Continuität im Denken und Handeln war ihm der ächte Genius und Aeskulap des Sokrates. (IV, 305.)

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Wir treten nunmehr der Schrift selbst näher. Ihr vollständiger Titel lautet: „Sokratische Denkwürdigkeiten für die lange Weile des Publicums, zusammengetragen von einem Liebhaber der langen Weile. Mit einer doppelten Zuschrift an Niemand und an Zween." Dann folgt ein Motto aus dem Anfange des Perfius: O curas hominum Quis leget haec? Nemo. Vel Duo vel Nemo. Da Hamann eine besondere Sorgfalt auf die Wahl des

komme. Wer ist also ein Verächter der Mittel? Ich sehe etwas an den Mitteln aus, die sie zu ihren irdischen Absichten wählen; und sie verwerfen den, den Gott versiegelt hat zum Dienste ihrer Selen.“

*) Nachdem Hamann den Plato genauer kennen gelernt und die Wolten veröffentlicht hatte, schreibt er an J. G. Lindner: „Ich wünsche mir mehr als jemals Glück, daß ich die sokratischen Denkwürdigkeiten zum Grunde meiner Autorschaft gelegt. Am Plane ist nichts zu ändern; an der Ausarbeitung noch sehr viel." (Br. 95.)

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Titels legte, (s. S. 78) so haben wir diesen zunächst ins Auge zu fassen. Meine Absicht ist es nicht, sagt er am Schluß der Einleitung, ein Historiograph des Sokrates zu sein; ich schreibe blos seine Denkwürdigkeiten," das, was im Wesen und Wirken des Sokrates wirklich denkwürdig ist, was ihn zu einem immer Lebendigen Propheten macht. Wie Sokrates unter den Atheniensern, so wollte Hamann durch diese Flugschrift in seinem Zeitalter wirken. Das ganze Werk ist mimisch." (Br. 54.) Eben darum sind die sokratischen Denkwürdigkeiten nicht blos Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Sokrates, sondern Denkwürdigkeiten, d. i. des Nachdenkens würdige Dinge in sokratischer Art, was Hamann, wie wir sehen werden, in der zweiten Zuschrift zum Verständnis des Ganzen ausdrücklich hervorhebt. - Sie sind für die lange Weile des Publicums zusammengetragen. Auch dieser Ausdruck ist doppelsinnig. Was er Denkwürdiges vorzubringen hat, wird und soll dem Publicum lange Weile, Gähnen verursachen, das Schrecklichste, was einem nach der Gunst des Publicums strebenden Autor widerfahren kann. Schon durch den Titel also bezeugt Hamann, daß er nicht schreibt, um dem Publico zu gefallen und Autorenehre von der Mitwelt zu ernten. Ich habe mich, berichtet er „Ich an Lindner, unmittelbar nach der Anzeige von der Abfassung unserer Schrift, auf das Exempel des Aristoteles bezogen, der eine Schrift ausgab, von der er gestand, daß sie so gut als nicht ausgegeben wäre, bin also nicht der erste, der das Publicum äfft. Meine Gesinnungen habe ich gegen dasselbe offenherzig ausgeschüttet, und neige mich blos wie Naemann vor dem Gößen seines Herrn, wenn er ihn aus Pflicht in den Tempel deffelben begleiten mußte." (Br. 55.) Wie Naemann, nachdem er durch den lebendigen Gott vom Aussaz rein geworden war, über dem Gözen seines Königs, so steht Hamann über dem Publicum, ein freier Mann, unberührt vom Lobe wie Tadel der Tonangeber. Gott, der Urheber der Welt ist für ihn das Muster des wahren Autoren. „Der Urheber und Regierer der Welt . . . gefällt sich selbst in seinem Plan, und ist für unsere Urteile unbesorgt. Wenn ihm der Pöbel über die Güte der Welt mit klatschenden Händen und schar

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