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Und den alten Knaben, dessen unverbesserliche Thorheit so viel Bürgerblut gekostet, haben die Pariser mit rührender Schonung behandelt. Er saß wirklich beim Schachspiel, wie der König der Heruler, als die Sieger in sein Zelt stürzten. Mit zitternder Hand unterzeichnete er die Abdankung. Er hat die Wahrheit nicht hören wollen. Er behielt ein offnes Ohr nur für die Lüge der Höflinge. Diese riefen immer: „Wir siegen! wir siegen!“ Unbegreiflich war diese Zuversicht des königlichen Thoren . . . Verwundert blickte er auf, als das „Journal des Debats," wie einst der Wächter während der Longobardenschlacht, plößlich ausrief: „Malheureux roi! malheureuse France!"

Mit ihm, mit Karl X., hat endlich das Reich Karl's des Großen ein Ende, wie das Reich des Romulus sich endigte mit Romulus Augustulus. Wie einst ein neues Rom, so beginnt jetzt ein neues Frankreich.

Es ist mir Alles noch wie ein Traum; besonders der Name Lafayette klingt mir wie eine Sage aus der frühesten Kindheit. Sigt er wirklich jezt wieder zu Pferde, kommandierend die Nationalgarde? Ich fürchte fast, es sei nicht wahr, denn es ist gedruckt. Ich will selbst nach Paris gehen, um mich mit leiblichen Augen davon zu überzeugen.

Es muss prächtig aussehen, wenn er dort durch die Straßen reitet, der Bürger beider Welten, der göttergleiche Greis, die silbernen Locken herabwallend über die heilige Schulter . . . Er grüßt mit den alten lieben Augen die Enkel jener Väter, die einst mit ihm kämpften für Freiheit und Gleichheit ... Es sind jetzt sechzig Jahr', dass er aus Amerika zurückgekehrt mit der Erklärung der Menschheitsrechte, den zehn Geboten des neuen Weltglaubens, die ihm dort offenbart wurden unter Kanonendonner und Blizz ... Dabei weht wieder auf den Thürmen von Paris die dreifarbige Fahne, und es klingt die Marseillaise!

Lafayette, die dreifarbige Fahne, die Marseillaise . . . Ich bin wie berauscht. Kühne Hoffnungen steigen leidenschaftlich empor, wie Bäume mit goldenen Früchten und wilden, wachsenden Zweigen, die ihr Laubwerk weit ausstrecken bis in die Wolken. . . Die Wolken aber im raschen Fluge entwurzeln diese Riesenbäume und jagen damit von dannen. Der Himmel hängt voller Violinen, und auch ich rieche es jetzt, die See duftet nach frischgebackenen Kuchen. Das ist ein beständiges Geigen da droben in himmelblauer Freudigkeit, und Das klingt aus den smaragdenen Wellen wie heiteres Mädchengekicher. Unter der Erde aber kracht es

und klopft es, der Boden öffnet sich, die alten Götter strecken daraus ihre Köpfe hervor, und mit hastiger Verwunderung fragen sie: „Was bedeutet der Jubel, der bis ins Mark der Erde drang? Was giebt's Neues? Dürfen wir wieder hinauf ?“ Nein, ihr bleibt unten im Nebelheim, wo bald ein neuer Todesgenosse zu euch hinabsteigt . . „Wie heißt er?" Ihr kennt ihn gut, ihn, der euch einst hinabsticß in das Reich der ewigen Nacht... Pan ist todt!

Helgoland, den 10. August.

Lafayette, die dreifarbige Fahne, die Marseillaise . . .

Fort ist meine Sehnsucht nach Ruhe. Ich weiß jezt wieder, was ich will, was ich soll, was ich muss... Ich bin der Sohn der Revolution und greife wieder zu den gefeiten Waffen, worüber meine Mutter ihren Zaubersegen ausgesprochen . . . Blumen! Blumen! 3ch will mein Haupt bekränzen zum Todeskampf. Und auch die Leier, reicht mir die Leier, damit ich ein Schlachtlied singe . . . Worte

gleich flammenden Sternen, die aus der Höhe herabschießen und die Palläste verbrennen und die Hüt= ten erleuchten ... Worte gleich blanken Wurfspeeren, die bis in den siebenten Himmel hinaufschwirren und die frommen Heuchler treffen, die sich dort eingeschlichen ins Allerheiligste . . . Ich bin ganz Freude und Gesang, ganz Schwert und Flamme!

Vielleicht auch ganz toll... Von jenen wilden, in Druckpapier gewickelten Sonnenstrahlen ist mir einer ins Gehirn geflogen, und alle meine Gedanken brennen lichterloh. Vergebens tauche ich den Kopf in die See. Kein Wasser löscht dieses griechische Feuer. Aber es geht den Anderen nicht viel besser. Auch die übrigen Badegäste traf der Pariser Sonnenstich, zumal die Berliner, die dieses Jahr in großer Anzahl hier befindlich und von einer Insel zur andern kreuzen, so dass man sagen konnte, die ganze Nordsee sei überschwemmt von Berlinern. Sogar die armen Helgolander jubeln vor Freude, obgleich sie die Ereignisse nur instinktmäßig begreifen. Der Fischer, welcher mich gestern nach der kleinen Sandinsel, wo man badet, überfuhr, lachte mich an mit den Worten: „Die armen Leute haben gesiegt! Ja, mit seinem Instinkt begreift das Volk die Ereignisse vielleicht besser, als wir mit allen unseren Hilfskenntnissen. So erzählte mir einst Frau von Barn

hagen *), als man den Ausgang der Schlacht bei Leipzig noch nicht wusste, sei plötzlich die Magd ins Zimmer gestürzt mit dem Angstschrei: „Der Adel hat gewonnen."

Diesmal haben die armen Leute den Sieg erfochten. Aber es hilft ihnen Nichts, wenn sie nicht auch das Erbrecht besiegen!" Diese Worte sprach der ostpreußische Justizrath in einem Tone, der mir sehr auffiel. Ich weiß nicht, warum diese Worte, die ich nicht begreife, mir so beängstigend im Gedächtnis bleiben. Was will er damit sagen, der trockene Kauz?

Diesen Morgen ist wieder ein Packet Zeitungen angekommen. Ich verschlinge sie wie Manna. Ein Kind, wie ich bin, beschäftigen mich die rührenden Einzelheiten noch weit mehr, als das bedeutungsvolle Ganze. O, könnte ich nur den Hund Medor sehen! Dieser interessiert mich weit mehr, als die Anderen, die dem Philipp von Orleans mit schnellen Sprüngen die Krone apportiert haben. Hund Medor apportierte seinem Herrn Flinte und Patrontasche, und als sein Herr fiel und sammt seinen Mithelden auf dem Hofe des Louvre be

Der

*) „Herr von Varuhagen" steht in der französischen Ausgabe. Der Herausgeber.

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