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LXXVI.

Lessing und Schopenhauer.

Ueber diese beiden Männer verbreiten sich die neuesten Schriften von Seb. Brunner. 1) Wie alles, was aus der Feder Brunners stammt, sind auch diese Schriften voll Humor und interessanten Einzelheiten. Freilich fehlt die systematische Ordnung und die ruhige Objektivität. Das Buch über Lessing zerfällt in zwei Theile: Lessingiasis und Nathanologie, aber in beiden Theilen ist z. B. an verschiedenen Orten von der bibliothekarischen Thätigkeit Lessings die Rede (S. 84, 238, 22). Indeß ein Humorist wie Brunner hat es von vornherein nicht auf eine streng methodische Behandlung abgesehen. Wie ein rother Faden zieht sich durch das ganze Buch der Gedanke hindurch, daß Lessing finanziell von den Juden abhängig und ihnen zum Gefallen den „edlen“ Juden Nathan gezeichnet habe, daß hinwieder der Ruhm und Cultus Lessings nur auf jüdischer Reclame beruhe. Nach neueren Veröffentlichungen, die uns mitgetheilt werden, war Lessing viel tiefer christus- und religionsfeindlich, als man auf Grund seiner gesammelten Werke annehmen muß.

Lessing hatte eine gute Erziehung genossen, aber der Umgang mit Schauspielern und Juden verdarb in ihm vollends, was schon eine ungeregelte frühzeitige Lektüre erschüttert hatte, frommen Glauben und gute Sitten. Schon im Vaterhaus hatte er eine ganze Bibliothek durchgelesen und alles verschlungen, was ihm an Büchern in die Hände kam, und dieses Lesefieber wurde die Quelle des Verderbens. Auf der Universität fehlte die regelnde Zucht und der autoritative Halt und so fehlte nicht blos dem Studium, sondern auch der früh begonnenen literarischen Arbeit Princip und Ordnung.

1) Lessingiasis und Nathanologie von Sebastian Brunner. Paderborn, Schöningh 1891. Kniffologie und Pfiffologie des Welt= weisen Schopenhauer von Seb. Brunner. Paderborn 1889.

Man verherrlicht Lessing gerne als den echt nationalen deutschen Dichter und Kritiker, er habe seine Landsleute zuerst von der Nachahmung der Franzosen abgemahnt und auf die englische Dichtung, vornehmlich Shakespeare als näherliegende und angemessenere Vorbilder hingewiesen. Allein hier verkennt man, welch großen Einfluß die französische Literatur auf Lessings Schreib- und Denkart geübt hat. In Lessings Polemik glaubt man oft mehr einen Voltaire, Diderot oder einen Bayle zu hören, als einen Deutschen; dieselbe Wortgewandtheit, bissige Schärfe, freilich auch Klarheit und Durchsichtigkeit ist bei ihm bemerklich. Insoferne Lessing der deutschen Sprache mehr Klarheit und Schärfe lehrte, hat er allerdings ein Verdienst um sie, ein Verdienst jedoch, das ihm ein Gellert, Abbt, besonders aber der noch mehr französelnde Wieland streitig machen kann. Ziemlich fremd blieb ihm der mittelhochdeutsche Schrift- und Sprachschaß und nur aus der nachreformatorischen Literatur hat er einige Wendungen herübergenommen. Auf die englische Dichtung hingewiesen zu haben, kann nur der zum besonderen Ruhm Lessings rechnen, der vergißt, daß schon die Schweizer ihre Nachahmung empfahlen, zugleich auf die mittelhochdeutschen Sprachdenkmäler aufmersam machten, und daß Klopstock den Ossian nachbildete. Mag er auch principiell dem deutschen Empfinden. und Fühlen den Vorzug gegeben haben, die verstandesmäßige Richtung seines Geistes näherte ihn doch mehr der französischen Art. Daß ihn wirklich seine Verstandesschärfe gegen die lebhafte Gefühlssprache ungerecht machte, die sich freilich gerne in Pleonasmen ergeht, zeigt die Art, wie er nicht blos die gesammte Durchführung der Messiade Klopstocks tadelt, sondern auch Einzelausführungen unbarmherzig zerzaust, die auf den vorurtheilslosen Leser den ergreifendsten Eindruck machen.

Man rühmt ferner an Lessing, er habe den deutschen Büchermarkt durch seine unerbittliche Kritik von vielem Schunde gereinigt und den Geschmack des Volkes geläutert, allein weder das eine noch das andere ist wahr und ist auch im Allgemeinen gar nicht möglich. Wenn er mit Recht manche mittelmäßige Leistung offenherzig als solche bezeichnet und manches gepriesene. Werk von seiner Höhe herabreißt, so geht er doch oft zu weit, seine kritische Klinge ist zu scharf und wird daher schartig. Es

würde wenig Gutes übrig bleiben, wollte man alle Uebersetzungen, wie die des Pastor Lange, alle Dramen, wie die Merope Voltaires, die Rodogune Corneilles u. s. w. kritisiren. Das Recht zu solcher Kritik soll freilich nicht bestritten werden, allein das Urtheil Leffings räumt zu radikal auf, so daß man glauben önnte, es sei kein guter Faden an den besprochenen Werken. So ergeht es einem Pastor Göze, Kloß und anderen Gegnern Lessings, und doch waren es meistens ganz respektable Schrift= steller. Man sieht es seinen Kritiken an, daß die Lust zu glänzen und der Ehrgeiz, seine Ueberlegenheit zu zeigen, das Wissen auszukramen und den Wiz funkeln zu lassen, Lessing oft viel weiter führt, als der objektiven Wahrheit zuträglich wäre.

Ueberhaupt sollte man seine Gegner nicht gar zu sehr verkleinern, und die Literarhistoriker thun nicht gut, selbst wenn man sich auf ihren Standpunkt stellt, den Gegenstand Lessingscher Polemik gar zu gering zu taxiren. Hier gilt, was Ottokar Lorenz neulich mit Bezug auf die Gothaischen Geschichtsschreiber äußerte man ehrt den Schüßen nicht dadurch, daß man den Gegner wie bei einem Friedensmanöver als bemaltes Brett markirt, und den kleindeutschen Staatsmann nicht, wenn man ihn gegen Marionettenfiguren Kämpfe führen läßt. Auch leidet darunter die unzweifelhafte Wahrheit, daß eine Anschauung oder eine Leistung, welche viel Verbreitung und Anklang findet, nie so schlecht sein kann, daß sie nicht auch manches Gute enthielte, und andererseits, daß auch kein Menschenwerk durchaus vollkommen, fehlerlos und unantastbar ist. So fand auch Lessing seine Meister. Hermann Grimm hat seine Lehre von der Fabel und dem Epigramm und H. Loße seine neue Theorie über die Grenzen zwischen Malerei und Bildhauerkunst mit Erfolg an= griffen. Sein religiöser Rationalismus wurde selbst innerhalb der protestantischen Kirche überwunden und auch ein Schleiermacher und Strauß konnte nicht mit ihm einig sein. Vollends die Dramen Lessings forderten manche Kritik heraus. Darunter ist wieder das gepriesene Stück Nathan der Weise dasjenige, welches mit Recht am meisten Anfechtung erfuhr. Nicht blos die Anlage des Stückes, sondern auch seine Charaktere find durchaus verfehlt. In jener Hinsicht gleicht es mehr einem platonischen Dialog als einem Drama, das in erster Linie

„Handlung“ sein soll, und in leßter Hinsicht sind seine Charaktere unwahr und vollends so unhistorisch, daß uns die Geschichte zum Räthsel werden müßte, wenn sie wahr wären. Der Muhamedaner ist hier aufgeklärt, noch mehr der Jude, nur der Christ ist befangen, schwach, unklar und verfolgungssüchtig. Warum hat dann aber nicht das Judenthum und nicht der Muhamedanismus sich Europa unterworfen, und warum ist die Welt nicht bälder rationalistisch geworden, etwa weil sie erst auf Lessing und seine Genossen warten mußte? Warum ist der Nationalismus religiös so unfruchtbar, das Verderben der Religion und das Ende alles Glaubens, wenn er allein die Stellung des Menschen zu Gott versteht und in jeder der drei historischen Hauptreligionen ein Stück Wahrheit verchrt? Wenn er so genau weiß, was Gott und Gottes würdig ist, müßte er auch den vollkommensten Gottesdienst, die vollkommenste Dogmatik und Moral erfinden.

Wenn man Lessing als Apostel der Toleranz und Ver= nunftreligion preist, kann wan damit nur jenen imponiren, welche nicht wissen, daß alle diese Dinge viel älter sind als Lessing, daß z. B. Locke und Voltaire die Toleranz mit bestechenden Gründen schon lange zuvor verkündet hatten.

So sehen wir, daß Lessing lange nicht jene Originalität zukommt, die man ihm beimißt. Gleiches gilt auch von Schopenhauer, der jenem darin gleicht, daß ihn sein kritischer Geist mit Vorliebe bei den Schwächen und Fehlern der Gegenstände seiner Forschung verweilen läßt. Seine Kritik ist zwar nicht so kalt, scharf und gemüthsleer, aber auf der andern Seite ist sie noch viel radikaler und umfassender als die Lessings. Schopenhauer zieht nicht blos die Werke des Geistes, sondern auch der Natur, die Bildung des Weltalls und des Ge= sellschaftsorganismus vor den angemaßten Richterstuhl seiner selbstbewußten Vernunft. Er schildert die Leiden der Menschheit mit Gefühl und will ihnen einen rettenden Ausweg zeigen, freilich einen Ausweg, der an die berüchtigten Kuren des Doktor Eisenbarth erinnert.

Wie sich die modernen Philosophen die Sache leicht machen! Fichte hatte erklärt, man brauche sich seiner Freiheit blos bewußt zu sein, die Welt vernünftig zu durchdringen und den Stoff, Hiftor. polit. Blätter CVI,

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,,das todte Material der Pflicht" geistig zu überwinden, und die Welt müsse vernünftig werden, die Gerechtigkeit und sittliche Weltordnung müsse herrschen und der Einzelne frei und selbstherrlich sein. Dieser Proceß ging nun so rasch, daß schon Hegel das Wirkliche für vernünftig und das Vernünftige für wirklich erklären konnte. Alles war in diesem Pantheismus vernünftig, gut und schön. Das waren Philosophen der Bejahung, nun kam aber Schopenhauer mit einer ebenso gründlichen Verneinung Weit davon entfernt, rief er der Welt zu, daß alles vernünftig, gut und schön ist, nein, gerade das Gegen= theil, alles ist schlecht und elend! Eine Besserung ist nicht zu hoffen, daher weg mit der Menschheit, weg mit der Welt! Aber wie soll das möglich sein, da weder Wille noch That des Menschen an dem Weltbestande etwas ändern kann? Ei freilich, sagt Schopenhauer, habt ihr bei meinen Vorgängern, bei Fichte u. a. nicht gesehen, wie der Mensch souverän ist, wie er eigentlich blos zu wissen braucht, um nach diesem Wissen alles zu gestalten? Wären die Menschen darin einig, daß das Nichts besser ist als das Sein, so würde ebendamit das Nichts wiederkehren und alles verschwinden, was der thörichte blinde Weltwille verschuldet hat.

Wir sehen, Schopenhauer steht ganz auf dem Boden der Idealisten. Kant und zwar der idealistische tant ist sein Lehrmeister. Was ihm dieser bot, ergänzte der indische Idealismus oder vielmehr Jllusionismus, und so bildete er nach seines Herzens Bedürfnissen aus verschiedenen Elementen ein zwar scheinbar geschlossenes System, wo aber überall Widersprüche flaffen und die leichte Naht seiner Verbindung zu zerbrechen drohen. Der Hauptwiderspruch bleibt der, daß er an Stelle des alten Dualismus „Natur und Geist" den subjektiv psychologischen zwischen Intellekt und Wille seßte. Diese zwei Weltmächte sollen von einander unabhängig und doch stets auf einander angewiesen sein, fie laufen neben einander und kreuzen sich unzähligemal in ihrer Bahn und zuleßt vernichtet der Intellekt den Weltwillen, der man weiß nicht wie eines Tages aus dem Nichts von selbst hereinfiel und dies Weltphänomen erzeugte. Der Pantheismus und dies ist auch das Schopenhauer'sche System troß seiner diabolischen Verdrehung und Verbannung alles Göttlichen mag sich wenden oder drehen, der Widerspruch zwischen der Geistes- und Stoffwelt, zwischen der idealen und realen Seite des Kosmos bleibt bestehen und schaut hinter allen Vertleisterungen wieder hervor. Aus diesem Grundwiderspruch quellen aber eine Reihe anderer hervor, welche Haym besonders scharfsinnig dargelegt hat, wie uns auch Brunner mittheilt.

Während seines Lebens wurde Schopenhauer wenig be

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