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Die Aufnahme, welche die Entlassung Stöckers in der Presse gefunden hat, war eine sehr verschiedene nach der Parteistellung. Daß die Juden und Judengenossen“, wie die Deutsche evangelische Kirchenzeitung sich ausdrückt, den Sturz des ihnen so verhaßten Mannes bejubelt haben, versteht sich von selbst. Das Stöcker'sche Organ spricht von einem „Geheul der Freude", welches dieselben nicht hätten unterdrücken können, und fügt mit eigenthümlich berührender Wendung hinzu: „Ja, unsere israelitischen Mitbürger sind noch immer dieselben wie zu der Zeit, da sie dem Messias in das Angesicht spieen und ohne Ermüdung kreuzige! kreuzige! riefen." Aber abgesehen von der Gegnerschaft, welche Stöcker durch seine antisemitische Agitation sich zugezogen hat, spiegeln die Bemerkungen der Berliner Presse die ganze Zerfahrenheit insbesondere des Berliner Protestantismus wieder. Während die Blätter der orthodoxen Richtung, namentlich Kreuzzeitung, Reichsbote und Volk, Weherufe ausstoßen und einen vollständigen kirchenpolitischen Systemwechsel in Aussicht stellen, behandeln die kirchlich-mittelparteilichen Organe, wie Norddeutsche Allgemeine, Deutsches Tageblatt und Post, die Entlassung Stöckers als eine ziemlich gleichgiltige Sache, das Gerede von seinem bisherigen großen Einfluß als jeder Begründung ermangelnd, und gibt die protestantenvereinliche Richtung, welche in den Organen des Freisinns und des linken Flügels der Nationalliberalen zu Worte kommt, ihrer Genugthuung über die Beseitigung des Hofpredigers in den lebhaftesten, für den Entlassenen be= leidigendsten Wendungen Ausdruck. So liest man beispielsweise in der jüngsten Nummer des Neuen Evangelischen Ge= meindeboten (Wochenblatt für die Gemeinde und ihre Vertreter): „Unzweifelhaft wird es als eine große Wohlthat empfunden werden, daß die christlich-sociale und antisemitische Agitation in Zukunft nicht mehr unter der Aegide eines kaiserlichen Hofpredigers betrieben werden wird.“ Und weiter: „Auch hier ist das Geschehene eben nur die Ernte von dem, was gesät worden ist. Die Presse Stöckers spricht jetzt von einer tiefen Tragik seines Geschicks; wir stimmen dem zu, wenn wir die Tragik auch anderswo sehen als jene. Das ist die Tragik seines

Geschickes, daß er sich eine große Aufgabe gestellt hatte, zu deren Lösung wohl seine äußere Begabung, aber nicht sein sittlicher Charakter ausreichte. Daran geht er zu Grunde. Man kann sich thatsächlich keinen widerlicheren Gegensaß denken, als den großen socialen und religiösen Reformator, der er sein wollte, in lächerlichem Gezänke vor Gericht mit seinem Collegen Witte zu sehen.“ Ueber einen Sieg der (kirchlich) liberalen Sache zu triumphiren, der mit der Entlassung Stöckers errungen sei, dazu sei, meint das vorgenannte Blatt, gar kein Grund vorhanden. So billig seien derartige Siege nicht zu haben. „So lange wir nicht lebendige Gemeinden haben, deren christliche Kraft Erscheinungen wie Stöcker unmöglich macht, so lange können wir von Siegen nicht reden."

Was bedeutet nun die Entlassung Stöckers kirchenpolitisch? Ob das herausfordernde und verleßende Auftreten des Hofpredigers gegenüber den Katholiken daran irgend einen Antheil hat, ist sehr zweifelhaft. Jedenfalls haben die Katholiken nicht den mindesten Grund, dem Gefallenen eine Thräne nachzuweinen. Eine seiner ersten Thaten, nachdem er sich von dem Schlage, der ihn getroffen, ein wenig erholt hatte, war ein neuer gehässiger Ausfall gegen die katholische Kirche. Aber was besagt die Entlassung nach der evangelisch-kirchlichen Seite? Darüber sind in Wirklichkeit zur Zeit nur noch Vermuthungen zulässig und wird man, um mit Stöcker selbst zu reden, „die kommenden Dinge abzuwarten haben." Die Kreuzzeitung erklärt, jeßt müsse erst recht für größere Selbständigfeit der Kirche eingetreten werden.

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Der Reichsbote" wirft in seiner Mißstimmung die Frage auf, ob nicht die Conservativen in eine Oppositionsstellung einzurücken hätten. Die conservative Partei wird im Verein mit der liberalen Partei und dem Centrum in der Regel en bagatelle behandelt. Wie geachtet sind jezt die ultramontanen Politiker!" Das hätten sie ihrer Oppositionsstellung im Culturkampf zu danken. Da habe das Geheimraththum Respekt vor ihnen bekommen. Am schärfsten äußerte sich das „Volk", an= knüpfend an eine Bemerkung der Saale-Zeitung: „Seit Herr Miquel im Schlosse verkehrt, scheint dort wenigstens vorläufig

ein ganz anderer Geist eingezogen zu sein,“ sagt das Blatt in Uebereinstimmung mit den deutsch-socialen Blättern: „Wir beklagen Stöckers Verabschiedung unter dem Gesichtspunkte, daß ihm dadurch eine unverdiente Kränkung zu Theil wird und daß große Kreise der Treuen im Lande Muth und Freudigkeit verlieren werden, an dem Werke der Social-Reform weiter mitzuarbeiten. Anderseits aber begrüßen wir, wie die Verhält= nisse einmal liegen, Stöckers Ausscheiden aus dem Amte als eine Befreiung von Rücksichten, die ihn bisher an voller Entfaltung seiner Kräfte hinderten. Wir werden ihm in dem großen Kampfe der Zeit nach wie vor treue Waffenbrüderschaft bewahren." Daß Stöcker selbst dazu entschlossen ist, wird man wohl annehmen dürfen. Ob aber seine Gefolgschaft durch seine Verdrängung vom Hofe nicht zusammenschmelzen wird? Die Stellung der conservativen Fraktion des Abgeordnetenhauses bei der Wiedereinbringung der Anträge v. Hammerstein-Kleist= Rezow muß darüber Auskunft geben. Bis jezt ist die Stellungnahme des Trägers des landesherrlichen Summepiscopates noch immer von entscheidender Bedeutung gewesen. Sollte es, nachdem die Hochkirchlichen soweit sich vorgewagt haben, dieses Mal anders sein?

LXVIII.

Eine Geschichte des Allgäus.
(Schluß.)

Der zweite Hauptabschnitt des Bandes beschäftigt sich mit „Land und Leuten"; dem Umfange nach dem ersten nachstehend, dürfte er ihn an Interesse, wenigstens für den weiteren Leserkreis, vielleicht überragen Zunächst ist darin von den Ständen" gehandelt (S. 483-659).

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Zu den Fürsten des Reiches" zählten in jenen Jahrhunderten im Allgäu: die Aebte von Kempten und Ottenbeuren, ersterer zugleich „Erzkaplan der Kaiserin", die Bischöfe von Constanz und Augsburg, deren Sprengel bezw. Herrschaftsgebiet sich ja auf das Allgäu ausdehnten; ähnlich die Herzoge von Bayern und Desterreich, deren Besitzungen in diese Landschaft eingriffen. Daran reihten sich die Magna ten", auch jezt aus Grafen und Freiherren bestehend; nach 1268 gab es freilich im ganzen Allgäu kein altheimisches Grafengeschlecht mehr; es zählen hieher die Herzoge von Teck, als Herren der Burg und Herrschaft Liebenthann und von Theinselberg, zwar ächte Sproffen des zähringischen Fürstenhauses, aber stets nur als Magnaten betrachtet, im 14. Jahrhundert hatten sie bereits alle ihre angestammten Güter verloren; sodann die Grafen von Marstetten aus dem Hause Neifen, die von Montfort, die Erben der altberühmten und mächtigen Bregenzer, durch endlose Erbtheilungen sich mehr und mehr schwächend: daher die Grafen von Werdenberg, der ältere von den zwei Stämmen der Montforts, die jüngere Linie, Montforts in engerem Sinne,

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theilte sich auch in drei Linien, davon auch die Grafen von Montfort-Rotenfels, von denen Hugs Nachkommen bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts blühten und außer Rotenfels auch Wasserburg und Langenargen am Bodensee besaßen; eine Tochter des Grafen Hug wurde als Gemahlin des Sohnes des ge= feierten Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, des Grafen Ludwig von Löwenstein, die Stammmutter des fürstlichen Hauses Löwen= stein. Von den freiherrlichen Geschlechtern bestanden in das spätere Mittelalter herein nur noch die von Rettenberg, Trauchburg, Hohenegg, Tannenberg und Neidegg, und auch von diesen behauptete nur Rettenberg den vollfreien Stand bis ans Ende; die anderen sanken durch unebenbürtige Ehen zum „niederen Adel" herab. Den Magnaten ebenbürtig waren die Truchsessen von Waldburg, die auch in Baden und Württem= berg Ableger hatten; dies Geschlecht war bereits vor 1268 im Besiz der Herrschaft Isny, allerdings nur zuerst durch Lehensgabe der Nellenburger, und ist seit jenen alten Jahrhunderten bis auf den heutigen Tag ununterbrochen im Allgäu ansässig und begütert geblieben; die Geschichte dieses hochbedeutsamen Geschlechts hat in den lezten Jahren Dr. Vochezer in sehr eingehender und sachkundiger Weise behandelt. Hieher gehören endlich auch die Reichsmarschälle von Pappenheim, welche wenigstens thatsächlich Würde und Rang über dem niederen Adel einnahmen. Marschall Wilhelm (um 1470) nahm ruhmreichen Antheil an allen Kämpfen des Reiches und des schwäbischen Bundes, er starb 1508 zu Trient auf dem Römerzuge Maximilians.

Daneben steht der niedere Adel, der sich hauptsächlich aus den Nachkommen der alten „Dienstmannen“ (Ministerialen) zusammenseßte, jener sehr zahlreichen „Klasse von Leuten, welche in der herzoglichen Zeit Unfreiheit, im Sinne des mittelalterlichen Rechts, mit ritterlichem Leben und Range vereinigten"; mit dem Ende des 14. Jahrhunderts änderte sich dies alte Verhältniß mehr und mehr in der Richtung voller Freiheit der Ministerialen, bald durch gütliches Uebereinkommen, da und dort aber auch als Resultat langwieriger Streitigkeiten und Fehden. Die Zahl der alten Dienstmannenfamilien war im

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