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Artikel ist am Ende ganz ausgegangen. Einst führte mich mein Vater ins Lesekabinett einer der A oder

Logen, wo er oft soupierte, Kaffe trank, Karten spielte und sonstige Freimaurer-Arbeiten verrichtete. Während ich im Zeitungslesen vertieft lag, flüsterte mir ein junger Mensch, der neben mir saß, leise ins Ohr:

„Das ist der Doktor Börne, welcher gegen die Komödianten schreibt!"

Als ich aufblickte, sah ich einen Mann, der, nach einem Journale suchend, mehrmals im Zimmer sich hin- und herbewegte und bald wieder zur Thür hinausging. So kurz auch sein Verweilen, so blieb mir doch das ganze Wesen des Mannes im Gedächtnisse, und noch heute könnte ich ihn mit diplomatischer Treue abkonterfeien. Er trug einen schwarzen Leibrock, der noch ganz neu glänzte, und blendend weiße Wäsche; aber er trug Dergleichen nicht wie ein Stußer, sondern mit einer wohlhabenden Nachlässigkeit, wo nicht gar mit einer verdrießlichen Indifferenz, die hinlänglich bekundete, dass er sich mit dem Knoten der weißen Kravatte nicht lange vor dem Spiegel beschäftigt, und dass er den Rock gleich angezogen, sobald ihn der Schneider gebracht, ohne lange zu prüfen, ob er zu eng oder zu weit.

Er schien weder groß noch klein von Ge

stalt, weder mager noch dick, sein Gesicht war weder roth noch blass, sondern von einer angerötheten Blässe oder verblassten Röthe, und was sich darin zunächst aussprach, war eine gewisse ableh= nende Vornehmheit, ein gewisses Dedain, wie man es bei Menschen findet, die sich besser als ihre Stellung fühlen, aber an der Leute Anerkenntnis zweifeln. Es war nicht jene geheime Majestät, die man auf dem Antlig eines Königs oder eines Genies, die sich inkognito unter der Menge verborgen halten, entdecken kann; es war vielmehr jener revolutionäre, mehr oder minder titanenhafte Missmuth, den man auf den Gesichtern der Prätendenten jeder Art bemerkt. Sein Auftreten, seine Bewegung, sein Gang hatten etwas Sicheres, Bestimmtes, Charaktervolles. Sind außerordentliche Menschen heimlich umflossen von dem Ausstrahlen ihres Geistes ? Ahnet unser Gemüth dergleichen Glorie, die wir mit den Augen des Leibes nicht sehen können? Das moralische Gewitter in einem solchen außerordentlichen Menschen wirkt vielleicht elektrisch auf junge, noch nicht abgestumpfte Gemüther, die ihm nahen, wie das materielle Gewitter auf Katzen wirkt. Ein Funken aus dem Auge des Mannes berührte mich, ich weiß nicht wie, aber ich vergaß

nicht diese Berührung und vergaß nie den Doktor Börne, welcher gegen die Komödianten schrieb.

Ja, er war damals Theaterkritiker und übte sich an den Helden der Bretterwelt. Wie mein Universitätsfreund Dieffenbach, als wir in Bonn studierten, überall, wo er einen Hund oder eine Katze erwischte, ihnen gleich die Schwänze abschnitt, aus purer Schneidelust, was wir ihm damals, als die armen Bestien gar entseßlich heulten, so sehr verargten, später aber ihm gern verziehen, da ihn diese Schneidelust zu dem größten Operateur Deutschlands machte, so hat sich auch Börne zuerst an Komödianten versucht, und manchen jugendlichen Übermuth, den er damals beging an den Heigeln, Weidnern, Ursprüngen und dergleichen unschuldigen Thieren, die seitdem ohne Schwänze herumlaufen, muss man ihm zu Gute halten für die besseren Dienste, die er später als großer politischer Operateur mit seiner gewetzten Kritik zu leisten verstand.

Es war Varnhagen von Ense, welcher etwa zehn Jahre nach dem erwähnten Begegnisse den Namen Börne wieder in meiner Erinnerung heraufrief, und mir Aufsätze dieses Mannes, namentlich in der Wage" und in den Zeitschwingen," zu lesen gab. Der Ton, womit er mir diese Lektüre empfahl, war bedeutsam dringend, und das

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Lächeln, welches um die Lippen der anwesenden Rahel schwebte, jenes wohlbekannte, räthselhaft wehmüthige, vernunftvoll mystische Lächeln, gab der Empfehlung ein noch größeres Gewicht. Rahel schien nicht bloß auf literarischem Wege über Börne unterrichtet zu sein, und, wie ich mich erinnere, versicherte sie bei dieser Gelegenheit, es existierten Briefe, die Börne einst an eine geliebte Person gerichtet habe, und worin sein leidenschaftlicher hoher Geist sich noch glänzender als in seinen gedruckten Aufsäten ausspräche *). Auch über seinen Stil äußerte sich Rahel, und zwar mit Worten, die Seder, der mit ihrer Sprache nicht vertraut ist, sehr missverstehen möchte; sie sagte: „Börne kann nicht schreiben, eben so wenig wie ich oder Sean Paul." Unter Schreiben verstand sie nämlich die ruhige Anordnung, so zu sagen die Redaktion der Gedanken, die logische Zusammensetzung der Redetheile, kurz jene Kunst des Periodenbaues, den sie sowohl bei Goethe, wie bei ihrem Gemahl so enthusiastisch bewunderte, und worüber wir damals fast täglich die frucht

*) Die erwähnte Korrespondenz jungen Börne an Henriette Herz"

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hagen's Nachlass (Leipzig, F. A. Brockhaus, 1861) veröffent

licht worden.

Der Herausgeber.

barsten Debatten führten. Die heutige Prosa, was ich hier beiläufig bemerken will, ist nicht ohne viel Versuch, Berathung, Widerspruch und Mühe ge= schaffen worden. Rahel liebte vielleicht Börne um so mehr, da sie ebenfalls zu jenen Autoren gehörte, die, wenn sie gut schreiben sollen, sich immer in einer leidenschaftlichen Anregung, in einem gewissen Geistesrausch befinden müssen, -Bacchanten des Gedankens, die dem Gotte mit heiliger Trunkenheit nachtaumeln. Aber bei ihrer Vorliebe für wahlverwandte Naturen hegte sie dennoch die größte Bewunderung für jene besonnenen Bildner des Wortes, die all ihr Denken, Fühlen und Anschauen, abgelöst von der gebärenden Seele, wie einen gegebenen Stoff zu handhaben und gleichsam plastisch darzustellen wissen. Ungleich jener großen Frau, hegte Börne den engsten Widerwillen gegen der= gleichen Darstellungsart; in seiner subjektiven Befangenheit begriff er nicht die objektive Freiheit, die Goethe'sche Weise, und die künstlerische Form hielt er für Gemüthlosigkeit; er glich dem Kinde, welches, ohne den glühenden Sinn einer griechischen Statue zu ahnen, nur die marmornen Formen betastet und über Kälte klagt.

Indem ich hier antecipierend von dem Widerwillen rede, welchen die Goethe'sche Darstellungs

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