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Es war im Herbst 1831, ein Jahr

nach der Juliusrevolution, als ich zu Paris den Doktor Ludwig Börne wieder sah. Ich besuchte ihn im Gasthof Hôtel de Castille, und nicht wenig wunderte ich mich über die Veränderung, die sich in seinem ganzen Wesen aussprach. Das bisschen Fleisch, das ich früher an seinem Leibe bemerkt hatte, war jetzt ganz verschwunden, vielleicht ge= schmolzen von den Strahlen der Juliussonne, die ihm leider auch ins Hirn gedrungen. Aus seinen Augen leuchteten bedenkliche Funken. Er saß, oder vielmehr er wohnte in einem großen buntseidenen Schlafrock, wie eine Schildkröte in ihrer Schale, und wenn er manchmal argwöhnisch sein dünnes Köpfchen hervorbeugte, ward mir unheimlich zu Muthe. Aber das Mitleid überwog, wenn er aus dem

weiten Ärmel die arme abgemagerte Hand zum Gruße oder zum freundschaftlichen Händedruck ausstreckte. In seiner Stimme zitterte eine gewisse Kränklichkeit, und auf seinen Wangen grinsten schon die schwindsüchtig rothen Streiflichter. Das schneidende Misstrauen, das in allen seinen Zügen und Bewegungen lauerte, war vielleicht eine Folge der Schwerhörigkeit, woran er früher schon litt, die aber seitdem immer zunahm und nicht wenig dazu beitrug, mir seine Konversation zu verleiden.

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Willkommen in Paris!" rief er mir entgegen. Das ist brav! Ich bin überzeugt, die Guten, die es am besten meinen, werden Alle bald hier sein. Hier ist der. Konvent der Patrioten von ganz Europa, und zu dem großen Werke müssen sich alle Völker die Hände reichen. Sämmtliche Fürsten müssen in ihren eigenen Ländern beschäftigt werden, damit sie nicht in Gemeinschaft die Freiheit in Deutschland unterdrücken. Ach Gott! Ach Deutschland! Es wird bald sehr betrübt bei uns aussehen und sehr blutig. Revolutionen sind eine schreckliche Sache, aber sie sind nothwendig, wie Amputationen, wenn irgend ein Glied in Fäulnis gerathen. Da muss man schnell zuschneiden, und ohne ängstliches Innehalten. Jede Verzögerung bringt Gefahr, und wer aus Mitleid oder aus

Schrecken, beim Anblick des vielen Blutes, die Operation nur zur Hälfte verrichtet, Der handelt graufamer, als der schlimmste Wütherich. Hol' der Henker alle weichherzigen Chirurgen und ihre Halbheit! Marat hatte ganz Recht — il faut faire saigner le genre humain, und hätte man ihm die 300.000 Köpfe bewilligt, die er verlangte, so wären Millionen der besseren Menschen nicht zu Grunde gegangen, und die Welt wäre auf immer von dem alten Übel geheilt!“

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„Die Republik,“ — ich lasse den Mann ausreden, mit Übergehung mancher schnörkelhaften Absprünge, die Republik muss durchgesezt werden. Nur die Republik kann uns retten. Der Henker hole die sogenannten konstitutionellen Verfassungen, wovon unsere deutschen Kammerschwäher alles Heil erwarten. Konstitutionen verhalten sich zur Freiheit, wie positive Religionen zur Naturreligion; sie werden durch ihr stabiles Element eben so viel Unheil anrichten, wie jene positiven Religionen, die, für einen gewissen Geisteszustand des Volkes berechnet, im Anfang sogar diesem Geisteszustand überlegen sind, aber späterhin sehr lästig werden, wenn der Geist des Volkes die Saßung überflügelt. Die Konstitutionen entsprechen einem politischen Zustand, wo die Bevorrechteten von ihren Rechten einige abgeben,

Heine's Werke. Bd. XII.

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und die armen Menschen, die früher ganz zurückgesezt waren, plößlich jauchzen, dass sie ebenfalls Rechte erlangt haben . . . Aber diese Freude hört auf, sobald die Menschen durch ihren freieren Zustand für die Idee einer vollständigen, ganz ungeschmälerten, ganz gleichheitlichen Freiheit empfänglich geworden sind; was uns heute die herrlichste Acquisition dünkt, wird unsern Enkeln als ein kümmerliches Abfinden erscheinen, und das geringste Vorrecht, das die ehemalige Aristokratie noch be= hielt, vielleicht das Recht, ihre Röcke mit Petersilie zu schmücken, wird alsdann eben so viel Bitterkeit erregen, wie einst die härteste Leibeigenschaft, ja, eine noch tiefere Bitterkeit, da die Aristokratie mit ihrem lezten Petersilien-Vorrecht um so hochmüthiger prunken wird!... Nur die Naturreligion, nur die Republik kann uns retten. Aber die letzten Reste des alten Regiments müssen vernichtet werden, ehe wir daran denken können, das neue bessere Regiment zu begründen. Da kommen die unthätigen Schwächlinge und Quietisten und schnüffeln: wir Revolutionäre rissen Alles nieder, ohne im Stande zu sein, Etwas an die Stelle zu sehen! Und sie rühmen die Institutionen des Mittelalters, worin die Menschheit so sicher und ruhig gesessen habe. Und jezt, sagen sie, sei Alles so kahl und nüch

tern und öde und das Leben sei voll Zweifel und Gleichgültigkeit.

„Ehemals wurde ich immer wüthend über diese Lobredner des Mittelalters. Ich habe mich aber an diesen Gesang gewöhnt, und jezt ärgere ich mich nur, wenn die lieben Sänger in eine andere Tonart übergehen und beständig über unser Niederreißen jammern. Wir hätten gar nichts Anderes im Sinne, als Alles niederzureißen. Und wie dumm ist diese Anklage! Man kann ja nicht eher bauen, ehe das alte Gebäude niedergerissen ist, und der Niederreißer verdient eben so viel Lob, als der Aufbauende, ja, noch mehr, da sein Geschäft noch viel wichtiger... 3. B. in meiner Vaterstadt, auf dem Dreifaltigkeitsplate, stand eine alte Kirche, die so morsch und baufällig war, dass man fürchtete, durch ihren Einsturz würden einmal plötzlich viele Menschen getödtet oder verstümmelt werden. Man riss sie nieder, und die Niederreißer verhüteten ein gro ßes Unglück, statt dass die ehemaligen Erbauer der Kirche nur ein großes Glück beförderten . . . Und man kann eher ein großes Glück entbehren, als ein großes Unglück ertragen! Es ist wahr, viele gläubige Herrlichkeit blühte einst in den alten Mauern, und sie waren späterhin eine fromme Reliquie des Mittelalters, gar poetisch anzuschauen, des Nachts,

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