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mal den Mond zu verschlingen, wie es die furchtbaren alliterierenden Verse der Edda uns verkündigt. Er verschlang ihn aber doch nicht, und der gute deutsche Mond leuchtet noch bis auf diese Stunde so still und so zärtlich, wie in den Tagen Werther's und Lottens, empfindsamen Angedenkens.

Zwischen meinem ersten und meinem zweiten Begegnis mit Ludwig Börne liegt jene Juliusrevolution, welche unsere Zeit gleichsam in zwei Hälften auseinander sprengte. Die vorstehenden Briefe mögen Kunde geben von der Stimmung, in welcher mich die große Begebenheit antraf, und in gegenwärtiger Denkschrift sollen sie als vermittelnde Brücke dienen, zwischen dem ersten und dritten Buche. Der Übergang wäre sonst zu schroff. Außerdem mögen fie als geeignetes Dokument von der Stimmung zeugen, welche bei dem Eintreffen jenes Ereignisses in Deutschland herrschte, wo die trübseligste Entmuthigung und Niedergeschlagenheit sofort in das enthusiastische Vertrauen auf die Zukunft überging. Alle Bäume der Hoffnung begannen wieder zu grünen, und selbst die verkrüppeltsten Stämme, welche längst verdorrt waren, trieben neues Laub. Seit Luther auf dem Reichstage zu Worms seine Thesen vor dem versammelten Reiche vertheidigte, hat keine Begebenheit mein deutsches Vaterland so tief aufgeregt, wie die Juliusrevolution. Diese Aufregung ward freilich später ein wenig gedämpft, aber sie erwachte wieder im Jahr 1840, und seitdem glomm das Feuer beständig unter der Asche fort, bis im Februar 1848 die Flammen der Revolution aufs Neue im allgemeinen Brande empor= schlugen. Gegenwärtig sind die alten Löschmänner der heiligen Alliance mit ihrem alten staatsretterischen Apparat auf die Bühne zurückgekehrt, aber es zeigt sich gleichfalls schon zu dieser Stunde ihre Unzulänglichkeit. Was mag das Schicksal den Deutschen aufsparen? Ich prophezeie nicht gern, und ich halte es für nüßlicher, von der Vergangenheit zu berichten, in welcher die Zukunft sich spiegelt. *)

*) Der Schluss der französischen Vorrede lautet von hier an, wie folgt: „Ich hoffe daher, dass die Mittheilung der nachstehenden Briefe sich von selbst rechtfertigen wird. Ich habe sie in ihrer ursprünglichen Gestalt abge= druckt, obschon manche kleine Unrichtigkeiten, die sich darin vorfinden, hin

Ich trug Bedenken, eine größere Anzahl dieser Briefe. mitzutheilen, da in den nächstfolgenden der zeitliche Freiheitsrausch allzu ungestüm über alle Polizeiverordnungen hinaustaumelte, während späterhin allzu ernüchterte Betrachtungen eintreten und das enttäuschte Herz in muthlose, verzagende und verzweifelnde Gedanken sich verliert! Schon die ersten Tage meiner Ankunft in der Hauptstadt der Revolution merkte ich, dass die Dinge in der Wirklichkeit ganz andere Farben trugen, als ihnen die Lichteffekte meiner Begeisterung in der Ferne geliehen hatten. Das Silberhaar, das ich um die Schulter Lafayette's, des Helden beis der Welten, so majestätisch flattern sah, verwandelte sich bei näherer Betrachtung in eine braune Perücke, die einen engen Schädel kläglich bedeckte. Und gar der Hund Medor, den ich auf dem Hofe des Louvre besuchte, und der, gelagert unter dreifarbigen Fahnen und Trophäen, sich ruhig füttern ließ: er war gar nicht der rechte Hund, sondern eine ganz gewöhnliche Bestie, die sich fremde Verdienste anmaßte, wie bei den Franzosen oft geschieht, und, eben so wie viele Andre, exploitierte er den Ruhm der Juliusrevolution... Er ward gehätschelt, gefördert, vielleicht zu den höchsten Ehrenstellen erhoben, während der wahre Medor einige Tage nach dem Siege bescheiden da

und wieder eine Naivetät verrathen, welche dem französischen Leser ein Lächeln auf Kosten des deutschen Neulings abdringen mag. Ich ließ dem General Lafayette sein wallendes Silberhaar, obschon ich einige Zeit nachher, als ich die Ehre hatte, Herrn de Lafayette in Paris zu begegnen, jene Silberlocken höchst prosaisch in eine braune Perrücke verwandelt sah; aber der biedere General hatte darum nicht minder ein ehrwürdiges Aussehen, und troß seiner modern spießbürgerlichen Kleidung erkannte man in ihm den großen Ritter ohne Furcht und Tadel, den Bayard der Freiheit. Gleich nach meiner Ankunft in Paris wollte ich auch die Bekanntschaft des Hundes Medor machen; allein dieser entsprach durchaus nicht meiner Erwartung. Ich sah nur ein hässliches Thier, in dessen Blick keine Spur von Be= geisterung lag; es blinzelte darin sogar etwas Schielend-falsches, etwas Verschlagen-eigennüßiges, ja, ich möchte sagen: etwas Industrielles. Ein junger Mann, ein Student, den ich dort traf, sagte mir, es sei gar nicht der rechte Medor, sondern ein intriganter Pudel, ein Hund aus späterer Zeit (un chien du lendemain), der sich füttern und pflegen lasse und den Ruhm des wahren Medor exploitiere, während dieser nach dem Tode seines Herrn bescheiden davongeschlichen, wie das Volk, das die Revolution gemacht. „Der arme Medor," fügte der Student hinzu, „irrt jezt vielleicht in Paris umher, hungernd und obdachlos, wie mancher andere Juliheld; denn das Sprichwort, welches besagt, ein guter Hund finde nie einen guten Knochen, ist hier in Frankreich von betrübsamer Wahrheit, man unterhält hier

vongeschlichen war, wie das wahre Volk, das die Revolution .gemacht.

Armes Volk! Armer Hund! sic.

Es ist eine schon ältliche Geschichte. Nicht für sich, seit undenklicher Zeit, nicht für sich hat das Volk geblutet und gelitten, sondern für Andre. Im Juli 1830 erfocht es den Sieg für jene Bourgeoisie, die eben so Wenig taugt wie jene Noblesse, an deren Stelle sie trat mit demselben Egoismus... Das Volk hat Nichts gewonnen durch seinen Sieg, als Reue und größere Noth. Aber seid überzeugt, wenn wieder die Sturmglocke geläutet wird und das Volk zur Flinte greift, diesmal kämpft es für sich selber und verlangt den wohlverdienten Lohn. Diesmal wird der wahre, echte Medor geehrt und gefüttert werden... Gott weiß, wo er jeßt herumläuft, verachtet, verhöhnt und hungernd

Doch still, mein Herz, du verräthst dich zu sehr . .

in warmen Ställen und füttert mit dem besten Fleisch eine Meute von Bulldoggen, Jagdhunden und andern aristokratischen Vierfüßlern; auf seidenen Kissen, wohlgekämmt und parfümiert, und mit Zuckerbrot gesättigt, sehen Sie den Wachtelhund oder das kleine Windspiel ruhen, die jeden ehrlichen Menschen anbellen, aber der Herrin des Hauses zu schmeicheln wissen, und zuweilen selbst eingeweiht sind in menschliche Laster. Ach, solche schlechte, unmoralische Bestien gedeihen in unserer Gesellschaft, während jeder tugendhafte Hund, jeder Wahrheits- und Naturköter (tout chien de la vérité et de la nature), der seinen Überzeugungen treu bleibt, elendiglich umkommt, und räudig mit Ungeziefer bedeckt, auf einem Misthaufen krepiert!" Go sprach der Student, der mir wegen seiner hohen politischen Anschauungsart sehr gefiel. Es begann just zu regnen, und da er keinen Schirm hatte, nahm ich ihn unter den meinen während der Wegesstrecke, die wir mit einander zurücklegten." Der Herausgeber.

Drittes Buch.

Es war im Herbst 1831, ein Jahr nach der Juliusrevolution, als ich zu Paris den Doktor Ludwig Börne wieder sah. Ich besuchte ihn im Gasthof Hôtel de Castille, und nicht wenig wunderte ich mich über die Veränderung, die sich in seinem ganzen Wesen aussprach. Das bisschen Fleisch, das ich früher an seinem Leibe bemerkt hatte, war jest ganz verschwunden, vielleicht geschmolzen von den Strahlen der Juliussonne, die ihm leider auch ins Hirn gedrungen. Aus seinen Augen leuchteten bedenkliche Funken. Er saß, oder vielmehr er wohnte in einem großen buntseidenen Schlafrock, wie eine Schildkröte in ihrer Schale, und wenn er manchmal argwöhnisch sein dünnes Köpfchen hervorbeugte, ward mir unheimlich zu Muthe. Aber das Mitleid überwog, wenn er aus dem weiten Ärmel die arme abgemagerte Hand zum Gruße oder zum freundschaftlichen Händedruck ausstreckte. In seiner Stimme zitterte eine gewisse Kränklichkeit und auf seinen Wangen grinsten schon die schwindsüchtig rothen Streiflichter. Das schneidende Misstrauen, das in allen seinen Zügen und Bewegungen lauerte, war vielleicht eine Folge der Schwerhörigkeit, woran er früher schon litt, die aber immer zunahm und nicht wenig dazu beitrug, mir seine Konversation zu verleiden.

"

„Willkommen in Paris!" rief er mir entgegen. Das ist brav! Ich bin überzeugt, die Guten, die es am besten meinen, werden alle bald hier sein. Hier ist der Konvent der Patrioten von ganz Europa, und zu dem großen Werke müssen sich alle Völker die Hände reichen. Sämmtliche Fürsten müssen in ihren eigenen Ländern beschäftigt werden, damit sie nicht in Gemeinschaft die Freiheit in Deutschland unterdrücken. Ach Gott! Ach Deutsch

land! Es wird bald sehr betrübt bei uns aussehen und sehr blutig. Revolutionen sind eine schreckliche Sache, aber sie sind nothwendig, wie Amputationen, wenn irgend ein Glied in Fäulnis gerathen. Da muss man schnell_zu= schneiden, und ohne ängstliches Innehalten. Jede Verzögerung bringt Gefahr, und wer aus Mitleid oder aus Schrecken, beim Anblick des vielen Blutes, die Operation nur zur Hälfte verrichtet, Der handelt grausamer, als der schlimmste Wütherich. Hol' der Henker alle weichherzigen Chirurgen und ihre Halbheit! Marat hatte ganz Recht il faut faire saigner le genre humain, und hätte man ihm die 300,000 Köpfe bewilligt, die er verlangte, so wären Millionen der besseren Menschen nicht zu Grunde gegangen, und die Welt wäre auf immer von dem alten übel geheilt!"

„Die Republik," - ich lasse den Mann ausreden, mit übergehung mancher schnörkelhaften Absprünge, - „Die Republik muss durchgesezt werden. Nur die Republik kann uns retten. Der Henker hole die sogenannten konstitutionellen Verfassungen, wovon unsere deutschen Kammerschwäßer alles Heil erwarten. Konstitutionen verhalten sich zur Freiheit, wie positive Religionen zur Naturreligion; sie werden durch ihr stabiles Element eben so viel Unheil anrichten, wie jene positiven Religionen, die, für einen gewissen Geisteszustand des Volkes berechnet, im Anfang sogar diesem Geisteszustand überlegen sind, aber späterhin sehr lästig werden, wenn der Geist des Volkes die Saßung überflügelt. Die Konstitutionen entsprechen einem politischen Zustand, wo die Bevorrechteten von ihren Rechten einige abgeben, und die armen Menschen, die früher ganz zurückgesezt waren, plöglich jauchzen, dass sie ebenfalls Rechte erlangt haben... Aber diese Freude hört auf, sobald die Menschen durch ihren freieren Zustand für die Idee einer vollständigen, ganz ungeschmälerten, ganz gleichheitlichen Freiheit empfänglich geworden sind; was uns heute die herrlichste Acquisition dünkt, wird unsern Enkeln als ein kümmerliches Abfinden erscheinen, und das geringste Vorrecht, das die ehemalige Aristokratie noch behielt, vielleicht das Recht, ihre Röcke mit Petersilie zu schmücken, wird alsdann eben so viel Bitterkeit erregen, wie einst die härteste Leibeigenschaft, ja, eine noch tiefere Bitterkeit, da die Aristokratie mit ihrem lehten Petersilien-Vorrecht um so hochmüthiger prunken wird! . . . Nur die Naturreligion,

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