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halten geheime Zwiegespräche. Ja, ich will die Politik und die Philosophie an den Nagel hängen und mich wieder der Naturbetrachtung und der Kunst hingeben. Ist doch all dieses Quälen und Abmühen nuglos, und obgleich ich mich marterte für das allgemeine Heil, so wird doch dieses wenig dadurch gefördert. Die Welt bleibt nicht im starren Stillstand, aber im erfolglosesten Kreislauf. Einst, als ich noch jung und unerfahren, glaubte ich, dass, wenn auch im Befreiungskampfe der Menschheit der einzelne Kämpfer zu Grunde geht, dennoch die große Sache am Ende siege . . . Und ich erquickte mich an jenen schönen Versen Byron's:

„Die Wellen kommen eine nach der andern herangeschwommen, und eine nach der andern zerbrechen sie und zerstieben sie auf dem Strande, aber das Meer selber schreitet vorwärts - -"

Ach! wenn man dieser Naturerscheinung länger zuschaut, so bemerkt man, dass das vorwärtsgeschrittene Meer nach einem gewissen Zeitlauf sich wieder in sein voriges Bett zurückzieht, später aufs Neue daraus hervortritt, mit derselben Heftigkeit das verlassene Terrain wieder zu gewinnen sucht, endlich kleinmüthig wie vorher die Flucht ergreift, und, dieses Spiel beständig wiederholend, dennoch niemals weiter kommt . . . Auch die Menschheit

Heine's Werke. Bd. XII.

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bewegt sich nach den Gesetzen von Ebbe und Fluth, und vielleicht auch auf die Geisterwelt übt der Mond seine siderischen Einflüsse.

Es ist heute junges Licht, und trotz aller wehmüthigen Zweifelsucht, womit sich meine Seele hin und her quält, beschleichen mich wunderliche Ahnungen . . . Es geschieht jezt etwas Außerordentliches in der Welt... Die See riecht nach Kuchen, und die Wolkenmönche sahen vorige Nacht so traurig aus, so betrübt . . .

Ich wandelte einsam am Strand in der Abenddämmerung. Ringsum herrschte feierliche Stille. Der hochgewölbte Himmel glich der Kuppel einer gothischen Kirche. Wie unzählige Lampen, hingen darin die Sterne; aber sie brannten düster und zitternd. Wie eine Wasserorgel, rauschten die Meereswellen; stürmische Choräle, schmerzlich verzweiflungsvoll, jedoch mitunter auch triumphierend. Über mir ein luftiger Zug von weißen Wolkenbildern, die wie Mönche aussahen, alle gebeugten Hauptes und kummervollen Blickes dahinziehend, eine traurige Procession... Es sah fast aus, als ob sie einer Leiche folgten . . . Wer wird begraben? Wer ist gestorben? sprach ich zu mir selber. Ist der große Pan todt?

Helgoland, den 6. August.

Während sein Heer mit den Longobarden kämpfte, saß der König der Heruler ruhig in sei= nem Zelte und spielte Schach. Er bedrohte mit dem Tode Denjenigen, der ihm eine Niederlage melden würde. Der Späher, der, auf einem Baume sizend, dem Kampfe zuschaute, rief immer: „Wir siegen! wir siegen!" — bis er endlich laut auffeufzte: „Unglücklicher König! Unglückliches Volk der Heruler!" Da merkte der König, dass die Schlacht verloren, aber zu spät! Denn die Longobarden drangen zu gleicher Zeit in sein Zelt und erstachen ihn ..

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Eben diese Geschichte las ich in Paul Warnefried, als das dicke Zeitungspacket mit den warmen, glühend heißen Neuigkeiten vom festen Lande ankam. Es waren Sonnenstrahlen, eingewickelt in Druckpapier, und sie entflammten meine Seele bis zum wildesten Brand. Mir war, als könnte ich den ganzen Ocean bis zum Nordpol anzünden mit den Gluthen der Begeisterung und der tollen Freude, die in mir loderten. Seht weiß ich auch, warum die ganze See nach Kuchen roch. Der Seine-Fluss hatte die gute Nachricht unmittelbar ins Meer verbreitet, und in ihren Krystallpallästen haben die schönen Wasserfrauen, die von jeher allem Heldenthum hold,

gleich einen Thé-dansant gegeben, zur Feier der großen Begebenheiten, und desßhalb roch das ganze Meer nach Kuchen. Ich lief wie wahnsinnig im Hause herum, und küsste zuerst die dicke Wirthin, und dann ihren freundlichen Seewolf, auch umarmte ich den preußischen Justizkommissarius, um dessen Lippen freilich das frostige Lächeln des Unglaubens nicht ganz verschwand. Sogar den Holländer drückte ich an mein Herz . . . Aber dieses indifferente Fettgesicht blieb kühl und ruhig, und ich glaube, wär' ihm die Juliussonne in Person um den Hals gefallen, Mynheer würde nur in einen gelinden Schweiß, aber keineswegs in Flammen gerathen sein. Diese Nüchternheit inmitten einer allgemeinen Begeisterung ist empörend. Wie die Spartaner ihre Kinder vor der Trunkenheit bewahrten, indem sie ihnen als warnendes Beispiel einen berauschten Heloten zeigten, so sollten wir in unseren Erziehungsanstalten einen Holländer füttern, dessen sympathielose, gehäbige Fischnatur den Kindern einen Abscheu vor der Nüchternheit einflößen möge. Wahrlich, diese holländische Nüchternheit ist ein weit fataleres Laster, als die Besoffenheit eines Heloten. Ich möchte Mynheer prügeln

Aber nein, keine Excesse! Die Pariser haben uns ein so brillantes Beispiel von Schonung ge=

geben. Wahrlich, ihr verdient es, frei zu sein, ihr Franzosen, denn ihr tragt die Freiheit im Herzen. Dadurch unterscheidet ihr euch von euren armen Vätern, welche sich aus jahrtausendlicher Knechtschaft erhoben, und bei allen ihren Heldenthaten auch jene wahnsinnige Greuel ausübten, worüber der Genius der Menschheit sein Antlig verhüllte. Die Hände des Volks find diesmal nur blutig geworden im Schlachtgewühle gerechter Gegenwehr, nicht nach dem Kampf. Das Volk verband selbst die Wunden seiner Feinde, und als die That abgethan war, ging es wieder ruhig an seine Tagesbeschäftigung, ohne für die große Arbeit auch nur ein Trinkgeld verlangt zu haben!

„Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, Vor dem freien Menschen erzittert nicht!"

Du siehst wie berauscht ich bin, wie außer mir, wie allgemein ... ich citiere Schiller's banalsten Vers *).

*) „ich citiere Schiller's Glocke.“ hieß es in der früheren deutschen Ausgabe. Auch waren die Verse unrichtig mitgetheilt:

„Den Sklaven, wenn er die Kette bricht,

Den freien Mann, den fürchte nicht!“

Heine hat Beides in der französischen Ausgabe berichtigt.

Der Herausgeber.

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