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darauf an, sich resolut an die Stelle dieser nichtsocialistischen Forderungen zu sehen. Zu diesem Zwecke will Herr Brentano, daß der Arbeiter nicht mehr als „Rebell" angesehen werden und sich selber als Rebell fühlen müsse, wenn er Schritte zur Erlangung besserer Arbeitsbedingungen thue und daher verlangt er, gegenüber den Organisationen der Arbeitgeber, daß man den Gewerkschaften, die sich statutarisch verpflichten, ihre Arbeitsdifferenzen, bevor sie zu einer Arbeitseinstellung oder Aussperrung schreiten, einer Schieds- und Einigungsfammer zu unterbreiten, Corporationsrechte in Aussicht stelle“. Ferner befürwortet er, daß die Gesetzgebung erkläre, daß, wo solche Corporationen von Arbeitgebern und Arbeitern bestehen, der Arbeitsvertrag nicht bloß zwischen dem einzelnen Arbeitgeber und Arbeiter, sondern auch zwischen diesen Corporationen, mit bindender Kraft für ihre Mitglieder, vereinbart werden könne, unter der Bedingung, daß diese Corporationen für die Erfüllung der eingegangenen Bedingungen von Seiten ihrer Mitglieder haften.“ 1)

Kurz vorher hat der greise Cardinal Manning in London, der in dem großen Dockarbeiter-Streik zu London eine so wohlthätige Wirksamkeit entfaltet hat, in einem Schreiben an den katholischen Socialcongreß zu Lüttich eine ähnliche Veranstaltung behufs Festsetzung eines öffentlich anerkannten Maßstabes für das Verhältniß zwischen Unternehmergewinn und Arbeitslohn vorgeschlagen. Und zwar so, daß diese Verträge einer all drei oder fünf Jahre regelmäßig wiederkehrenden Revision unterzogen werden. Das Verhältniß sollte freiwillig zwischen Unternehmern und Arbeitern hergestellt, die Gesetzgebung so wenig als möglich in Anspruch genommen werden, und nur dann eintreten, wenn das freiwillige Handeln sonst keinen Erfolg habe. Zur Begründung führte der Cardinal an: „Ein Jahrhundert lang haben die Capitalisten ihren übermäßigen Gewinn ver

1) Münchener „Allgemeine Zeitung“ vom 24. Oktober 1890,

borgen und zugleich die Arbeit zum niedrigsten Preise gekauft. Die Arbeitseinstellung der Kohlenbergleute im vorigen Jahre war veranlaßt durch die Thatsache, daß der Gewinn der Capitalisten um 80 Procent zugenommen hatte, während die Löhne der Arbeiter kaum um 30 Procent erhöht worden waren. Ich könnte viele ähnliche Fälle anführen.“ 1)

„Hiezu wird es“, fügt der Cardinal bei, „am Ende doch kommen, je später aber, um so schlimmer." Selbst für die ungleich gereifteren Verhältnisse in England sieht er einen sehr mühseligen Weg und vielleicht ernste Gefahren voraus, denn die Arbeiterschaft organisirt sich, und die Mehrzahl der Capitalisten ist blind." Und nun erst die in den deutschen Verhältnissen liegenden Schwierigkeiten! Aber ein Anfang soll und muß doch gemacht werden; wer schwimmen will, muß in's Wasser gehen. Es fehlt auch gewiß nicht an Einsichtigen, die erkennen, daß ein Zusammenschluß der wirthschaftlichen Interessenkreise zu einer Art socialer Stände der stärkste Damm gegen die Socialdemokratie wäre; denn nicht eine neue ständische Organisation will dieselbe, sondern den vollendeten Urbrei.

Selbst in dem findigen Kopf des neuen Finanzministers zu Berlin ist die Erinnerung an das „alte Zunstwesen“ aufgetaucht, aus dem öffentlich rechtliche Körperschaften sich hätten entwickeln lassen, wenn der Liberalismus derlei hätte brauchen können. Um so mehr hat sich das dortige conservative Hauptorgan mit dem Andringen Brentano's befreundet.2) Es bemerkt mit Recht: man sollte nicht immer bloß die Lohnfrage als den Springpunkt hinstellen, denn sobald die Anfänge einer Organisation da wären, würde ein noch höherer Gewinn, die Standesehre, als gleichwerthiger, wenn nicht vorherrschender Faktor hinzutreten. „Der Weg

1) S. die Erläuterungen des Cardinals zu seinem mehrfach mißdeuteten Schreiben in der „Augsburger Postzeitung" v. 7. Oktober und dem Wiener „Vaterland“ v. 26. Nov. 1890. 2) Berliner „Kreuzzeitung" vom 17. Septbr. 1890,

hiezu ist abermals, daß man den Arbeitern die Selbsts regierung in eigenen Angelegenheiten, wie bei den Innungen des Mittelalters, und die Selbstdisciplin über Ihresgleichen anvertraut. Hiemit wird auch der alten Irrlehre wirksam entgegengetreten, als ob menschliche Arbeitskraft Waare sei. Man sollte nachgerade dahin kommen, den Arbeitsvertrag als einen Vertrag zu charakterisiren, durch welchen ein Unternehmer die Produktion eines Güterquantums einer Arbeitercorporation unter gewissen Bedingungen in Entreprise gibt." Aber da hört eben bei uns die Gemüthlichkeit auf; der Gedanke einer Stellung auf gleichem Fuß mit den Arbeitern ist den liberalen Herren der Industrie Gift und Galle. Es genügt, einen einzigen Ausbruch ihres Moniteurs genauer zu betrachten:

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„Wer die Stimmung der führenden Kreise der Nation gegenüber den unreifen Arbeiter - Organisationsge= danken verworrener Theoretiker und unpraktischer Projektenmacher begreifen will, wer die Kraft und Entschlossenheit des Widerstands abmessen will, welchen jene Kreise allen naiven Experimenten entgegenseßen würden, der muß bedenken, daß die Intelligenz, welche in einem wichtigen Theile unseres Staatswesens politisch vergewaltigt ist, nicht die geringste Lust hat, sich auch noch wirthschaftlich vergewaltigen zu lassen. Man wird dann auch die Bitterkeit und den strafenden Ernst verstehen, mit welchem diese Kreise das kindische Spiel betrachten, welches unverantwortliche Phantasten und Volksbeglücker auf wirthschaftlichem Gebiete mit dem ver hängnißvoll vieldeutigen Schlagwort Gleichberechtigung der Arbeiter' treiben. Was soll uns ein unklares Schlagwort, welches in den Massen, in die es von popularitätssüchtigen Strebern geworfen wird, nur Hoffnungen erwecken fönnte, die sich ohne Bedrohung der bestehenden Eigenthumsund Gesellschaftsordnung nicht erfüllen können? Das Spielen mit solchen feuergefährlichen Sachen kennzeichnet sich als grober Unfug.“1)

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1) Aus der Kölnischen Zeitung" in der Berliner „Germania" vom 15. Oktober 1890.

Wer sich erinnert, daß die kaiserlichen Erlasse vom 4. Februar selber für die Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern“ geseßliche Bestimmungen in Aussicht nahmen über die Formen, in denen die Arbeiter durch Vertreter an der Regelung gemeinsamer Angelegenheiten und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Verhandlungen mit den Arbeitgebern und mit den Organen einer Regierung befähigt werden" sollten: der wird über die Adresse solcher Ausfälle nicht im Zweifel seyn können. Die Frage ist nun, ob sie wohl schon ihre Wirkung gethan haben? Allerdings kann die Industrie jetzt auch einwenden, daß ihr durch das augenblicklich noch in der Schwergeburt befindliche ArbeiterschußGesez neben der Ungeheuerlichkeit des dritten Bismarck'schen Versicherungsgesetzes zu viel zugemuthet werde. Aber die Schuld des Centrums in seiner heutigen Zusammenseßung ist dieß nicht. Es kann ruhig auf dem ursprünglichen Standpunkt verharren, und wenn die zwei neuen Socialgesehe wirksam werden sollen, dann muß Etwas geschehen zur gesezlichen Regelung der Coalitionsfreiheit und zur Sicherung des Arbeiterstandes auf dem Wege organisirter Selbsthülfe. Darum hat das Centrum in der Commission den Antrag gestellt: „die Regierung zu ersuchen, dem Reichstag thunlichst bald einen Gesezentwurf betreffend die gefeßliche Anerkennung beruflicher Organisationen der Arbeiter unter Festsetzung von Normativbestimmungen vorzulegen."

Bis jetzt ist nichts geschehen, was die Socialdemokratie nicht hätte lächelnd über sich ergehen lassen können. Soll ihr im neuen Jahre nicht auch das Sprichwort zu Gute kommen: wer zulezt lacht, lacht am Besten, dann müßte mit jenen kaiserlichen Erlassen vollster Ernst gemacht werden. Denn darüber darf man sich nicht täuschen, gefährlicher ist die Socialdemokratie in keinem Lande der Welt, und nirgends hat sie es so weit gebracht, wie auf diesem eigenthümlich unterwühlten deutschen Boden.

LXXV.

Eine deutsche Culturgeschichte.1)

Durch eine Anzeige in einer katholischen Zeitung wurde Schreiber dieser Zeilen auf diese heuer erschienene Culturgeschichte aufmerksam und beschäftigte sich mit deren Lektüre in seinem Ferienaufenthalt. Eine warme Begeisterung für unser deutsches Vaterland, eine im Allgemeinen wohlwollende Auffassung des Christenthums und nicht unbillige Würdigung der katholischen Kirche als Faktoren der Culturgeschichte, dazu eine fließende Darstellung erklären die Empfehlung, welche das neue Buch in unseren Kreisen gefunden hat, befriedigen jedoch das Bedürfniß, das man bei uns nach einer vom katholischen Standpunkt aus für Gebildete geschriebenen Culturgeschichte empfindet, um so weniger, als dem Buche nicht unerhebliche Mängel anhaften.

Der geringste derselben ist das Fehlen einer Inhaltsanzeige, einer orientirenden Ueberschrift über den Seiten, einer Hervorhebung neuer Materien durch den Druck -- Dinge, welche schon die erste Lektüre, noch mehr die Benüßung und das Nachschlagen des Buches erheblich schädigen. Schwerwiegender ist, daß dem Verfasser, wie manchem Darsteller der Culturgeschichte, nicht gelungen ist, die politische Geschichte nur als Hintergrund für den Gang der Cultur zu behandeln; daß er ihr vielmehr in mehreren Partien einen viel zu breiten, in's Detail eingehenden und ermüdenden Raum anweist (z. B. 26-36, 91-163, 230-238, 258-293). Der Verfasser fühlt selber, daß er hierin das richtige Maß nicht getroffen hat, und sucht sich zu entschuldigen, wenn er die Züge der Völkerwanderung so eingehend darstellt. Aber es wird Niemand, der

1) 1000 Jahre deutscher Culturgeschichte in populärer Darstellung von Friedrich Nonnemann." Berlin, R. Eckstein Nachfolger. 342 S. (5 M.)

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