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Frau, sie schlug die Augen nieder, und sah dann wieder freundlich empor nach ihrem Manne, der singend fortfuhr im Vorlesen der wunderbaren Geschichte, wie Rabbi Jesua, Rabbi Elieser, Rabbi Asaria, Rabbi Akiba und Rabbi Tarphen in Bona-Brak angelehnt saßen und sich die ganze Nacht vom Auszuge der Kinder Israel aus Ägypten unterhielten, bis ihre Schüler kamen und ihnen zuriefen, es sei Tag und in der Synagoge verlese man schon das große Morgengebet.

Derweilen nun die schöne Sara andächtig zuhörte und ihren Mann beständig ansah, bemerkte fie, wie plötzlich sein Antlig in grausiger Verzerrung erstarrte, das Blut aus seinen Wangen und Lippen verschwand, und seine Augen wie Eiszapfen hervorgloßten; -aber fast im selben Augenblick sah sie, wie seine Züge wieder die vorige Ruhe und Heiterkeit annahmen, wie seine Lippen und Wangen sich wieder rötheten, seine Augen munter umherkreisten, ja, wie sogar eine ihm sonst ganz fremde tolle Laune sein ganzes Wesen ergriff. Die schöne Sara erschrak, wie sie noch nie in ihrem Leben erschrocken war, und ein inneres Grauen stieg fältend in ihr auf, weniger wegen der Zeichen von starrem Entseßen, die sie einen Moment lang im Gesichte ihres Mannes erblickt hatte, als wegen seiner jezigen Fröhlichkeit, die allmählich in jauchzende Ausgelassenheit überging. Der Rabbi schob sein Barett spielend von einem Ohre nach dem andern, zupfte und kräuselte possierlich seine Bartlocken, sang den Agadetext nach der Weise eines Gassenhauers, und bei der Aufzählung der ägyptischen Plagen, wo man mehrmals den Zeigefinger in den vollen Becher eintunkt und den anhängenden Weintropfen zur Erde wirst, besprißte der Rabbi die jüngern Mädchen mit Rothwein, und es gab großes Klagen über verdorbene Halskrausen, und schallendes Gelächter. Immer unheimlicher ward es der schönen Sara bei dieser krampfhaft sprudelnden Lustigkeit ihres Mannes, und beklommen von namenloser Bangigkeit schaute sie in das summende Gewimmel der buntbeleuchteten Menschen, die sich behaglich breit hin und her schaukelten, an den dünnen Paschabröten knoperten, oder Wein schlürften, oder mit einander schwayten, oder laut sangen, überaus vergnügt.

Da fam die Zeit, wo die Abendmahlzeit gehalten wird; Alle standen auf, um sich zu waschen, und die schöne Sara

holte das große filberne, mit getriebenen Goldfiguren reichverzierte Waschbecken, das sie jedem der Gäste vorhielt, während ihm Wasser über die Hände gegossen wurde. Als sie auch dem Rabbi diesen Dienst erwies, blinzelte ihr Dieser bedeutsam mit den Augen, und schlich sich zur Thüre hinaus. Die schöne Sara folgte ihm auf dem Fuße; hastig ergriff der Rabbi die Hand seines Weibes, eilig zog er sie fort durch die dunkeln Gassen Bacharach's, eilig zum Thor hinaus auf die Landstraße, die den Rhein entlang nach Bingen führt.

Es war eine jener Frühlingsnächte, die zwar lau genug und hellgestirnt sind, aber doch die Seele mit seltsamen Schauern erfüllen. Leichenhaft dufteten die Blumen; schadenfroh und zugleich selbstbeängstigt zwitscherten die Vögel; der Mond warf heimtückisch gelbe Streiflichter über den dunkel hinmurmelnden Strom; die hohen Felsenmassen des Users schienen bedrohlich wackelnde Riesenhäupter; der Thurmwächter auf Burg Strahleck blies eine melancholische Weise; und dazwischen läutete eifrig gellend das Sterbeglöckchen der Sankt Wernerskirche. Die schöne Sara trug in der rechten Haud das silberne Waschbecken, ihre linke hielt der Rabbi noch immer gefasst, und sie fühlte, wie seine Finger eiskalt waren und wie sein Arm zitterte; aber fie folgte schweigend, vielleicht weil sie von jeher gewohnt, ihrem Manne blindlings und fragenlos zu gehorchen, vielleicht auch weil ihre Lippen vor innerer Angst verschlossen waren.

Unterhalb der Burg Sonneck, Lorch gegenüber, ungefähr wo jezt das Dörfchen Niederrheinbach liegt, erhebt sich eine Felsenplatte, die bogenartig über das Rheinufer hinaushängt. Diese erstieg Rabbi Abraham mit seinem Weibe, schaute sich um nach allen Seiten, und starrte hinauf nach den Sternen. Zitternd und von Todesängsten durchfröstelt stand neben ihm die schöne Sara und betrachtete sein blasses Gesicht, das der Mond gespenstisch beleuchtete, und worauf es hin und her zuckte wie Schmerz, Furcht, Andacht und Wuth. Als aber der Rabbi plötzlich das silberne Waschbecken ihr aus der Hand riss und es schollernd hinabwarf in den Rhein, da konnte sie das grausenhafte Angstgefühl nicht länger ertragen, und mit dem Ausrufe Schadai voller Genade!" stürzte sie zu den Füßen des Mannes und beschwor ihn, das dunkle Räthsel endlich zu enthüllen.

Seine. XI

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Der Rabbi, des Sprechens ohnmächtig, bewegte mehrmals lautlos die Lippen, und endlich rief er: „Siehst du den Engel des Todes? Dort unten schwebt er über Bacharach! Wir aber sind seinem Schwerte entronnen. GeYobt sei der Herr!" Und mit einer Stimme, die noch vor innerem Entseßen bebte, erzählte er: wie er wohlgemuth die Agade hinsingend und angelehnt saß, und zufällig unter den Tisch schaute, habe er dort zu seinen Füßen den blutigen Leichnam eines Kindes erblickt. „Da merkte ich“ sezte der Rabbi hinzu - „dass unsre zwei späte Gäste nicht von der Gemeinde Israel's waren, sondern von der Verjammlung der Gottlosen, die sich berathen hatten, jenen Leichnam heimlich in unser Haus zu schaffen, um uns des Kindermordes zu beschuldigen und das Volk aufzureizen, uns zu plündern und zu ermorden. Ich durfte nicht merken lassen, dass ich das Werk der Finsternis durchschaut; ich hätte dadurch nur mein Verderben beschleunigt, und nur die List hat uns Beide gerettet. Gelobt sei der Herr! Ängstige dich nicht, schöne Sara; auch unsre Freunde und Verwandte werden gerettet sein. Nur nach meinem Blute lechzten die Ruchlosen; ich bin ihnen entronnen, und fie begnügen sich mit meinem Silber und Golde. Komm mit mir, schöne Sara, nach einem anderen Lande, wir wollen das Unglück hinter uns lassen, und damit uns das Unglück nicht verfolge, habe ich ihm das Lezte meiner Habe, das silberne Becken, zur Versöhnung hingeworfen. Der Gott unserer Väter wird uns nicht verlassen. Komm herab, du bist müde; dort unten steht bei seinem Kahne der stille Wilhelm; er fährt uns den Rhein hinauf.“

Lautlos und wie mit gebrochenen Gliedern war die schöne Sara in die Arme des Rabbi hingesunken, und langsam trug er sie hinab nach dem Ufer. Hier stand der stille Wilhelm, ein taubstummer, aber bildschöner Knabe, der zum Unterhalt seiner alten Pflegemutter, einer Nachbarin des Rabbi, den Fischfang trieb und hier seinen Kahn angelegt hatte. Es war aber, als erriethe er schon gleich die Absicht des Rabbi, ja es schien, als habe er eben auf ihn gewartet; um seine geschlossenen Lippen zog sich das lieblichste Mitleid, bedeutungstief ruhten seine großen blauen Augen auf der schönen Sara, und sorgsam trug er sie in den Kahn.

Der Blick des stummen Knaben weckte die schöne Sara

aus ihrer Betäubung, sie fühlte auf einmal, dass Alles, was ihr Mann ihr erzählte, fein bloßer Traum sei, und Ströme bitterer Thränen ergossen sich über ihre Wangen, die jest so weiß wie ihr Gewand. Da saß sie nun in der Mitte des Kahus, ein weinendes Marmorbild; neben ihr saßen ihr Mann und der stille Wilhelm, welche emsig ruderten.

Sei es nun durch den einförmigen Ruderschlag, oder durch das Schaukeln des Fahrzeugs, oder durch den Duft jener Bergesufer, worauf die Freude wächst, immer geschieht es, dass auch der Betrübteste seltsam beruhigt wird, wenn er in der Frühlingsnacht in einem leichten Kahne leicht dahinfährt auf dem lieben, klaren Rheinstrom. Wahrlich, der alte, gutherzige Vater Rhein kann's nicht leiden, wenn seine Kinder weinen; thränenstillend wiegt er sie auf seinen treuen Armen, und erzählt ihnen seine schönsten Märchen, und verspricht ihnen seine goldigsten Schäße, vielleicht gar den uralt versunkenen Niblungshort. Auch die Thränen der schönen Sara flossen immer milder und milder, ihre gewaltigsten Schmerzen wurden fortgespült von den flüsternden Wellen, die Nacht verlor ihr finstres Grauen, und die heimatlichen Berge grüßten wie zum zärtlichsten Lebewohl. Vor allen aber grüßte traulich ihr Lieblingsberg, der Kedrich, und in seiner seltsamen Mondbeleuchtung schien es, als stände wieder oben ein Fräulein mit ängstlich ausgestreckten Armen, als kröchen die flinken Zwerglein wimmelnd aus ihren Felsenspalten, und als käme ein Reiter den Berg hinaufgesprengt in vollem Galopp; und der schönen Sara war zu Muthe, als sei sie wieder ein kleines Mädchen und säße wieder auf dem Schoße ihrer Muhme aus Lorch, und Diese erzähle ihr die hübsche Geschichte von dem kecken Reiter, der das arme, von den Zwergen geraubte Fräulein befreite, und noch andre wahre. Geschichten, vom wunderlichen Wisperthale drüben, wo die Vögel ganz vernünftig sprechen, und vom Pfefferkuchenland, wohin die folgsamen Kinder kommen, und von verwünschten Prinzessinnen, singenden Bäumen, gläsernen Schlössern, goldenen Brücken, lachenden Niren . . . Aber zwischen all' diesen hübschen Märchen, die klingend und leuchtend zu leben begannen, hörte die schöne Sara die Stimme ihres Vaters, der ärgerlich die arme Muhme ausschalt, dass sie dem Kinde so viel' Thorheiten in den Kopf schwaze! Als

bald fam's ihr vor, als seßte man sie auf das kleine Bänkchen vor dem Sammetsessel ihres Vaters, der mit weicher Hand ihr langes Haar streichelte, gar vergnügt mit den Augen lachte, und sich behaglich hin und her wiegte in seinem weiten, blauseidenen Sabbathschlafrock... Es musste wohl Sabbath sein, denn die geblümte Decke war über den Tisch gespreitet, alle Geräthe im Zimmer leuch teten, spiegelblank gescheuert, der weißbärtige Gemeindediener saß an der Seite des Vaters und kaute Rosinen und sprach Hebräisch, auch der kleine Abraham kam herein mit einem allmächtig großen Buche, und bat bescheidentlich seinen Oheim um die Erlaubnis, einen Abschnitt der heiligen Schrift erklären zu dürfen, damit der Öheim sich selber überzeuge, dass er in der verflossenen Woche Viel gelernt habe und viel Lob und Kuchen verdiene... Nun legte der kleine Bursche das Buch auf die breite Armlehne des Sessels, und erklärte die Geschichte von Jakob und Rahel, wie Jakob seine Stimme erhoben und laut geweint, als er sein Mühmchen Rahel zuerst erblickte, wie er so traulich am Brunnen mit ihr gesprochen, wie er sieben Jahr um Rahel dienen musste, und wie sie ihm so schnell verflossen, und wie er die Rahel geheirathet und immer und immer geliebt hat. . . Auf einmal erinnerte sich auch die schöne Sara, dass ihr Vater damals mit lustigem Tone ausrief: „Willst du nicht eben so dein Mühmchen Sara heirathen?" worauf der kleine Abraham ernsthaft antwortete: „Das will ich, und sie soll sieben Jahr' warten." Dämmernd zogen diese Bilder durch die Seele der schönen Frau, sie sah, wie sie und ihr kleiner Vetter, der jezt so groß und ihr Mann geworden, kindisch mit einander in der Lauberhütte spielten, wie sie sich dort ergößten an den bunten Tapeten, Blumen, Spiegeln und vergoldeten Äpfeln, wie der kleine Abraham immer zärtlicher mit ihr koste, bis er allmählich größer und mürrischer wurde, und endlich ganz groß und ganz mürrisch... Und endlich sigt sie zu Hause allein in ihrer Kammer eines Samstagabends, der Mond scheint hell durchs Fenster, und die Thür fliegt auf, und hastig stürmt herein ihr Vetter Abraham, in Reisekleidern und blass wie der Tod, und ergreift ihre Hand, steckt einen goldnen Ring an ihren Finger und spricht feierlich: "Ich nehme dich hiermit zu meinem Weibe, nach den Gesezen von Moses und Israel!“ „Jezt aber"

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