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Fenster ihre friedlichen Nester gebaut, flogen seelenruhig auf und nieder. Schwalben bedeuten Glück, behauptete meine Großmutter; sie war sehr abergläubisch.

Von der Ecke der Schnurgasse bis zur Börse mussten wir uns durchdrängen; hier fließt die goldene Ader der Stadt, hier versammelt sich der edle Handelsstand und schachert und mauschelt... Was wir nämlich in Norddeutschland Mauscheln nennen, ist nichts Anders als die eigentliche frankfurter Landessprache, und sie wird von der unbeschnittenen Population eben so vortrefflich gesprochen, wie von der beschnittenen. Börne sprach diesen Sargon sehr schlecht, obgleich er, eben so wie Goethe, den heimatlichen Dialekt nie ganz verleugnen konnte. Ich habe bemerkt, dass Frankfurter, die sich von allen Handelsinteressen entfernt hielten, am Ende jene frankfurter Aussprache, die wir, wie gesagt, in Norddeutschland Mauscheln nennen, ganz verlernten.

Eine Strecke weiter, am Ausgange der Saalgaffe, erfreuten wir uns einer viel angenehmeren Begegnung. Wir sahen nämlich einen Rudel Knaben, welche aus der Schule kamen, hübsche Jungen mit rosigen Gesichtchen, einen Pack Bücher unterm Arm.

„Weit mehr Respekt," mehr Respekt habe ich für

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rief Börne, „weit

diese Buben, als für

ihre erwachsenen Väter. Sener Kleine mit der hohen Stirn denkt vielleicht jezt an den zweiten punischen Krieg, und er ist begeistert für Hannibal, und als man ihm heute erzählte, wie der große Karthager schon als Knabe den Römern Rache schwur ich wette, da hat sein kleines Herz mitgeschworen . . . Hass und Untergang dem bösen Rom! Halte Deinen Eid, mein kleiner Waffenbruder! Ich möchte ihn küssen, den vortrefflichen Jungen! Der andere Kleine, der so pfiffig hübsch aussieht, denkt vielleicht an den Mithridates und möchte ihn einst nachahmen . . . Das ist auch gut, ganz gut, und du bist mir willkommen. Aber, Bursche, wirst du auch Gift schlucken können, wie der alte König des Pontus? Übe dich frühzeitig! Wer mit Rom Krieg führen will, muss alle möglichen Gifte vertragen können, nicht bloß plumpen Arsenik, sondern auch einschläferndes phantastisches Opium, und gar das schleichende Aquatoffana der Verleumdung! Wie gefällt Ihnen der Knabe, der so lange Beine hat und ein so unzufrieden aufgestülptes Näschen? Den jückt es vielleicht, ein Catilina zu werden, er hat auch lange Finger, und er wird einmal den Ciceros unserer Republik, den gepuderten Vätern des Vaterlandes, eine Gelegenheit geben, sich mit langen, schlechten Reden zu

blamieren. Der dort, der arme kränkliche Bub', möchte gewiss weit lieber die Rolle des Brutus spielen... Armer Junge, du wirst keinen Cäsar finden, und musst dich begnügen, einige alte Pe= rücken mit Worten zu erstechen, und wirst dich endlich nicht in dein Schwert, sondern in die Schelling'sche Philosophie stürzen und verrückt werden! Ich habe Respekt für diese Kleinen, die sich den ganzen Tag für die hochherzigsten Geschichten der Menschheit interessieren, während ihre Väter nur für das Steigen oder Fallen der Staatspapiere Interesse fühlen und an Kaffebohnen und Kochenille und Manufakturwaaren denken! Ich hätte nicht übel Lust, dem kleinen Brutus dort eine Düte mit Zuckerkringeln zu kaufen . . . Nein, ich will ihm lieber Branntewein zu trinken geben, damit er klein bleibe... Nur so lange wir klein sind, sind wir ganz uneigennüßig, ganz heldenmüthig, ganz heroisch ... Mit dem wachsenden Leib schrumpft die Seele immer mehr ein . . . Ich fühle es an mir selber . . Ach, ich bin ein großer Mann gewesen, als ich noch ein kleiner Junge war!"

Als wir über den Römerberg kamen, wollte Börne mich in die alte Kaiserburg hinaufführen, um dort die goldene Bulle zu betrachten.

Heine's Werke. Bd. XII.

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„Ich habe sie noch nie gesehen,“ seufzte er, „und seit meiner Kindheit hegte ich immer eine geheime Sehnsucht nach dieser goldnen Bulle. Als Knabe machte ich mir die wunderlichste Vorstellung davon, und ich hielt sie für eine Kuh mit goldnen Hörnern; später bildete ich mir ein, es sei ein Kalb, und erst als ich ein großer Junge ward, erfuhr ich die Wahrheit, dass sie nämlich nur eine alte Haut sei, ein nichtsnüßig Stück Pergament, worauf geschrieben steht, wie Kaiser und Reich sich einander wechselseitig verkauften. Nein, lasst uns diesen miserabelen Kontrakt, wodurch Deutschland zu Grunde ging, nicht betrachten; ich will sterben, ohne die goldne Bulle gesehen zu haben."

Ich übergehe hier ebenfalls die bitteren Nachbemerkungen. Es gab ein Thema, das man nur zu berühren brauchte, um die wildesten und schmerzlichsten Gedanken, die in Börne's Seele lauerten, hervorzurufen; dieses Thema war Deutschland und der politische Zustand des deutschen Volkes. Börne war Patriot vom Wirbel bis zur Zehe, und das Vaterland war seine ganze Liebe.

Als wir denselben Abend wieder durch die Judengasse gingen und das Gespräch über die Insassen derselben wieder anknüpften, sprudelte die

Quelle des Börne'schen Geistes um so heiterer, da auch jene Straße, die am Tage einen düsteren Anblick gewährte, jezt aufs fröhlichste illuminiert war, und die Kinder Ifrael an jenem Abend, wie mir mein Cicerone erklärte, ihr lustiges Lampenfest feierten. Dieses ist einst gestiftet worden zum ewigen Andenken an den Sieg, den die Makkabäer über den König von Syrien so heldenmüthig erfochten haben.

„Sehen Sie," sagte Börne, „Das ist der 18. Oktober der Juden, nur dass dieser makkabäische 18. Oktober mehr als zwei Sahrtausende alt ist und noch immer gefeiert wird, statt dass der Leipziger 18. Oktober noch nicht das fünfzehnte Jahr erreicht hat und bereits in Vergessenheit gerathen. Die Deutschen sollten bei der alten Madame Rothschild in die Schule gehen, um Patriotismus zu lernen. Sehen Sie, hier in diesem kleinen Hause wohnt die alte Frau, die Lätitia, die so viele Finanz-Bonaparten geboren hat, die große Mutter aller Anleihen, die aber trotz der Weltherrschaft ihrer königlichen. Söhne noch immer ihr kleines Stammschlösschen in der Judengasse nicht verlassen will, und heute wegen des großen Freudenfestes ihre Fenster mit weißen Vorhängen geziert hat. Wie vergnügt funkeln die Lämpchen, die sie mit eigenen Händen anzündete, um jenen Siegestag zu feiern, wo Judas Makka

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