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Im Gegensatz zu seiner Erziehung und seinem Berufe hat Jacobi früh in sich das Ideal schöner Menschlichkeit ausgebildet, die Rechte des Herzens und eine freie, unbefangene Auffassung der Dinge aller verschrobenen Unnatur, in sich zerfallener Rohheit entgegengestellt. Von Jugend auf gewohnt, andächtig der Stimme seines eigenen Herzens zu lauschen, hatte er selbstständig in sich eine innere Welt geschaffen. Der grelle Widerspruch des gewöhnlichen menschlichen Treibens mit den Anforderungen einer freien im Tiefsten arbeitenden" Seele, unter welchem der jugendliche Goethe so viel zu leiden hatte, war ihm längst bekannt und von ihm ebenso mit der wunderbaren Schärfe des Verstandes erforscht, als von der leidenschaftlichen Gluth seines Gemüthes erfasst und erlitten. Wie innig musste sich daher Goethe von Jacobi berührt fühlen! Eine solche ,,reine Geistesverwandtschaft" war ihm noch nie vorgekommen. Jacobi war der Erste, den Goethe in das ,,Chaos" seiner inneren Seelenzustände blicken liess.,,Sein Inneres brach mit Gewalt hervor", die tiefsten Anliegen des menschlichen Geistes und Gemüthes wurden durchgesprochen.

Während in Goethe's Erinnerung die Erlebnisse seiner Jugend wie nahe Landschaften in heller Sonnenklarheit erscheinen, war er von dieser wunderbaren Harmonie seiner Seele mit derjenigen Jacobi's so seltsam erschüttert, dass ihm die äusseren Erlebnisse jener ersten Freundschaftszeit, wie er selbst gesteht, fast vollständig aus dem Gedächtnisse entschwanden. Gesichtszüge, der eindringlich - angenehmen Rede und der würdigen und feinen Weltbildung kann mir niemals verlöschen. In seiner Erscheinung war die Vornehmheit eines Weisen und eines Staatsmannes vereinigt, wobei doch sein Gemüth einige Reizung verrieth, die auf einen weder dem Geiste, noch der Leidenschaft nach völlig beruhigten Zustand deutete, welchen er gleichwol in sich zu haben und nach aussen darzustellen nicht aufgeben konnte. Sein persönlicher Umgang aber war so anmuthig und gewinnend, dass auch entschiedene Gegner, wie Tieck und Schleiermacher, ihren früheren litterarischen Urtheilen zum Trotz, bei persönlichem Besuche in München als seine innigen Verehrer von ihm geschieden sind."

Wenn wir in grösserer Gesellschaft durch das Gespräch eines uns zum ersten Male entgegentretenden Menschen plötzlich Saiten unseres verborgenen Seelenlebens anschlagen hören und Worte von den Lippen des Andern fliessen, die wir bisher als sonst unverstandene, nur von uns anerkannte und lieb gewordene Geheimnisse in der eigenen Brust verwahrten, da entsteht zwischen uns und dem bisher fremden, nun plötzlich so innig verbundenen Menschen eine gegenseitige Erregtheit, sich ganz auszusprechen, eine solche,,Fülle des Hin- und Wiedergebens," dass, wenn wir später nach den übrigen, in der Gesellschaft anwesenden Personen und nach dem Verlaufe der äusseren Ereignisse gefragt werden, wir kaum durch peinliche Anstrengung des Gedächtnisses auf das Gefragte annähernd zu antworten vermögen.

So kommt es, dass Goethe z. B. das erste Zusammentreffen mit Jacobi nach Köln, statt nach Elberfeld verlegt, dass er jener wundersamen, pietistischen Versammlung, in welcher sich Goethe und Jacobi das erste Mal trafen, und über welche JungStilling in seiner Lebensgeschichte (Werke I, 321-326) berichtet, gar nicht erwähnt, während er dieselbe gewiss, wenn sie ihm in Erinnerung gewesen wäre, mit einigen humoristischen Meisterstrichen gezeichnet hätte. Uebrigens ist, wie schon Düntzer hervorhob, durch einen Brief Jacobi's an Dohm, 20. Juni 1818 (J. a. B. II, 487, dann ausführlich nach dem Original abgedruckt Z. II, 146 ff.), die Glaubwürdigkeit Jung's stark angegriffen worden und deshalb im Einzelnen, was wahr und nicht wahr ist, nicht mehr zu ermitteln. So fehlt auch eine eingehende Schilderung der Jacobi'schen Familie und des Aufenthaltes zu Pempelfort, während z. B. in Goethe's Selbstbiographie der Besuch bei Frau von La Roche anschaulich geschildert worden ist und auch der spätere Aufenthalt Goethe's in Pempelfort (1792) seine ausführliche Darstellung bei Goethe gefunden hat. Kaum mit Jacobi in Freundschaft verbunden, meldet Goethe dies triumphirend Jacobi's Frau, die gerade in Vaels

bei ihren Verwandten war; die beiden Freunde waren unzertrennlich, Jacobi begleitete Goethe bis Köln, Ausflüge in's Land wurden gemacht, so nach Bensberg; in Köln wurde das alte Jabach'sche Haus besucht und Goethe schildert ergreifend den tiefen Eindruck, den dieses Anschauen einer in die Gegenwart hineinragenden Vergangenheit auf ihn gemacht und in ihm alle weichen Stimmungen zum Durchbruch gebracht hat.

Jacobi war noch als Greis von diesen Jugendeindrücken tief ergriffen und schreibt an Goethe, der eben in seiner Biographie an diese Zeit gekommen war, 28. Dez. 1812 (J. u. G., S. 259) Folgendes: „Dass im dritten Theile Deines biographischen Versuches meiner in allem Guten gedacht werden soll, freut mich unendlich, sorge nur, dass ich die Erscheinung dieses dritten Theils auch noch erlebe. Ich hoffe, Du vergissest in dieser Epoche nicht des Jabach'schen Hauses, des Schlosses zu Bensberg und der Laube, in der Du über Spinoza mir so unvergesslich sprachst; des Saales in dem Gasthofe zum Geist, wo wir über das Siebengebirg den Mond heraufsteigen sahen, wo Du in der Dämmerung auf dem Tische sitzend uns die Romanze: „Es war ein Buhle frech genug" und andere hersagtest.... welche Stunden! welche Tage! suchtest Du mich noch im Dunkeln auf neue Seele. Von dem Augenblick an konnte ich Dich nicht mehr lassen." Die tiefsten Fragen der Menschheit wurden von beiden Freunden nach allen Seiten zu beantworten gesucht, schon hier verhehlten sich Beide ihre Verschiedenheiten nicht, und doch schieden sie, wie Goethe schreibt,,,in der seligen Empfindung ewiger Vereinigung.“

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Um Mitternacht Imir wurde wie eine

Am 10. August trennen sich die Freunde in Köln, am 13. ist Goethe wieder in Frankfurt, bis zum Anfang des Jahres 75 besteht nur ein brieflicher Verkehr. Sogleich am 13. Nachts und am 14. Abends schreibt Goethe, der bereits einen Brief von Jacobi vorfindet. ,,Du hast gefühlt, dass es mir Wonne war, Gegenstand Deiner Liebe zu sein," das ist das Thema des

Briefes.,,Glaub' mir, wir könnten von nun an stumm gegen einander sein, uns dann nach Zeiten wieder treffen, und uns wär's, als wären wir Hand in Hand gangen. Einig werden wir sein über das, was wir nicht durchgeredt haben." In den späteren Tagen gegenseitiger Entfremdung hat Jacobi diese Worte mit rother Tinte unterstrichen. Der nächste Brief von Goethe ist vom 21. August. Jacobi schreibt den 26. Aug., zwei Tage vor Goethe's Geburtstag, und kündigt den Anfang seines Romans an (G. u. J., S. 37). Goethe antwortet den 31. August und schickt den Clavigo. Jacobi schreibt ein begeistertes Urtheil über Clavigo an Wieland den 27. Aug. 74 (J. a. B. I, 180). Unterdessen ist Werther fertig geworden. Goethe schreibt an Sophie la Roche den 19. Sept. 74 (F. Schl. N. 153): „Donnerstag früh geht ein Exemplar Werther an Sie ab. Wenn Sie und die Ihrigen es gelesen, schicken Sie es weiter an Fritz (Jacobi), ich hab nur drei Exemplare und muss also diese zirkuliren lassen." Wol Ende September schreibt Goethe an die Fahlmer (G. a. J. F., S. 59):,,Was schreibt Fritz? Hat er Werthern? Ich mag ihm Nichts schreiben, Nichts schicken, um ihn nicht zu stören, wenn er ihn hat." 21. Okt. schreibt Jacobi an Goethe einen langen Brief über den Eindruck, den Werther auf ihn und die Seinigen gemacht hat, er ist ganz hingerissen. Ebenso schreibt er auch den 28. Okt. an Sophie la Roche (J. a. B. I, 190).

Er will möglichst bald Goethe in Frankfurt besuchen; Goethe schreibt, wol Oktober 74, an die mit Jacobi in stetem Briefwechsel stehende Johanna Fahlmer (G. a. J. F., S. 60): ,,Was hören Sie von Fritz? Wann kommt er wol? Grüssen Sie ihn herzlich!" Noch folgt ein Brief Jacobi's an Goethe den 6. Nov. „Ich existire jetzt blos in dem Gedanken, bald in Frankfurt zu sein."

Jacobi's Geschäftsreise nach Mannheim über Frankfurt fand erst Ende des Jahres statt. Er kündigte schon früher Sophie la Roche seinen Besuch an; diese scheint auch Goethe einge

laden zu haben, denn Goethe schreibt 20. Nov. an sie (F. Schl. N., S. 156):,,Empfehlen Sie mich Herrn Geheime Rath - kommen kann ich nicht auch ist's besser, Sie haben Fritz allein."

1775.

Vom Anfange Januar bis Anfang Februar war Jacobi bei Goethe in Frankfurt. Wie glücklich er sich fühlte und wie einig mit Goethe, zeigen seine Briefe an Wieland vom 27. Jan. (J. a. B. I, 191) und aus Mannheim vom 11. Febr. (ibid. 201). Ebenso schreibt Goethe an Sophie la Roche (F. Schl. N. 160): ,,Fritz, der nun bald zurückkehrt, soll Ihnen auch von mir erzählen; wir waren sehr lieb, gut und kräftig zusammen." Davon giebt auch Zeugniss Jacobi's rührendes Billet 10. März 75. Indess war Goethe's ,,Herz und Sinn so ganz wo anders hingewandt" (Goethe an Jacobi 21. März 75). Er war mitten in seiner Liebesgeschichte mit Lili. Dass dadurch auch Jacobi während seines Besuches verkürzt wurde, ist leicht zu denken. In einem Briefe an Merck 2. März 78 (Wagner b, S. 123) entschuldigt sich Jacobi, dass er Merck damals in Darmstadt nicht besucht habe, es sei ein Missverständniss seines Kutschers gewesen.,,Nach meiner Ankunft zu Frankfurt," fährt Jacobi fort, ,,erzählte ich Goethe die Begebenheit und trug ihm auf, sie Ihnen zu hinterbringen. Aber Gott weiss, ob er es gethan hat, zumal da dieser Zeitpunkt in die Lili'sche Epoche fällt."

Von jetzt an sahen sich die Freunde nicht mehr bis zum Jahre 84, sie waren also fast zehn Jahre getrennt. Goethe hat selbst öfter gestanden, dass die persönliche Gegenwart geliebter Personen in seinen Liebes- und Freundschaftsverhältnissen von grossem Einfluss sei.

Wenn wir daher in der Freundschaft Goethe's zu Jacobi in Bälde eine Erkältung und Gleichgiltigkeit eintreten sehen, so muss auch auf diesen Gesichtspunkt Rücksicht genommen werden. Gerade ein Mann von der persönlichen Bedeutung Ja

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