ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

dorfer und Münstersche Freundeskreis seine legten Tage verklärt hatte. *)

In diesen engen Ufern hat das innere Leben Hamanns gewogt und gewallt, wie ein tiefes Meer. Er war eine universelle Natur, mit allen Kräften des Geistes in seltenster Weise ausgestattet. Sein Wissens wie sein Thatendrang ging ins allgemeine. Fachwissenschaft verschmähte er, weil er in der Gesammtwissenschaft leben, auch der Welt nicht als Fachmann, sondern im ganzen Umkreis menschlicher Erkenntnis dienen wollte. Alles zugängliche Wissen raffte er in seinen Kopf zusammen; die Sprache und die Gedanken aller Völker und Zeiten sollten seine Nahrung sein. So unbeschränkt dieser Trieb ihn beherrschte, konnte derselbe, seiner centrifugalen Natur nach, doch keinen festen, das Leben ordnenden Mittelpunkt in ihm schaffen. Hamanns Wissen war darum anfänglich eine chaotische Masse, die in tausend unzusammenhängenden Bruchstücken in ihm umher lag, zu keiner organischen Einheit sich zusammenschließen, auch keinem einheitlichen Ziele zustreben konnte. Er selbst hat dies, sobald sein Leben von einem wahren Centrum beherrscht war, so klar eingesehen und so derb ausgesprochen, wie kein Anderer. „Meine lateinischen und griechischen Zusammensegungen, erzählt er in seinem Lebenslauf, waren Buchdruckerarbeit, Taschenspielerkünste, wo das Gedächtniß sich selbst überfrißt, und eine Schwindung der übrigen Selenkräfte entsteht, weil es an einem gesunden und gehörigen Nahrungssaft fehlt. . . Ich fand mich mit einer Menge Wörter und Sachen auf einmal überschüttet,

*) Er wurde beerdigt im Parke der Fürstin Galligin. Auf dem Grabsteine stand 1 Cor. 1, 23. 27. Im Jahre 1834 suchten Geistesfreunde das Grabmal auf. Man fand es in einem Kartoffelfelde; es war zertrümmert, mit Kraut überwuchert. Durch Cabinetsordre vom 14. Febr. 1848 übernahm Friedrich Wilhelm IV. die Kosten eines neuen, dem alten genau nachgemachten Denkmals. Die Leiche wurde ausgegraben und am 31. Juli 1851 auf dem Ueberwasser- Kirchhofe neu beigeseßt.

[ocr errors]
[ocr errors]

deren Verstand, Grund, Zusammenhang, Gebrauch ich nicht kannte. Ich suchte immer mehr und mehr ohne Wahl, ohne Untersuchung und Ueberlegung auf einander zu schütten, und die Seuche hat sich über alle meine Handlungen ausgebreitet, daß ich mich endlich in einem Labyrinth gesehen habe, von dem ich weder Aus- noch Eingang noch Spur erkennen konnte.“ „Ein neues Feld zu Ausschweifungen wurde mir offen, und mein Gehirn wurde zu einer Jahrmarktsbude von ganz neuen Waaren. Ich brachte diesen Wirbel mit auf die hohe Schule, wohin er eigentlich gehörte." „Was mich vom Geschmack der Theologie und aller ernsthaften Wissenschaften entfernte, war eine neue Neigung, die in mir aufgegangen war, zu Altertümern, Kritik - hierauf zu den sogenannten schönen und zierlichen Wissenschaften, Poesie, Romanen, Philologie, den französischen Schriftstellern, und ihrer Gabe zu dichten, zu malen, schildern, der Einbildungskraft zu gefallen u. s. w.“ Er schmeichelte sich, wie alle andern gleich reich begabten Geister, ehe das Licht der Wahrheit in ihre Augen gefallen ist, es sei „Großmut und Erhabenheit, nicht für Brot zu studiren, sondern nach Neigung, zum Zeitvertreib, und aus Liebe zu den Wissenschaften selbst, und daß es besser wäre, ein Märtyrer, denn ein Taglöhner und Mietling der Musen zu sein." Später hat er über diese „erhabene" Gesinnung, wie die Liebhaber der Selbstschmeichelei sie nennen, spottend geseufzt: „Was für Unsinn läßt sich in runden und voll-lautenden Worten ausdrücken!"

[ocr errors]

Wie die Kenntnisse der Völker auf seinen Kopf, ließ Hamann ihre Thaten und Leiden auf seine Sele wirken. Wie kann man, fragt er in der Beilage zu Dangeuils Anmerkungen, wie kann man seinen Stand der Schöpfung und Gesellschaft erniedrigt sehen, ohne sich und Andere unerträglich zu finden? Macht euch, Menschen, zu leblosen, zu unvernünftigen Geschöpfen; ja, macht euch um den Verderber der Welt als um euern Gott verdient! Wer aber an euch mit kaltem Blute denken kann, sündigt schon... Ich bin ein Mensch, und ziehe mir alle menschliche Zufälle wie meine eigenen zu Herzen.“

Man meint hier Göthes Faust sprechen zu hören:

Mein Busen

Soll keinen Schmerzen fünftig sich verschließen,
Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst genießen;
Mit meinem Geist das Höchst' und Tiefste greifen,

Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,

Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern.

Und auch der Schluß: „Und wie sie selbst am End auch ich zerscheitern!" sollte nicht fehlen. Doch ehe ich davon erzähle, müssen wir uns mit der religiös-sittlichen Gestaltung des jugendlichen Hamanns bekannt machen.

Die ungemeinen Anlagen gaben Hamann frühe ein ebenso ungemeines Selbstgefühl. Drang nach Freiheit und ureigner Entwicklung, stolze Lust, selbst der Gestalter seines Lebens zu sein, waren der Pulsschlag seiner Jugend. Die natürliche Anhänglichkeit an eine fromme, zärtliche Mutter und einen ehrenfesten, gottesfürchtigen Vater, die anerzogene Frömmigkeit und der überlieferte Bibelglaube waren nicht im Stande, seinem Drängen nach Selbstgestaltung von vornherein die rechte Bahn vorzuzeichnen. Er wollte und sollte erfahren, wie weit ein Mensch sich selbst zu bringen vermag.

"Ich wollte, erzählt Hamann in seinem Lebenslauf, in der Welt meine Freiheit versuchen; ich wollte Meister meines Geldes sein," und nicht blos seines Geldes. Er brannte, aus dem Elternhause zu kommen, um sich selbst führen zu lernen," wie er an seinen Vater schreibt (1752). „So schlecht,“ fährt er fort, „das Vertrauen ist, das Sie mich auf meinen Verstand und mein Herz zu setzen gelehrt haben, so darf ich doch nicht verzweifeln, daß die Freiheit, mich meiner Gemütskräfte zu gebrauchen, dieselben verbessern möchte. Diese Freiheit zu denken und zu handeln, muß uns wert sein, denn sie ist ein Geschenk des Höchsten und ein Vorrecht unsers Geschlechts und der Grund wahrer Tugenden und Verdienste. Gott selbst hat uns den Gebrauch derselben zugestanden, und ich schmeichle mir, daß Sie dieselbe bei meiner Erziehung niemals aus

den Augen gelaffen haben. Die Eingriffe, die ein menschliches Ansehen in unsere Freiheit thut, bringen uns entweder zu einer Unempfindlichkeit, die niederträchtig oder verzweifelnd ist, oder zur Heuchelei. Die Sittenlehrer bestätigen diese Wahrheit mit dem Beispiele ganzer Völker." Das Pochen auf das Recht zur Freiheit wird gegen den Schluß des Briefes fast zum Troz: „Ich werde mir den ersten den besten Weg gefallen lassen müssen, Königsberg und meinem Verdrusse, der mich gegen alles Gute zulegt unempfindlich machen wird, zu entfliehen, wenn Ihre Gründe so erheblich sein sollten, mir eine abschlägige Antwort zu geben.“

Uebrigens verlangte er nicht Freiheit für sich, um der Tyrann Anderer zu werden. Nur selbständiges Leben hielt er wert, menschliches Leben zu heißen. Totes oder sklavisches Nachplappern und Nachahmen erschien ihm eine Herabwürdigung zur unvernünftigen Kreatur. An die Baronin v. B., die Mutter seines ersten Zöglings, den er mechanisch zustugen sollte, schrieb er (1753): „Gewissenhafte Eltern erinnern sich bei Gelegenheit der Rechenschaft, die sie von der Erziehung ihrer Kinder Gott und der Welt einmal ablegen sollen. Diese Geschöpfe haben menschliche Selen, und es steht nicht bei uns, sie in Puppen, Affen, Papageien oder sonst etwas noch ärgeres zu verwandeln." Diese Lust an freier Entwicklung, die er für sich in Anspruch nahm und andern nicht verkümmert wissen wollte, seßte ihn freilich sehr bald außer Brot. Aber sein Mut, sich selbst zu führen, blieb ungebrochen. Nicht zu viel Mißtrauen, wenn ich bitten darf, schrieb er an seinen Vater (1753), und nicht gar zu viel Anteil. Sie müssen mich jezt schon dem lieben Gott und mir selbst überlassen. Gott wird Ihre Stelle vertreten, und ich will der Ueberlegung und dem Gewissen folgen." Als er auf seiner zweiten Stelle in Grünhof mit seinem Freiheitsdrange gleichfalls scheiterte, schrieb er an den Vater, der ihn aufgefordert hatte, nach solchen mißglückten Versuchen zurückzukehren (4. Mai 1755): „Entschlagen Sie sich der Sorgen, die Ihrer und meiner Ruhe nachteilig sind, der Sorgen für ein Glück, das ich nicht dafür erkennen kann. Die Erde ist des Herrn; seine Gegenwart und die Vorstellung meiner

Pflichten, denen ich lebe, möge mir allenthalben gleich nahe sein Ich habe noch Herz genug, mehr zu erfahren, mehr zu leiden, mehr zu übernehmen." Dann schlägt er dem Vater vor, ihm folgenden Brief zu schreiben: „Mein lieber Hans, ein eigensinniger Junge bist Du allemal gewesen; wenn es nun aber Dein Ernst ist, ein ehrlicher Kerl zu bleiben, so kannst Du von Deinen Eltern versichert sein, daß sie so einen Sohn lieber in der Fremde haben wollen, als in Schanden in ihrem Hause ernähren.“ Hamann wurde später in dasselbe Haus zurückgerufen. Statt sich dieser Genugthuung zu freuen, zürnte er der unfreien Gesinnung, mit der man die Kinder nicht zu lebendigen Menschen, sondern zu eiteln, gleißenden Zierpuppen, zu Sklaven des Modegeschmacks bilden wollte. Er schreibt seinem Vater (17. März 1756): „Die Welt will betrogen sein; es ist nicht jedermanns Sache, sich diesem Verlangen zu bequemen. Was sagt Gewissen, Pflicht dazu? Sieget über Alles! Der eine Teil weiß gar nicht, was Erziehung ist, der andere weiß nicht, was Söhne sind. Brauchet zu einer Tochter Schminke und Eitelkeit. Wenn ihr nicht Tugend haben wollt, so laßt wenigstens Ehre in das Herz eines Kindes, weil ein Mann aus ihm werden soll. . . Glaubt ihr, daß ich für euch lebe, und euch zu Gefallen auf dem Kopfe gehen soll, weil ihr desselben euch so wenig als eurer Füße gehörig bedienen könnt? Ich sehe zu, schweige und wundre mich. . . . Sie sehen hieraus, geliebtester Vater, daß ich meinen Beruf mit Ernst treibe. Der äußere Beifall genügt mir nicht; der Schein auch nicht. Ich kann weder kalt noch lau sein." Zwei Monate später schrieb er an seinen Freund J. G. Lindner: „Ich bin ein freier Mensch, der keine anderen Geseze als Pflichten und Umstände erkennt. Von meinen Entschließungen hängt Niemand sonderlich ab, meine Ehre von meinem Gewissen, mein Glück von meiner Wahl. Ich kann Niemanden als mir selbst nachteilig sein. Bei der Freiheit ist jeder Schaden zu ersehen, und jeder Versuch macht uns klüger."

Bei diesem Freiheitsdrange war der junge Hamann von einem hohen, selbstlosen Streben erfüllt. In einem Briefe an den Vater vom 10. April 1756 heißt es: „Es gibt Menschen, die sich selbst

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »