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plumpen Ungeheuerlichkeit nur wie ein Federmesser ist, in der Hand Hamanns zum siegreichen Schwerte.

Der dritte Aufzug bringt die zum Schluß des zweiten schon angedeutete Lösung, der Form nach in der übersprudelndsten, lustigsten Ironie, dem Wesen nach mit erhabenem Ernste. Wahrheit ist die Geliebte Hamanns. Widerspruch, ja eine unnatürliche d. h. nicht aus der bloßen Natur zu erklärende Neigung zu Widersprüchen ist das Wesen und Leben der Wahrheit (vergl. S. 34 ff.), denn sie ist schwarz, aber gar lieblich; sie ist lieblich, aber wenn sie den Despotismus der gößendienerischen Zeitströmung bricht, unsinnig in ihrem Treiben, wie Jehu (2. Kön. 9, 20.)*), sie liebt ihre unmündigen Kinder, und wirft sie doch ohne Schuß in die feindliche Welt, hart gegen sie, wie ein Strauß gegen seine Eier, die eine treuere Mutter ausbrütet und groß zieht, als er selbst ist; sie hat gesunde Vernunft und macht die gesunde Vernunft verdächtig.

Nicht erst die gesunde Vernunft des Hamburger Nachrichters, sondern die aller Zeiten hat die Schwierigkeiten in den Sibyllenblättern, das ihr Unbegreifliche und ihren Ansichten und Wünschen Widersprechende in der Geschichte aus einem kranken Körper und Kopfe hergeleitet. Von der ewigen und persönlichen Wahrheit selbst urteilte night ein Fleiner Seil: Δαιμόνιον ἔχει καὶ μαίνεται, δ zu dem Manne, welcher diese lebendige Wahrheit und Weisheit den stolzen Heiden gebracht und die Gestalt der Welt umgewandelt hat, sagt ein vornehmer und kluger Landpfleger eben dasselbe, (Apstg. 26, 24.) Alle großartigen Erscheinungen in der Profanund heiligen Geschichte sind auf diese Weise erklärt, wie Aristoteles anmerkt, daß alle Meister Invaliden gewesen. Herkules, der verklärte Heros des Hellenentums, hatte eine heilige Krankheit, David, der leuchtende Stern des Bundesvolkes, war vor dem Philisterkönig Achis wie ein Unsinniger und Rasender. (1. Sam. 21.) Demokrit, vom Hippokrates für gesund erklärt, schließt alle ge

*) „In gewissen Fällen bin ich ein so eifriger Anbeter des Publicums, als Jehu des Baal." 2. Kön. 10, 18 ff. III, 31.

funden Dichter vom Helikon aus. Auch Elisa galt als ein Rasender, da er Gottes Gedanken zu Stand und Wesen brachte. (2. Kön. 9, 11.) Aristoteles führt auch den Ajax und Bellerophon an, den Sokrates und Platon und „erklärt auch alle Symptome der Bacchanten und Propheten nach eben der Methode, in welcher Eli und die ungläubigen Juden das Zeichen der Lippen und Zungen sich vorzustellen beliebten, über das Entsegen des großen Haufens lächelten und den Schluß machen: „sie sind voll füßen Weins!" (1. Sam. 1, 12-16 und Apstg. 2, 13.) Uebrigens folgt daraus nicht, wie Hamann sarkastisch anmerkt, daß alle Besoffene, Mondsüchtige und Paralytische Genies seien!

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Wie Hippokrates sich viele Mühe gegeben, das Oɛiov, das Kreuz seiner Kunst, zu vernichten, und er troßdem zum Schluß seiner Abhandlung über die h. Krankheit bekennen muß: távta Θεῖα καὶ ἀνθρώπινα Πάντα: fo wirs war fort uns fort alle menschliche Kunst und Weisheit auf ein geheimnisvolles Ociov als auf ein Kreuz, woran sie sich verbluten muß, stoßen, dieses Kreuz zu vernichten suchen, aber gleichwol immer bekennen müssen, daß im Menschen und allen menschlichen Erscheinungen alles göttlich und alles menschlich ist, daß die Durchdringung des Menschlichen durch das Göttliche und die freie Ergreifung des Göttlichen durch das Menschliche der Kern des menschlichen Wesens, der menschlichen Geschichte und Erkenntnis ist. (Vrgl. IV, 23.) Eine solche Durchdringung ist der Paroxysmus, mit dem Paulus die Athener angriff und überwand (Apstg. 17, 16), aber auch der Paroxysmus, durch den Solon vorher sein Vaterland groß gemacht hat. Warum soll denn nicht, wie der Nachrichter offenbart, beim Verfasser der sokratischen Denkwürdigkeiten Krankheit und Genie, Menschliches und Göttliches neben einander bestehen können. Wenn Einer nichts Göttliches, sondern nur Menschliches, vielleicht sogar nur Würmer sieht, so folgt daraus noch nicht, daß nichts Göttliches da ist, denn Was Bileam nicht selber sah,

Sah doch sein Esel stehen.

Die Erklärung, welche der Nachrichter vom Ursprung der Denkwürdigkeiten gibt, daß sie aus einem verwirrten Gehirn abstammen,

kann also richtig sein. Es ist aber unverschämtheit vom Nachrichter, wenn er damit den Ruhm in Anspruch nimmt, Erzeuger dieser unnatürlichen Wahrheit zu sein, daß aus dem Widerspruch oder der widersprechenden Einheit vom Göttlichen und Menschlichen, von Ungewißheit und Zuversicht die wahre Weisheit entspringt.

Hier wirft H. die lustige Hülle des Spottes ab und tritt in wahrer Gestalt auf, sagt, was er ist und will, klar und bündig, und endet mit einem Hymnus auf die Thorheit der ächten Weisheit, die alle Weisheit menschlicher Narrheit zu Schanden macht. Die gottgegebene Weisheit ist zu allen Zeiten dem Verstande thöricht erschienen, denn schon die Gespielen Apolls waren von seiner Flamme verbrannt. Aber diese Thorheit ist reich genug, die landläufige, seichte, närrische Weisheit des Menschenverstandes zu erseßen, die durch den Zusammenhang allgemeiner Wahrheiten in die Sinne fällt. Gegen den Despotismus des Gößen Zeitweisheit und für die göttliche Thorheit ohne Aufhören zu kämpfen, bis diese als wahrhaftiges Licht, Leben und Weisheit offenbar wird, das ist das Wesen der Hamannschen Muse. Die menschliche Weisheit ist durch ihren hoffärtigen Abfall von Gott zur Thorheit geworden; seitdem ist es Gottes Wille, durch die Thorheit des Evangeliums zur Weisheit zu führen. Wie das Gesez uns das sittliche Unvermögen aufdeckt und dadurch zu dem Erzeuger eines neuen Lebens hinführt, so ist es die eigentliche Aufgabe der Vernunft, uns von unserer Unvernunft zu überzeugen und dadurch zu der wahren Weisheit hinzuführen, die Licht und Freiheit ist. Hier sind H.'s eigene Worte:

„Das Salz der Gelehrsamkeit ist ein gut Ding; wo aber das Salz dumm wird, womit wird man würzen? Womit sonst als mit ser Μωρία τοῦ κηρύγματος, mit thrigter redigt. 1. Cor. 1, 21.

Die Vernunft ist heilig, recht und gut; durch sie kommt aber nichts als Erkenntnis der überaus sündigen Unwissenheit, die, wenn sie epidemisch wird, in die Rechte der Weltweisheit tritt, wie einer aus ihnen gesagt hat, ihr eigener Prophet, der Methusala

unter den beaux esprits dieses Geschlechts: Les sages d'une Nation sont fous de la folie commune. Niemand betrüge sich also selbst. Wer sich unter euch dünkt weise zu sein, der werde ein Narr in dieser Welt, daß er möge weise sein. 1. Cor. 3, 18.

Das Amt der Philosophie ist der leibhafte Moses, ein Orbil zum Glauben, und bis auf den heutigen Tag, in allen Schulen, wo Moses gelesen wird, hängt die Decke vor dem Herzen der Lehrer und Zuhörer, welche in Christo aufhört. Dieses wahrhaftige Licht sehen wir nicht im Lichte des Mutterwißes, nicht im Licht des Schulwizes. Der Herr ist der Geist. Wo aber des Herrn Geist ist, da ist Freiheit. Dann sehen wir alle mit aufgedecktem Angesicht des Herrn Klarheit wie im Spiegel, und werden verwandelt in dasselbe Bild von Klarheit zu Klarheit als vom Herrn des Geistes. 2. Cor. 3, 17. 18."

Der Epilog ist kurz. Sowol die Hamburgischen Nachrichten als die fokratischen Denkwürdigkeiten sind enthüllt. Jene stehen in ihrer nackten Erbärmlichkeit, diese in ihrer Herrlichkeit vor uns. Führt die ächte Unwissenheit zu jener Weisheit, die in Christo ist, so ist der Pulsschlag der Denkwürdigkeiten wie der Wolken, das Wort, womit diese schließen:

Συμμιμηταὶ μοῦ γίνεσθε, καθὼς κἀγὼ

Χριστοῦ.

Um die sokratische Literatur abzuschließen, bespreche ich schon hier die erst 1773 erschienene

III. Beilage zun Denkwürdigkeiten des seligen Sokrates

von einem Geistlichen in Schwaben.

Veranlaßt ist diese kleine Schrift durch die „Neue Apologie des Sokrates oder Untersuchung der Lehre von der Seligkeit der Heiden, von Joh. Aug. Eberhard, Prediger in Charlottenburg.“ Dies Buch wieder hat seine Quelle im 15. Cap. des „philosophischen Romans" Belisar von Marmontel, welches von der Wahrheit Toleranz für die Unwahrheit fordert. Die Sorbonne verdammte den Noman, in Holland bekämpfte man ihn, im sandigen Mittel

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punkte von Norddeutschland erregte er „Entzücken." Eberhard fühlte sich berufen, als schüßender Ritter für „dieses bescheidene, sanftmütige Kapitel" aufzutreten und die Mitwelt über die Lehre von der Seligkeit der Heiden" aufzuklären. Zu diesem Zwecke sollte ihm Sokrates Mittel sein. Da erhub sich der sokratische Geist Hamanns aufs neue und schaute, nicht mit flammendem Auge, dazu war keine Veranlassung nur mit heiterm aber vernichtendem Lächeln saevo cum joco sagt das Titel-Motto auf die Lieblingsthorheiten der Zeit herab.*) „Eine Beilage zun Denkwürdigkeiten" genügte, um dem ,,Neo-Pseudo-Socratismus" (V, 188) den Mund zu stopfen. Denn was der ächte Sokratismus ist, hatten schon die Denkwürdigkeiten vor 14 Jahren gezeigt, auch die wesentliche und bleibende Bedeutung des Sokrates in ganz anderer Kraft und Klarheit dargelegt, als die eberhardsche verwaschene Seligpreisung der Heiden, was durch das Titelbeiwort des „seligen“ Sokrates nebenbei angedeutet ist. Auch die Beilage stammt, wie die neue Apologie, von einem Geistlichen, nur nicht einem Prediger, der vom Berliner Nikolaitischen Winde, sondern dem Geiste aus der Höhe befruchtet ist, wenn er dafür auch als Schwabe gelten muß, gleichwie Paulus. (1. Cor. 3, 18. 4, 10.) Hamann und Eberhard beide Schriftsteller über Sokrates! Das heißt in der That, wie die horazischen Verse auf dem Titel sagen, impares formas atque animos sub juga ahenea sa evo mittere cum joco.

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Wie das Rittertum, an und für sich und an seinem Orte edel und notwendig, durch den donquixotischen Zeitgeist zum unvergånglichen Zerrbilde aller Helden, Ritter und Liebhaber entstellt ist, so sind Vernunft, Tugend, Toleranz, an und für sich gut, ehrwürdig und heilig, durch die Einbildung des Jahrhunderts in lächerliche, hohle, heuchlerische Mißgestalten verwandelt. Hamann ist der Cer

*) Herder schreibt am 21. Juli 1773 an Hamann: „Ihre Beilage zum seligen Sokrates hat mir Leib und Sele erquickt. Ihr Genius darin ist nicht mehr Flamme, aber Wind des Herrn, sehr durchziehendes Sausen.“ In Berlin selbst machte das Schriftchen solchen Eindruck, daß Eberhards Beförderung in eine fettere Pfründe unmöglich wurde. Vergl. V, 41.

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