ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

Wer ist Hamann?

„Die Lektion eines Rezensenten ist kaum Beurteilung, höchstens Geschicklichkeit, was er gelesen hat, recht aufzusagen.“ (VII, 85.) Wenn ich diese Geschicklichkeit auch nicht in dem Maße bewiesen. habe, wie ich selbst wünsche, so wird doch, hoffe ich, am Schluffe meines Buches ein oder der andere Leser auf dieselbe Frage, die ihn zu Anfang stumm machte, eine klare und getroste Antwort bereit haben.

Noch einmal: Wer ist Hamann?

Manches Wort der Hieroglyphensäule ist auch jezt noch für mich wie meine Leser gleich einer verhüllenden Wolke, von der man nicht weiß, was sie in ihrem Schoße trägt; aber die eigent= liche Schazkammer des mitternächtlichen Magus ist aufgeschlossen und zeigt uns gediegenes Gold: „Jeßt sieht man das Licht nicht, das in den Wolken helle leuchtet; wenn aber der Wind weht, so wirds klar; von Mitternacht kommt Gold. (Hiob 37, 21. 22.) -" II, 455.

Was ist das Gold, das uns von Mitternacht her gekommen ist?

„Wie die Luftfeuche den Gebrauch des Merkurs zum herrschenden Hilfsmittel eingesezt hat. . . : also hat das Verderben der Schriftsteller und Leser das Amt der Kunstrichter eingeführt" (II, 381.), und also hat die herrschende Sucht, zu scheiden, was Gott zusammengefügt hat, den Herrn seiner Werke bewogen, einen Mann uns zu schenken, welcher den Grundsaß: „Was Gott zusammengefügt, das soll der Mensch nicht scheiden" durch die Kraft der Anwendung" zum Medusenhaupt für die vergötterte Zeitphilosophie und zum Samenkorn einer neuen

Weisheit und Wissenschaft, welche die älteste ist, gemacht hat. Has mann ist also für sein und unser Jahrhundert ein medicamentum specificum, wie Sokrates für die Athener. *)

So viel unser Aecn auch weiß und entdeckt hat, es gibt für ihn noch unentdeckte Länder. Sie werden, als unbekannte, zufolge einer allgemeinen menschlichen Beschränktheit von ihm auch für unbebaute und wüste Gebiete gehalten, sollte das eigene, bekannte Land auch eine dürre Heide, das fremde, unbekannte ein Paradies sein. Hamann hat das Unphilosophische dieses Dünkels mit solcher Energic blos gelegt, daß, wer klug ist, „ein unbekanntes Land nicht länger für eine unangebaute Wüstenei" (II, 129) ansehen, sondern mit weiser Bescheidenheit sagen wird: Ich kenne das Land nicht, denn ich bin nicht heimisch darin. Seinem Sterne folgend, hat der Magus sein Leben den Entdeckungen unbekannter Länder" (vrg. S. 132. II, 389) gewidmet. Das Land, das er sucht, ist kein fremdes. Es ist das Heimatsland des Geistes. Aber der Zeitgeist hat es verlassen, und rasch ist es ihm in solchem Maße fremd geworden, daß es für ihn neu entdeckt werden muß.

"

Dieses unbekannte Land ist das geheimnisvolle, unbeguckte, unbetastete Gebiet, wo die Quellen, die Brüste des Lebens gefunden werden, „an denen Himmel und Erde hängt, dahin die welke Brust fich drängt," es ist das Leben selbst in seiner Ganzheit und Ginheit, von dem, wie ein diesem Lande Eutflohener gerufen hat, trog aller Philosophie und Anatomie du nicht mehr verstehst als das Bieb, das Leben von seiner absoluten Fülle an bis hinab zur untersten Faser und wieder hinauf bis zur Verklärung in das Bild des Menschensohnes. In diesem Lande liegt „alle Wirkenskraft und Samen;" dort braucht man nicht mit Worten kramen.“

*) „Des Sokrates Beruf, die Moral aus dem Olymp auf die Erde zu verpflanzen, und ein delphisches Orakelsprüchlein in praktischen Augenschein zu segen, kommt mit dem meinigen darin überein, daß ich ein höheres Heilig. tum auf eine analogische Art zu entweihen und gemein zu machen gesucht, zum gerechten Aergernis unserer Lügen-, Schaus und Maulpropheten." (V, 48.) Vrgl. S. 164.

Dieses Land hat Hamann für sein vernünftiges und åsthetifches Jahrhundert neu entdeckt, die Wissenschaft von ihm ausgebreitet und fähigen Köpfen und Herzen den Weg zu ihm gezeigt. „Alles ist göttlich. . . . Alles göttliche ist aber auch menschlich; weil der Mensch weder wirken noch leiden kann, als nach der Analogie seiner Natur, sie sei eine so einfache oder zusammengeseßte Maschine, als sie will. Diese communicatio göttlicher und menschlicher idiomatum ist ein Grundsatz und der Hauptschlüssel aller unserer Erkenntnis und der ganzen sichtbaren Haushaltung.“ (IV, 23.)

„Die Füglichkeit unserer Religion mit allen unsern Neigungen, Trieben und Bedürfnissen unserer Natur, diese genaue Beziehung ihrer Wahrheiten und Entdeckungen mit unsern größten Mängeln und kleinsten Unvollkommenheiten sowol, als mit unsern höchsten und übersteigendsten Wünschen ist eine Quelle ungemein fruchtbarer und entzückender Betrachtungen, und nächstdem ein überzeugender Beweis, daß sie mit der Natur Einen Urheber hat. So wie der gauze Plan der Natur auf die äußerlichen, körperlichen Bequemlichkeiten und Bedürfnisse gegründet ist, so der ganze Plan der Gnade auf die Natur, die Mängel und geheimen Ansprüche unserer Sele, unsers unsterblichen Geistes. Kurz, alle die Wolthaten, die ich durch die Schöpfung zu meinem zeitlichen Leben genieße, sind nichts als Schattenbilder der ungleich höheren Wolthaten, Die meine Sele in der Erlösung zum geistlichen Leben empfängt und genießt. Die Sele kann so wenig ohne Glauben leben, als der Leib ohne die Güter der Natur. Dies ist das wahre Licht und das einzige, worin die Neligion von uns angesehen werden sollte; dann würden wir bald von ihrer Göttlichkeit und Notwendigkeit überzeugt sein." (VIII, 6.)

Die Form der Hamannschen Autorschaft ist nicht blos originell und genial, sie ist durchaus einzigartig. So hat nie kein Mensch geredet. „Alle meine Opuscula, bekennt er (V, 48), machen zusammengenommen ein alcibiadisches Gehäus aus.“ (Vrgl. S. 165. 168.) Aber der Inhalt ist kein neuer, ist die ewige, alte Wahrheit, das kündlich große Geheimnis, das uns vertrauet ist, in dem verborgen liegen alle Schäße der Weisheit und Erkenntnis.

Von Eigenem ist nichts hinzugefügt, keine Verbrämung noch Umräucherung weder durch eigene Philosophie noch Theosophie und Intuition, weder durch Mystik noch Dogmatismus und Dialektik. „Jedermann hat sich über die Façon des Sazes oder Plans aufgehalten, und niemand an die alten Reliquien des kleinen lutherischen Katechismus gedacht, dessen Schmack und Kraft allein dem Pabst- und Türkenmord (dem Despotismus des Aberglaubens und Unglaubens, des guten Willens und der gesunden Vernunft) jedes Aeons gewachsen ist und bleiben wird.“ (V, 48.) Diese alten Reliquien sind das Ziel, das Leben und dessen Lust und Leid ist die Schule seiner Autorschaft, wie er dürr heraussagt, „und, fährt er fort, Ziel und Schule meiner Autorschaft sind mir köstlicher als alle Zufälligkeiten derselben." V, 50. Darum wird man auch immer durch die Zufälligkeiten sich hindurcharbeiten zu dem bleibenden, köstlichen Kerne. Seine Versicherung wird sich erfüllen: „Jedermann gibt zuerst guten Wein, und wenn die Gäste trunken werden, alsdann den geringen. Dies ist der Lauf der Welt, auch der Wandel gemeiner Schriftsteller. Oeffentliche Ergöglichkeiten hingegen, an denen der Geist der Religion Anteil nimmt, behalten den guten Wein bis ans Ende und verwandeln die unschmackhafte Eitelkeit dieses Lebens in ein Mahl von Fett, von Mark, — in ein Mahl von reinem Wein, darin kein Hefen ist, wo der Becher überläuft und Wollust uns tränkt, nicht mit Tropfen, sondern als mit | einem Strome. — Die evangelische Wahrheit darf also vor dem Ostracismus nicht erröten, mit dem die Lieblichkeit, das Salz und Gewürz ihrer Redensarten aus Gesellschaften von bestem Ton verbannt werden." (II, 239 ff.)

In allen Gesellschaften vom besten Zeitgeisttone, den wissenschaftlichen, ästhetischen, politischen und lustigen, gelten bis auf den heutigen Tag die evangelischen Wahrheiten als unwissenschaftliche, unpolitische, langweilige Redensarten. Wenn irgend Jemand, so hat H. bewiesen, daß in diesen „Redensarten“ Salz und Licht, Kraft und Leben, Weisheit und Wissenschaft verborgen liegt, daß das Wort aus Gottes Munde die ewige Wahrheit und Wesenheit der Dinge ist. Die Weisheit muß sich rechtfertigen

lassen von ihren Kindern!" Er hat auch bewiesen, daß die stolzen Worte der Anbeter des guten Willens und der gesunden Vernunft Redensarten" sind, leere Schläuche", " ein Ballet hinkender Hypothesen“ (II, 243), hohle Begriffe, „aus deren Extremitäten und Exkrementen, dem Magen und Willen der Dinge zuwider, viel Phosphorus herausgestriegelt werden kann, vermittelst einer populär (auch spekulativ und dialektisch) philosophirenden Sprache, deren Kunstzeichen weit abstrakter, biegsamer und schlüpfriger find, als der Laconismus und stilus atrox poetischer Bilderschrift." (VI, 456.)

Dingen Namen zu geben, ist ein Prärogativ der menschlichen Natur." (III, 68.) Aber daß dieses königliche Prärogativ, ebenso wie das Regal, Münzen zu schlagen, durch die, welche sich über alle Schazkammern der Weisheit und Wissenschaft gesezt dünken, geschändet ist und wird, darüber öffnet H. die Augen. Laut und ohne Furcht spricht er es aus, daß Leute, die solches thun, Falschmünzer im Reiche der Wahrheit sind. Sollen wir ihren Despotismus noch länger dulden? jene unwürdige Herrschaft nicht brechen, welche „der Philosoph über den Zusammenhang der Dinge durch Namen und die Willkür selbige zu münzen,“ sich anmaßt? (II, 191.) Das Eine wenigstens werden wir begriffen haben, daß es „ein großes Wagspiel ist, Körper durch Schatten und Sachen durch Wörter anzuzeigen." (IV, 61.)

„Und weiter laßt uns nicht mit Worten spielen!" (IV, 62.) „Unsere Philosophen reden wie Alchymisten von Schäzen der Fruchtbarkeit, wiewol nach ihren Aeckern und Weinbergen zu urteilen, sollte man schwören, daß sie nicht Unkraut von Weizen, Trauben von Dornen, noch Feigen von Disteln zu unterscheiden wissen. Sie ahmen jenem Gaukler nach, welcher das Vacuum seiner Tasche für den schönen, großen, starken Geist ausgab, der, wenn es möglich wäre, selbst die Elus verführte. Die Verwirrung der Sprache, wodurch sie aber verführen und verführt werden, ist freilich eine sehr natürliche Zauberei automatischer Vernunft, der es wenig kostet, sich in einen Stern der ersten Größe zu ver klären, besonders für Schälke von gleichartiger Blindheit!" (IV, 31.)

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »