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Zweites Buch.

Helgoland, den 1. Julius 1830.

Ich selber bin dieses Guerilla-Krieges müde und sehne mich nach Ruhe, wenigstens nach einem Zustand, wo ich mich meinen natürlichen Neigungen, meiner träumerischen Art und Weise, meinem phantastischen Sinnen und Grübeln ganz fessellos hingeben kann. Welche Ironie des Geschickes, dass ich, der ich mich so gerne auf die Pfühle des stillen beschaulichen Gemüthlebens bette, dass eben ich dazu bestimmt war, meine armen Mitdeutschen aus ihrer Behaglichkeit hervorzugeißeln und in die Bewegung hineinzuheben! Ich, der ich mich am liebsten damit beschäftige, Wolkenzüge zu beobachten, metrische Wortzauber zu erflügeln, die Geheimnisse der Elementargeister zu erlauschen, und mich in die Wunderwelt alter Märchen zu versenken... ich musste politische Annalen herausgeben, Zeitinteressen vortragen, revolutionäre Wünsche anzetteln, die Leidenschaften aufstacheln, den armen deutschen Michel beständig an der Nase zupfen, dass er aus seinem gefunden Riesenschlaf erwache Freilich, ich konnte da durch, bei dem schnarchenden Giganten nur ein sanftes Niesen, keineswegs aber ein Erwachen bewirken . . . Und riss ich auch heftig an seinem Kopfkissen, so rückte er es sich doch wieder zurecht mit schlaftrunkener Hand Einst wollte ich aus Verzweiflung seine Nachtmüße in Brand stecken, aber sie war so feucht von Gedankenschweiß, dass sie nur gelinde rauchte . . . und Michel lächelte im Schlummer.

Ich bin müde und lechze nach Ruhe. Ich werde mir ebenfalls eine deutsche Nachtmüße anschaffen und über die Ohren ziehen. Wenn ich nur wüsste, wo ich jezt mein Haupt niederlegen kann. In Deutschland ist es unmöglich. Jeden Augenblick würde ein Polizeidiener herankommen

und mich rütteln, um zu erproben, ob ich wirklich schlafe; schon diese Idee verdirbt mir alles Behagen. Aber in der That, wo soll ich hin? Wieder nach Süden? Nach dem Lande, wo die Citronen blühen und die Goldorangen? Ach! vor jedem Citronenbaum steht dort eine östreichische Schildwache, und donnert dir ein schreckliches „Wer da!" entgegen. Wie die Citronen, so sind auch die Goldorangen jezt sehr sauer. Oder soll ich nach Norden? Etwa nach Nordosten? Ach! die Eisbären sind jezt gefährlicher als je, seitdem sie sich civilisieren und Glacéhandschuhe tragen. Oder soll ich wieder nach dem verteufelten England, wo ich nicht in effigie hängen, wie viel weniger in Person leben möchte! Man sollte Einem noch Geld dazu geben, um dort zu wohnen, und statt Dessen kostet Einem der Aufenthalt in England doppelt so Biel, wie an anderen Orten. Nimmermehr nach diesem schnöden Lande, wo die Maschinen sich wie Menschen, und die Menschen wie Maschinen gebärden. Das schnurrt und schweigt so beängstigend. Als ich dem hiesigen Gouverneur präsentiert wurde, und dieser Stockengländer mehre Minuten, ohne ein Wort zu sprechen, unbeweglich vor mir stand, kam es mir unwillkürlich in den Sinn, ihn einmal von hinten zu betrachten, um nachzusehen, ob man etwa dort vergessen habe, die Maschinen aufzuziehen. Dass die Insel Helgoland unter brittischer Herrschaft steht, ist mir schon hinlänglich fatal. Ich bilde mir manchmal ein, ich röche jene Langeweile, welche Albion's Söhne überall ausdünsten. In der That, aus jedem Engländer entwickelt sich ein gewisses Gas, die tödliche Stickluft der Langeweile, und Dieses habe ich mit eigenen Augen beobachtet, nicht in England, wo die Atmosphäre ganz davon geschwängert ist, aber in südlichen Ländern, wo der reisende Britte isoliert umherwandert, und, die graue Aureole der Langeweile, die sein Haupt umgiebt, in der sonnig blauen Luft recht schneidend sichtbar wird. Die Engländer freilich glauben, ihre dicke Langeweile sei ein Produkt des Ortes, und, um derselben. zu entfliehen, reisen sie durch alle Lande, langweilen sich überall und kehren heim mit einem Diary of an ennuyé. Es geht ihnen, wie dem Soldaten, dem seine Kameraden, als er schlafend auf der Pritsche lag, Unrath unter die Nase rieben; als er erwachte, bemerkte er, es röche schlecht in der Wachtstube, und er ging hinaus, kam aber bald

zurück, und behauptete, auch draußen röche es übel, die ganze Welt stänke.

Einer meiner Freunde, welcher jüngst aus Frankreich fam, behauptete, die Engländer bereisten den Kontinent aus Verzweiflung über die plumpe Küche ihrer Heimat; an den französischen Table-d'hôten sähe man dicke Engländer, die Nichts als Vol-au-Vents, Crème, Süprèmes, Ragouts, Gelées und dergleichen luftige Speisen verschluckten, und zwar mit jenem kolossalen Appetite, der sich daheim an Roastbeefmassen und Yorkshirer Plumpudding geübt hatte, und wodurch am Ende alle französischen Gastwirthe zu Grunde gehen müssen. Ist etwa wirklich die Exploitation der Table-d'hôten der geheime Grund, wesshalb die Engländer herumreisen? Während wir über die Flüchtigkeit lächeln, womit sie überall die Merkwürdigfeiten und Gemäldegalerien ansehen, sind sie es vielleicht, die uns mystificieren, und ihre belächelte Neugier ist nichts als ein pfiffiger Deckmantel für ihre gastronomischen Absichten.

Aber wie vortrefflich auch die französische Küche, in Frankreich selbst soll es jetzt schlecht aussehen, und die große Retirade hat noch kein Ende. Die Jesuiten floricren dort und fingen Triumphlieder. Die dortigen Machthaber sind dieselben Thoren, denen man bereits vor fünfzig Jahren die Köpfe abgeschlagen... Was half's! sie sind dem Grabe wieder entstiegen, und jezt ist ihr Regiment thörichter als früher; denn als man sie aus dem Todtenreich ans Tageslicht heraufließ, haben Manche von ihnen in der Hast den ersten, besten Kopf aufgeseßt, der ihnen zur Hand lag, und da ereigneten sich gar heillose Missgriffe; die Köpfe passen manchmal nicht zu dem Rumpf und zu dem Herzen, das darin spukt. Da ist Mancher, welcher wie die Vernunft selbst auf der Tribüne sich ausspricht, so dass wir den klugen Kopf bewundern, und doch lässt er sich gleich darauf von dem unverbesserlich verrückten Herzen zu den dümmsten Handlungen verleiten. . . Es ist ein grauenhafter Widerspruch zwischen den Gedanken und Gefühlen, den Grundsäßen und Leidenschaften, den Reden und den Thaten dieser Revenants!

Oder soll ich nach Amerika, nach diesem ungeheuren Freiheitsgefängnis, wo die unsichtbaren Ketten mich noch schmerzlicher drücken würden, als zu Hause die sichtbaren,

Heine. XI.

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und wo der widerwärtigste aller Tyrannen, der Pöbel, seine rohe Herrschaft ausübt! Du weißt, wie ich über dieses gottverfluchte Land denke, das ich einst liebte, als ich es nicht kannte ... Und doch muss ich es öffentlich loben und preisen, aus Metierpflicht... Ihr lieben deutschen Bauern! geht nach Amerika! dort giebt es weder Fürsten noch Adel, alle Menschen sind dort gleich, gleiche Flegel... mit Ausnahme freilich einiger Millionen, die eine schwarze oder braune Haut haben und wie die Hunde behandelt werden! Die eigentliche Sklaverei, die in den meisten nordamerikanischen Provinzen abgeschafft, empört mich nicht so sehr, wie die Brutalität, womit dort die freien Schwarzen und die Mulatten behandelt werden. Wer auch nur im entferntesten Grade von einem Neger stammt, und wenn auch nicht mehr in der Farbe, sondern nur in der Gesichtsbildung eine solche Abstammung verräth, muss die größten Kränkungen erdulden, Kränkungen, die uns in Europa fabelhaft dünken. Dabei machen diese Amerikaner großes Wesen von ihrem Christenthum und sind die eifrigsten Kirchengänger. Solche Heuchelei haben sie von den Engländern gelernt, die ihnen übrigens ihre schlechtesten Eigenschaften zurückließen. Der weltliche Nugen ist ihre eigentliche Religion, und das Geld ist ihr Gott, ihr einziger, allmächtiger Gott. Freilich, manches edle Herz mag dort im Stillen die allgemeine Selbstfucht und Ungerechtigkeit bejammern. Will es aber gar dagegen anfämpfen, so harret seiner ein Märtyrthum, das alle euro-. päischen Begriffe übersteigt. Ich glaube, es war in Newyork, wo ein protestantischer Prediger über die Misshandlung der farbigen Menschen so empört war, dass er, dem grausamen Vorurtheil trogend, seine eigene Tochter mit einem Neger verheirathete. Sobald diese wahrhaft christliche That bekannt wurde, stürmte das Volk nach dem Hause des Predigers, der nur durch die Flucht dem Tode entrann; aber das Haus ward demoliert, und die Tochter des Predigers, das arme Opfer, ward vom Pöbel ergriffen und musste seine Wuth entgelten. She was flinshed, d. h. sie ward splitternackt ausgekleidet, mit Theer bestrichen, in den aufgeschnittenen Federbetten herumgewälzt, in solcher anklebenden Federhülle durch die ganze Stadt geschleift und verhöhnt.

Freiheit, du bist ein böser Traum!

Helgoland, den 8. Julius.

Da gestern Sonntag war, und eine bleierne Langeweile über der ganzen Insel lag und mir fast das Haupt eindrückte, griff ich aus Verzweiflung zur Bibel... und ich gestehe es dir, troßdem, dass ich ein heimlicher Hellene bin, hat mich das Buch nicht bloß gut unterhalten, sondern auch weidlich erbaut. Welch ein Buch! groß und weit wie die Welt, wurzelnd in die Abgründe der Schöpfung und hinaufragend in die blauen Geheimnisse des Himmels... Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, Verheißung und Erfüllung, Geburt und Tod, das ganze Drama der Menschheit, Alles ist in diesem Buche... Es ist das Buch der Bücher, Biblia. Die Juden sollten sich leicht trösten, dass sie Jerusalem und den Tempel und die Bundeslade und die goldenen Geräthe und Kleinodien Salomonis eingebüßt haben solcher Verlust ist doch nur geringfügig in Vergleichung mit der Bibel, dem unzerstörbaren Schaze, den sie gerettet. Wenn ich nicht irre, war es Muhammed, welcher die Juden das Volk des Buches" nannte, ein Name, der ihnen bis heutigen Tag im Oriente verblieben und tiefsinnig bezeichnend ist. Ein Buch ist ihr Vaterland, ihr Besih, ihr Herrscher, ihr Glück und ihr Unglück. Sie leben in den unfriedeten Marken dieses Buches, hier üben sie ihr unveräußerliches Bürgerrecht, hier kann man sie nicht verjagen, nicht verachten, hier sind sie stark und bewunderungswürdig. Versenkt in der Lektüre dieses Buches, merkten sie wenig von den Veränderungen, die um sie her in der wirklichen Welt vorfielen; Völker erhuben sich und schwanden, Staaten blühten empor und erloschen, Revolutionen stürmten über den Erdboden. . . sie aber, die Juden, lagen gebeugt über ihrem Buche und merkten Nichts von der wilden Jagd der Zeit, die über ihre Häupter dahinzog!

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Wie der Prophet des Morgenlandes sie das Volk des Buches" nannte, so hat sie der Prophet des Abendlandes in seiner Philosophie der Geschichte als das Volk des Geistes" bezeichnet. Schon in ihren frühesten Anfängen, wie wir im Pentateuch bemerken, befunden die Juden ihre Vorneigung für das Abstrakte, und ihre ganze Religion ist Nichts als ein Akt der Dialektik, wodurch Materie und Geist getrennt, und das Absolute nur in der

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