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Achtes Kapitel.

Die Toten in der Spätzeit.

Wie sich das sinkende Ägyptertum in der Religion an das alte Herkommen klammerte, als läge in dessen Beobachtung das alleinige Heil, so hat es sich auch in dem. Totenwesen bestrebt, alles nachzuahmen und zu erhalten, was nur irgend ein früheres Jahrhundert zum Heile der Verstorbenen erdacht hatte. Alle Klassen der Totenliteratur, die je existiert haben, werden jetzt hervorgesucht und dem Toten beigegeben, auf Papyrus oder in den endlosen Inschriften der Särge und Gräber. Die Pyramidentexte (S. 87), die seit dem alten Reiche fast vergessen waren, treten wieder auf; die Totenbuchtexte werden zu einem Kodex vereinigt, der eine Papyrusrolle von fast zwanzig Meter Länge erfordert; die Bücher von der Fahrt der Sonne werden mit all ihren Bildern auf den großen Steinsärgen angebracht. Und zu dieser alten Literatur treten nun noch andere kleinere Bücher, die auch alle alt sein wollen, wenn auch gewiß manche sehr junge Fabrikate dabei sind. Da sind die Klagen der Isis und Nephthys um ihren Bruder Osiris, aus denen wir oben ein Stück mitgeteilt haben (S. 35); da ist das Buch vom Atmen, das besonders in Theben beliebt war; da ist die Klage um den Sokaris, das Ritual der Balsamierung, das Buch von der Besiegung des Apophis und so manches andere. Viel kann man freilich von der alten Literatur nicht verstanden haben, denn ihre Texte waren meist schon bis zur Sinnlosigkeit entstellt; doch gerade dies ließ sie um so geheimnisvoller erscheinen und das Geheimnisvolle, Unverständliche gilt dieser Epoche schon als das Kennzeichen des Heiligen und Ehrwürdigen.

Die Königsgräber der Spätzeit sind für uns verloren, aber schon die Gräber der reichen Privatleute zeigen uns zur Genüge, wie diese Epoche ihre Pflichten gegen die Toten auffasste: sie übertreffen an Großartigkeit alle Gräber der früheren Perioden. Keines der thebanischen Königsgräber kann sich an gewaltiger Ausdehnung mit dem Grabe eines Petamenope messen, der zur saitischen Zeit in Theben

lebte und sich nach alter Weise einen obersten Cherheb nannte. Zuerst durchschreitet man wie bei einem Tempel zwei Vorhöfe mit großen Torgebäuden, danach zwei Säle, die von Pfeilern getragen werden und schon im Felsen liegen und dann kommt man in eine doppelte Flucht von Gängen, Sälen und Kammern. Am Ende der einen trifft man auf eine Felsenmasse von 15 m Länge und 10 m Breite, die wie ein ungeheurer Sarg gestaltet ist. Sie bezeichnet die Stelle, unter der der Tote ruht; um zu diesem selbst zu gelangen, muß man in einem der früheren Säle in einen Schacht hinabsteigen, unten drei Räume durchschreiten und dann noch einmal sich in einen Schacht hinablassen. Der führt dann in einen Saal und hinter diesem liegt die große Halle, in der einst der Sarg gestanden hat.

Ebenso seltsam ausgeklügelt sind die Gräber, die diese Zeit uns in Gize und Sakkara hinterlassen hat. Ihre Oberbauten sind heute verschwunden, aber die Hauptsache ist erhalten, der weite tiefe Schacht, auf dessen Grund wie ein selbständiges Gebäude sich die Sargkammer erhebt. Gewiß stecken in der Anlage dieser Gräber tiefe Geheimnisse; jene mögen Abbilder der Unterwelt sein und diese mögen das Osirisgrab im Schachte von Roseta darstellen.

Auch die Dekoration dieser Gräber ist natürlich religiöser Natur und der Totenliteratur entnommen. Daneben treten aber in manchen Gräbern auch Bilderreihen weltlichen Inhalts auf, die wir mit Freude begrüßen, da uns ja diese späte Zeit sonst keinerlei Darstellungen hinterlassen hat, die uns ihr Leben und Treiben vorführten. Aber diese Freude ist von kurzer Dauer, denn die schönen Bilder des Schlachtens der Opferstiere oder des Darbringens des Geflügels sind samt ihren Beischriften kopiert aus irgend einem Grabe des alten Reichs und für die merkwürdigen Bilder der Handwerker im Grabe des Aba zu Theben können wir sogar noch die alte Quelle nachweisen, aus der der späte Künstler geschöpft hat. Er hat sie aus einem Grabe Mittelägyptens kopiert, das sich ein Mann des gleichen Namens Aba in der sechsten Dynastie angelegt hatte vermutlich glaubte der späte Aba in diesem alten Namensvetter einen Vorfahren entdeckt zu haben und ließ deshalb dessen Grab in dem seinen kopieren. Es ist die Altertümelei der Epoche, die diese Bilder geschaffen hat, dieselbe Tendenz, die ihre Kunst und ihre Religion beherrscht.

Der Pracht der saitischen Gräber entspricht auch die ihrer Särge; bei Vornehmen müssen sie jetzt aus dunklem Granit oder aus schwarzem Basalt sein und oft sind sie wahre Wunder von technischer Vollendung. Die einen

haben die Mumienform, wie sie seit dem neuen Reiche üblich ist und die anderen ahmen kastenförmige Särge der älteren Epochen nach, alle allerdings mit einem charakteristischen Unterschiede. Während auf jenen alten Steinsärgen nicht viel zu lesen steht, halten es ihre späten Nachahmer für nötig, ganze Bücher der Totenliteratur mit ihren Bildern darauf zu schreiben. Daß das den vornehmen Eindruck dieser kostbaren Stücke schädigt, wird auch ihren Augen nicht entgangen sein, aber es war doch gar zu wichtig, daß der Tote diese heiligen Texte auf unvergänglichem Materiale bei sich hatte. Wie groß das Bedürfnis nach solchen Steinsärgen war, zeigt sich darin, daß man

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115. Später Sarg mit Pfosten. (Berlin 8497.)

sie auch für Leute zu beschaffen wußte, die sie eigentlich nicht bezahlen konnten. Für sie raubte man aus irgend einem Grabe der Vorzeit einen alten Sarg, arbeitete seine Inschriften ab und setzte dafür diejenigen hin, die die neue Zeit verlangte. Ein Sarg unserer Sammlung zeigt, daß man auch beschädigte Stücke dabei benutzte und daß man kein Gewicht darauf legte, wenn der Deckel eigentlich nicht zu dem Unterteil gehörte.

Auch wer seinen äußeren Sarg nicht aus Stein herstellen kann, gestaltet ihn in dieser späteren Zeit gern als Kasten, und zwar in der eigentümlichen Form, die einst der Sarg des Osiris gehabt haben sollte: ein Kasten mit vier Eckpfosten, die sich bis über den gewölbten Deckel erheben. Auf diese Pfosten setzt man vier altertümlich gestaltete Falken und auf den Deckel setzt man einen Schakal, dessen Schwanz über den Sarg herabhängen muß; diese bunten Holzfiguren stellen die Götter dar, die den Osirissarg geschützt haben. Zu Häupten und zu Füßen des

Sarges stehen Figuren von Isis und Nephthys, die den toten Gatten beklagen; auch Anubis steht dabei und hält das Zeichen des Osiris oder wischt sich weinend seine

Schakalsaugen.

Im inneren Sarge auf der Mumie liegen Figuren eines fliegenden Käfers, der vier Horussöhne (S. 128), der Himmelsgöttin und all die kleinen Amulette, die jemals in Ägypten ausgedacht sind.

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116. Falke von einem Sarg. (Berlin 4687.) Je mehr der Tote

von diesen Dingen

an sich hat, desto besser ist es für ihn, und doch stellt man sie jetzt als heilige Dinge auf das zierlichste und kostbarste her. Unter den Kopf der Mumie legt man eine runde Scheibe aus Leinen, die mit seltsamen Figuren bemalt wird; die sichert dem Toten wohl den Anblick der Sonne. Zwischen den Bei

nen der Mumie liegt zuweilen eine Osirisfigur aus Schlamm; sie ist mit Getreidekörnern gefüllt, deren Keimen auf das Wiederaufleben des Gottes hindeuten soll. Weiter gibt man dem Toten zwei Finger aus schwarzem Stein bei und

117. Schakal von einem Sarg.
(Berlin 1081.)

ein großes Bild eines rechten Auges aus Wachs oder Blech und Wachsfiguren eines Reihers oder Ibis und was dieser Dinge mehr sind. Da es aber dem Toten begegnen könnte, daß er nicht genug von diesen Kostbarkeiten bei sich hätte, so nehmen vorsichtige Leute steinerne Formen mit ins Grab, damit sie sich im Notfall mehr davon anfertigen können. Die Eingeweide setzt man in einem Kasten bei oder lieber noch, wie schon im neuen Reiche, in vier Steinkrügen, deren Deckel die Köpfe der vier Horussöhne tragen und die überdies unter den Schutz von Isis, Nephthys, Neith und Selkis gestellt werden.

Auch von dem übrigen Apparat des Grabes ist nichts vergessen oder vielmehr, er hat sich noch vermehrt. So

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118. Kopftafel. In der Mitte Amon Re von Affen angebetet
unten Hathor als Kuh u. a. (Berlin 7792.)

enthalten manche Gräber jetzt eine Leiter,
die es vielleicht der Seele erleichtern soll,
den Schacht ihres Grabes zu verlassen, falls
sie nicht gar im Anschluß an die uralten
Texte von der Himmelsleiter (S. 98) zur Er-
klimmung des Firmamentes bestimmt ist. In
anderen trifft man hölzerne Standarten mit
den Figuren der Göttertiere an, wie man sie
in den Prozessionen voranträgt, um den Weg
zu bereiten. 1) Die Papyrus, die man dem
Toten beigibt, legt man jetzt in das Fußbrett
einer hölzernen Osirisfigur und den Deckel,
der diese Höhlung verschließt, gestaltet man
zum Sarge des Gottes. So ist das Buch ge-
bettet, wie es seiner Heiligkeit entspricht, im
Sarge des Totengottes selbst.

1) Mar. Denderah, I, 9; IV, 16.

119. Finger aus Stein.

(Berlin 3417.)

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