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fich einer so plumpen List bedienen, ihren Gegnern aufzubürden, als wäre von der Vernunft die Rede, die Gottes Gabe und der Charakter der Menschheit ist. So sehr diese ganze Sophisterei in die Augen fällt, so schwer ist es, das rechte Ende zu finden, um fie in ihrer Blöße darzustellen. Die Leute reden von Vernunft, als wenn sie ein wirkliches Wesen wäre, und vom lieben Gott, als wenn selbiger nichts als ein Begriff wäre. Spinoza redet von einem Objekt, causa sui, und Kant von einem Subjekt, causa sui. Ehe dieses Mißverständnis gehoben wird, ist es unmöglich, sich einander zu verstehen. Weiß man erst, was Vernunft ist, so hört aller Zwiespalt mit der Offenbarung auf." (G. S. 405.) Die reine Vernunft ist eine Abstraction ohne Leben; wirklich und lebendig ist nur die thatsächlich existirende Vernunft, welche Hamann die menschliche nennt. Der Kosmopolitismus und Jesuitismus ist ein Geschwür, das in jedem menschlichen Busen liegt, und die Berliner Schule schwaßt wie ein Kind davon, wie die Kritik der reinen Vernunft aus Unkunde der menschlichen,*) mit der man anfangen und sehr bekannt sein muß, ehe man es wagt, nach jener Perle unterzutauchen und sie zu fischen. Sonst geht es uns, wie dem Hunde in der bekannten Fabel; über den Schatten verlieren wir den Bissen, über das Ideal das Reelle, über das Epitheton der Reinigkeit die Sache selbst und ihre Substanz. Unterdessen der große Haufe seiner architectonischen Eitelkeit sich überläßt auf lockerem Sande, so wird es dem kleinen Häuflein seiner Jünger nicht an Simonen fehlen, die des Beinamens eines Felsens würdig sind, weil sie auf einen solchen ihr System und

*) Hamann stellt gern die Begriffe „guter Wille“ und „reine Vernunft“ zur gegenseitigen Erklärung neben einander. Beide existiren nicht, find Einbildungen des Dünkels; wer sie dennoch zum Fundamente seiner Anschauung macht, baut Luftschlösser. Weil man beide Begriffe für Fundamente hält, muß Hamann aus Liebe zum Leben dagegen kämpfen. „Was ist der gute Wille für ein schöner Pendant zur reinen Vernunft! Verdienen sie nicht beide einen Mühlstein am Halse? Gottes Barmherzigkeit ist die einzig selig machende Religion, hat Dangeuil zu meinem Freunde in Riga sehr gut gesagt.“ (G. S. 364.)

Gebäude gründen.“ (G. S. 422.) Der lockere Sand sind die Kunstwörter und Begriffe, die man für Dinge ausgibt, der Fels die Gegenstände, das Leben selbst. „Die Wahrheit muß aus der Erde herausgegraben werden und nicht aus der Luft geschöpft, nicht aus Kunstwörtern, sondern aus irdischen und unterirdischen Gegenständen erst ans Licht gebracht werden durch Gleichnisse und Parabeln der höchsten Ideen und trausscendenten Ahnungen, die keine directi, sondern nur reflexi radii sein können, wie du aus dem Bacon anführst. Außer dem principio cognoscendi gibt es kein besonderes principium essendi für uns.“ (G. S. 495.) „Ohne Praxis ist alle Theorie eine taube Nuß, und die aufzubeißen, habe ich meine morschen Zähne zu lieb. . . . Verstand und Erfahrung ist im Grunde einerlei." (6. S. 385.) „Wer keine Erfahrung hat oder braucht, kann sich immer mit den Schellen reiner Vernunft (d. i. dem faulen Holz scholastischer Begriffe von Substanz, Attribut, Modus u. s. w.) die Zeit vertreiben. (S. 61.) Das nennt Hamann ein Reich der Toten, das mit Ideen und Speculationen gegen Data und Facta, mit theoretischen Täuschungen gegen historische Wahrheiten, mit plausibeln Wahrscheinlichkeiten gegen. Zeugnisse und Documente ein bloßes Spiegelgefechte treibt." (S. 213.) Wenn man data hat, wozu braucht man ficta?“ (S. 273.),,Geschichte ist die beste und einzige Philosophie... Geschichte ist Anfang und Ende." (S. 298. 500.) „Philosophie ohne Geschichte sind Grillen und Wortkram. Aus Exempeln werden Regeln abgesondert, und die Probe der Regeln sind wiederum Exempel. Also Exempel hinten und vorn, oben und unten, und die Regeln in der Mitte." (VI, 223.) „Es ist nicht möglich, ohne Erfahrung flug zu werden. Natur und Kunst haben einen Gang, der sich nicht träumen läßt und a priori nicht eingesehen werden kann.“ (VI, 189.) Freilich meint er nicht den verweslichen Körper, sondern das Leben der Geschichte. In diesem Sinn sagt er: „Ohne Philosophie gibt es keine Geschichte, und die eine löst sich immer in die andere auf." (VI, 302.) Soviel ist klar: Der Ausgangs- wie der Zielpunkt des hamannschen Strebens ist das thatsächliche Leben. Tringen wir weiter. —

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Ein Glied, ein Teil ist nicht das Ganze, und ein Trieb, ein Vermögen, eine Aeußerung des Lebens nicht das Leben selbst. Das ist Thatsache. Darum ließ sich Hamann durch keine vereinzelte Kraft oder Erscheinung des Lebens befriedigen und binden; er verlangte nach Einheit und Ganzheit des menschlichen Lebens, *) und eben deßwegen mußte er der geschworene Widersacher sowol jeder willkürlichen Trennung, als willkürlichen Zusammensegung einzelner Vermögen des menschlichen Lebens sein. Mit Unwillen fragt er: „Beruht das ganze Geheimnis unserer Vernunft, ihrer Antithesen und Analogien in nichts, als einer licentia poetica, zu scheiden, was die Natur zusammengefügt, und zu paaren, was *) Schon in der ersten Periode seiner Entwicklung bezeichnet er als seine innerste Triebfeder die Thatsache: „Ich bin ein Mensch und ziehe mir alle menschlichen Zufälle wie meine eigenen zu Herzen. Homo sum, humani nihil a me alienum puto." (Beilage zu Dangeuil.) Aus seiner Lust am ganzen menschlichen Leben rührt sein Widerwille gegen ein Fachstudium, seine jugendliche Schwärmerei für die Universalwissenschaft, daher auch seine Liebe zum Beruf eines Bildners der Jugend, sein flammender Eifer, die Kinder zu ganzen und lebendigen Menschen zu erziehen, daher sein Haß gegen jede Einseitigkeit in der Bildung, wodurch ihm nicht Menschen, sondern Affen oder Zierpuppen gebildet zu werden schienen, was alles schon aus dem obigen kurzen Abriß seines innern Lebens zur Genüge hervorgeht. Aus dieser Lust am vollen ganzen Leben und der Abneigung gegen die Theorie, als eine sehr beschränkte Einseitigkeit des Lebens, erklärt sich auch die Leidenschaftlichkeit, mit welcher er sich, überredet durch seinen Freund Berens, auf das ihm fremde Gebiet des Handels warf. Er wähnte dort das volle Leben zu fassen und allseitig zu verbreiten, was ihm als Erzieher nicht gelungen war. Diese Vorausseßung ist die Sele seiner Beilage zu Dangeuil. Ich hebe nur eine charakteristische Stelle hervor: „Der Philosoph ist kein Bildhauer mehr. Der Gelehrte ist aus den spanischen Schlössern der intellektuellen Welt und aus dem Schatten der Büchersäle auf den großen Schauplag der Natur und ihrer Begebenheiten, der lebenden Kunst und ihrer Werkzeuge, der gesellschaftlichen Geschäfte und ihrer Triebfedern zurückgerufen; er ist ein aufmerksamer Zuschauer, ein Schüler, ein Vertrauter des Bauern, des Handwerkers, des Kaufmanns, und durch gemeinnügige Beobachtungen und Untersuchungen sein Gehilfe und Lehrer geworden.“

sie hat scheiden wollen, zu verstümmeln und wieder zu flicken?" (G. S. 385.) „Was Gott zusammengefügt hat, antwortet er selbst an einer andren Stelle (G. S. 496), kann keine Philosophie scheiden, ebensowenig vereinigen, was die Natur geschieden hat. Ehebruch und Sodomiterei sündigen gegen Natur und Vernunft, die Elemente philosophischer Erbsünde, tote Werke der Finsternis mit den Organis unsers innern und äußern Lebens, unsers physischen Seins = Natur, und metaphysischen Seins = Vernunft." Er sieht mit Schmerz den theoretisirenden Hang des Menschen, wodurch unversehens die lebendigen Realitäten in eine Vorstellung von ihnen aufgelöst werden, und seufzt: „Leider sind unsere Geschöpfe unbarmherzige Verstümmler der Natur. Gibt es einfache natürliche Punkte, auf die sich alles reduciren läßt, oder besteht alles aus mathematischen Linien ?" (B. VII, 417.) Die Be= hauptung, die wesenhafte Natur bestehe aus mathematischen Punkten. und Linien, die bloße Gedanken-Annahmen sind, würde das Leben nicht mehr verstümmeln als die gang und gebe Ansicht, daß das Menschenleben in den zeitgeistigen Philosophemen seinen Inhalt ausgeschüttet habe.*)

Also ein Liebhaber des einheitlichen, ungeteilten Lebens ist Hamann. „Nihil humani a me alienum puto," und zwar im tiefsten und umfassendsten Sinne, war sein Grundsatz. Nichts Menschliches halte ich für etwas mir fremdartiges;

*) Wie H. den Despotismus des Papismus und Vernunft-Systematismus gleichstellt, segt er auch die gepriesenen Ueberschußwerke, die opera supererogationis der römischen Heiligen und die Werke, deren die Philosophie sich als ihrer besten rühmt, in Parallele. Beide werden nicht von allen Christenmenschen gefordert, beide werden als besonders verdienstliche betrachtet, beide fließen aus einer von Gott nicht gewollten Verstümmelung des menschlichen Lebens, die römischen aus dem Mönchsstande, ehelosen Leben, freiwilliger Armut 2c., die philosophischen aus der Abstraction, die das Denken vom Leben losreißt. „Dergleichen opera supererogationis sind Mißbrauch und Schande der wahren Philosophie, welche den Genuß des Lebens veredeln soll, Friede und Freude befördern, nicht auf Beschneidung und Verstümmlung hinauslaufen." (. S. 240.)

alles Menschliche erstrebe ich. „Homo sum! sagt Alles." (G. S. 188.),,Homo sum das Fundament aller übrigen Verhältnisse." (B. VII, 145.) Es ist eine Thatsache, daß der Mensch nicht ein blos sinnliches Wesen ist, auch nicht ein Wesen, was neben der Sinnlichkeit noch Verstand und Vernunft hat, oder was empfindet oder zu wollen vermag, oder Triebe zur Kunst oder Wissenschaft besigt u. s. w. Alle diese Vermögen gehören zum Wesen des Menschen, aber sie erschöpfen dasselbe nicht; noch viel weniger deckt eine dieser Anlagen in ihrer Vereinzelung den Begriff Mensch. Verstand haben, denken können und Mensch sein, Künstler sein und menschenwürdig leben ist nicht dasselbe. Das Menschenleben birgt in seinem Schoße noch ganz andere Kräfte. Erst der ganze Mensch ist in Wahrheit Mensch. Wer darum wahrhaft menschlich handeln, reden, denken will, bei dem muß That, Wort, Gedanke nicht aus einer vereinzelten Kraft des menschlichen Wesens, wie etwa der Vernunft oder Phantasie, sondern aus diesem selbst entspringen, aus dem punctum saliens des Menschenlebens, aus dem innersten Quellpunkte, dem alle einzelnen Triebe und Vermögen entstammen, in welchem sie ihre lebendige Einheit haben, von dem aus sie auch genährt und beherrscht werden. Ueber dieses punctum saliens schreibt Hamann an Jakobi: „Mir kommen alle Kräfte unserer Natur vor gleich den Kriegsknechten im Evangelio, die kommen und gehen und thun nach dem Wort und Wink des Hauptmanns." (G. S. 55.) Die einzelnen Kräfte, will er sagen, haben keine Selbständigkeit; sie sind abhängig von einer herrschenden Centralkraft, der eigentlichen Gestalterin des ganzen Lebens und Charakters, wie jedes einzelnen Triebes. Diese muß gesucht, aus ihr alles Einzelne abgeleitet und mit ihr in Verbindung gesezt werden. Hier wird man sich an das Wort Göthes erinnern, dessen ganze Bedeutung diesem selbst freilich unklar geblieben sein möchte. „Das Prinzip, auf welches die sämmtlichen Aeußerungen Hamanns sich zurückführen lassen, ist dieses: Alles, was der Mensch zu leisten unternimmt, es werde nun durch That oder Wort oder sonst her vorgebracht, muß aus sämmtlichen vereinigten Kräften entspringen; alles Vereinzelte ist verwerflich."

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