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machte dort den Vorsänger, und wenn dieser schon bejahrte zitternde Mann mit seiner zerbröckelten, meckernden Stimme wie ein junges Mädchen trillern' wollte, und in solch_ge= waltsamer Anstrengung seinen schlaff herabhängenden Arm fieberhaft schüttelte, so reizte Dergleichen wohl mehr zum Lachen als zur Andacht.

Ein frommes Behagen, gemischt mit weiblicher Neugier, zog die schöne Sara ans Gitter, wo sie hinabschauen fonnte in die untere Abtheilung, die sogenannte Männerschule. Sie hatte noch nie eine so große Anzahl Glaubensgenossen gesehen, wie sie da unten erblickte, und es ward ihr noch heimlich wohler ums Herz in der Mitte so vieler Menschen, die ihr so nahe verwandt durch gemeinschaftliche Abstammung, Denkweise und Leiden. Aber noch viel bewegter wurde die Seele des Weibes, als drei alte Männer ehrfurchtsvoll vor die heilige Lade traten, den glänzenden Vorhang an die Seite schoben, den Kasten aufschlossen und sorgsam jenes Buch herausnahmen, das Gott mit heilig eigner Hand geschrieben und für dessen Erhaltung die Juden so viel erduldet, so viel Elend und Hass, Schmach und Tod, ein tausendjähriges Martyrthum. Dieses Buch, eine große Pergamentrolle, war wie ein fürstliches Kind in einem buntgestickten Mäntelchen von rothem Sammet gehüllt; oben auf den beiden Rollhölzern steckten zwei filberne Gehäuschen, worin allerlei Granaten und Glöckchen sich zierlich bewegten und klingelten, und vorn an silbernen Kettchen hingen goldne Schilde mit bunten Edelsteinen. Der Vorsänger nahm das Buch, und als sei es ein wirkliches Kind, ein Kind, um dessentwillen man große Schmerzen erlitten und das man nur desto mehr liebt, wiegte er es in seinen Armen, tänzelte damit hin und her, drückte es an seine Brust und, durchschauert von solcher Berührung, erhub er seine Stimme zu einem so jauchzend frommen Dankliede, dass es der schönen Sara bedünkte, als ob die Säulen der heiligen Lade zu blühen begönnen, und die wunderbaren Blumen und Blätter der Kapitäler_immer höher hinaufwüchsen, und die Töne des Diskantisten sich in lauter Nachtigallen verwandelten, und die Wölbung der Synagoge gesprengt würde von den gewaltigen Tönen des Bassisten, und die Freudigkeit Gottes herabströmte aus dem blauen Himmel. Das war ein schöner Psalm. Die

Gemeinde wiederholte chorartig die Schlussverse, und nach der erhöhten Bühne in der Mitte der Synagoge schritt langsam der Vorfänger mit dem heiligen Buche, während Männer und Knaben sich hinzudrängten, um die Sammethülle desselben zu küssen oder auch nur zu berühren. Auf der erwähnten Bühne zog man von dem heiligen Buche das sammine Mäntelchen, so wie auch die mit bunten Buchstaben beschriebenen Windeln, womit es umwickelt war, und aus der geöffneten Pergamentrolle, in jenem singenden Tone, der am Paschaseste noch gar besonders moduliert wird, las der Vorsänger die erbauliche Geschichte von der Versuchung Abraham's.

Die schöne Sara war bescheiden vom Gitter zurückgewichen, und eine breite, pugbeladene Frau von mittlerem Alter und gar gespreizt wohlwollendem Wesen hatte ihr mit stummem Nicken die Miteinsicht in ihrem Gebetbuche vergönnt. Diese Frau mochte wohl keine große Schriftgelehrtin sein; denn als sie die Gebete murmelnd vor sich hinlas, wie die Weiber, da sie nicht laut mitsingen dürfen, zu thun pflegen, so bemerkte die schöne Sara, dass sie viele Worte allzusehr nach Gutdünken aussprach und manche gute Zeile ganz überschlupperte. Nach einer Weile aber hoben sich schmachtend langsam die wasserklaren Augen der guten Frau, ein flaches Lächeln glitt über das porzellanhaft roth' und weiße Gesicht, und mit einem Tone, der so vornehm als möglich hinschmelzen wollte, sprach sie zur schönen Sara: „Er singt sehr gut. Aber ich habe doch in Holland noch viel besser singen hören. Sie sind fremd und wissen vielleicht nicht, dass es der Vorsänger aus Worms ist, und dass man ihn hier behalten will, wenn er mit jährlichen vierhundert Gulden zufrieden. Es ist ein lieber Mann, und seine Hände sind wie Alabaster. Ich halte viel von einer schönen Hand. Eine schöne Hand ziert den ganzen Menschen!" Dabei legte die gute Frau selbstgefällig ihre Hand, die wirklich noch schön war, auf die Lehne des Betpultes, und mit einer graciösen Beugung des Hauptes andeutend, dass sie sich im Sprechen nicht gern unterbrechen lasse, sezte sie hinzu: „Das Singerchen ist noch ein Kind und sieht sehr abgezehrt aus. Der Bass ist gar zu hässlich, und unser Stern hat mal sehr wißig gesagt: Der Bass ist ein größerer Narr als man von

einem Bass zu verlangen braucht! Alle Drei speisen in meiner Garküche, und Sie wissen vielleicht nicht, dass ich Elle Schnapper bin."

Die schöne Sara dankte für diese Mittheilung, wogegen wieder die Schnapper-Elle ihr ausführlich erzählte, wie sie einst in Amsterdam gewesen, dort wegen ihrer Schönheit gar vielen Nachstellungen unterworfen war, und wie sie drei Tage vor Pfingsten nach Frankfurt gekommen und den Schnapper geheirathet, wie Dieser am Ende gestorben, wie er auf dem Todbette die rührendsten Dinge gesprochen, und wie es schwer sei, als Vorsteherin einer Garküche die Hände zu konservieren. Manchmal sah sie nach der Seite. mit wegwerfendem Blicke, der wahrscheinlich einigen spöttischen jungen Weibern galt, die ihren Anzug musterten. Merkwürdig genug war diese Kleidung: ein weit ausgebauschter Rock von weißem Atlas, worin alle Thierarten der Arche Noäh grellfarbig gestickt, ein Wams von Goldstoff wie ein Kürass, die Ärmel von rothem Sammt, gelb geschlißt, auf dem Haupte eine unmenschlich hohe Müße, um den Hals eine allmächtige Krause von weißem Steiflinnen, so wie auch eine silberne Kette, woran allerlei Schaupfennige, Kameen und Raritäten, unter andern ein großes Bild der Stadt Amsterdam, bis über den Busen herabhingen. Aber die Kleidung der übrigen Frauen war nicht minder merkwürdig und bestand wohl aus einem Gemische von Moden verschiedener Zeiten, und manches Weiblein, bedeckt mit Gold und Diamanten, glich einem wandelnden Juwelierladen. Es war freilich den Frankfurter Juden damals eine bestimmte Kleidung gesetzlich vorgeschrieben, und zur Unterscheidung von den Christen sollten die Männer an ihren Mänteln gelbe Ringe und die Weiber an ihren Müßen hochaufstehende blaugestreifte Schleier tragen. Jedoch im Judenquartier wurde diese obrigkeitliche Verordnung wenig beachtet, und dort, besonders an Festtagen und zumal in der Synagoge, suchten die Weiber so viel Kleiderpracht als möglich gegen einander auszukramen, theils um sich beneiden zu lassen, theils auch um den Wohlstand und die Kreditfähigkeit ihrer Eheherren darzuthun.

Während nun unten in der Synagoge die Geseßabschnitte aus den Büchern Mosis vorgelesen werden, pflegt dort die Andacht etwas nachzulassen. Mancher macht es

sich bequem und seht sich nieder, flüstert auch wohl mit einem Nachbar über weltliche Angelegenheiten, oder geht hinaus auf den Hof, um frische Luft zu schöpfen. Kleine Knaben nehmen sich unterdessen die Freiheit, ihre Mütter in der Weiberabtheilung zu besuchen, und hier hat alsdann die Andacht wohl noch größere Rückschritte gemacht; hier wird geplaudert, geruddelt, gelacht, und, wie es überall geschieht, die jüngeren Frauen scherzen über die alten, und Diese klagen wieder über Leichtfertigkeit der Jugend und Verschlechterung der Zeiten. Gleichwie es aber unten in der Synagoge zu Frankfurt einen Vorsänger gab, so gab es in der oberen Abtheilung eine Vorklatscherin. Das war Hündchen Reiß, eine platte grünliche Frau, die jedes Unglück witterte und immer eine skandalöse Geschichte auf der Zunge trug. Die gewöhnliche Zielscheibe ihrer Spit reden war die arme Schnapper-Elle, sie wusste gar drollig die erzwungen vornehmen Gebärden derselben nachzuäffen, so wie auch den schmachtenden Anstand, womit sie die schalkhaften Huldigungen. der Jugend entgegen nimmt.

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Wisst ihr wohl," rief jetzt Hündchen Reiß die Schnapper-Elle hat gestern gesagt: Wenn ich nicht schön und flug und geliebt wäre, so möchte ich nicht auf der Welt sein!"

Da wurde etwas laut gefichert, und die nahestehende Schnapper-Elle, merkend, dass es auf ihre Kosten geschah, hob verachtungsvoll ihre Augen empor, und wie ein stolzes Prachtschiff segelte sie nach einem entfernteren Plaze. Die Vögele Ochs, eine runde, etwas täppische Frau, bemerkte mitleidig, die Schnapper-Elle sei zwar eitel und beschränkt, aber sehr bravmüthig, und sie thue sehr viel Gutes an Leute, die es nöthig hätten.

Besonders an den Nasenstern" zischte Hündchen Reiß. Und Alle, die das zarte Verhältnis kannten, lachten um so lauter.

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Wisst ihr wohl" sezte Hündchen hämisch hinzu -„der Nasenstern schläft jezt auch in dem Hause der Schnapper-Elle. . . Aber seht mal, dort unten die Süschen Flörsheim trägt die Halskette, die Daniel Fläsch bei ihrem Manne versezt hat. Die Fläsch ärgert sich ・ ・ ・ Jezt spricht sie mit der Flörsheim... Wie sie sich so freundlich die Hand drücken! Und hassen sich doch wie Midian und Moab! Wie sie sich so liebevoll anlächeln! Fresst

euch nur nicht vor lauter Zärtlichkeit! Ich will mir das Gespräch anhören.“

Und nun, gleich einem lauernden Thiere, schlich Hündchen Reiß hinzu und hörte, dass die beiden Frauen theilnehmend einander klagten, wie sehr sie sich verflossene Woche abgearbeitet, um in ihren Häusern aufzuräumen und das Küchengeschirr zu scheuern, was vor dem Paschafeste geschehen muss, damit kein einziges Brosämchen der gefäuerten Bröte daran kleben bleibe. Auch von der Mühseligkeit beim Backen der ungesäuerten Bröte sprachen die beiden Frauen. Die Fläsch hatte noch besondere Beklagnisse; im Backhause der Gemeinde musste sie viel Ärger erleiden, nach der Entscheidung des Looses konnte sie dort erst in den lezten Tagen, am Vorabend des Festes, und erst spät Nachmittags zum Backen gelangen, die alte Hanne hatte den Teich schlecht geknetet, die Mägde rollten mit ihren Wergelhölzern den Teig viel zu dünn, die Hälfte der Bröte verbrannte im Ofen, und außerdem regnete es so stark, dass es durch das bretterne Dach des Backhauses beständig tröpfelte, und sie mussten sich dort, nass und müde, bis tief in die Nacht abarbeiten.

„Und daran, liebe Flörsheim"-sezte die Fläsch hinzu. mit einer schonenden Freundlichkeit, die keineswegs ächt wardaran waren Sie auch ein bisschen Schuld, weil Sie mir nicht Ihre Leute zur Hilfeleistung beim Backen geschickt haben."

„Ach, Verzeihung“ erwiderte die Andere „meine Leute waren zu sehr beschäftigt, die Messwaaren müssen verpackt werden, wir haben jest so Viel zu thun, mein Mann.

"Ich weiß," fiel ihr die Fläsch mit schneidend hastigem Tone in die Rede - ich weiß, ihr habt Viel zu thun, viel' Pfänder und gute Geschäfte, und Halsfetten ..

Eben wollte ein giftiges Wort den Lippen der Sprecherin entgleiten, und die Flörsheim ward schon roth wie ein Krebs, als plöglich Hündchen Reiß laut aufkreischte: „Um Gottes Willen, die fremde Frau liegt und stirbt . Wasser! Wasser!"

Die schöne Sara lag in Ohnmacht, blass wie der Tod, und um sie herum drängte sich ein Schwarm von Weibern, geschäftig und jammernd. Die Eine hielt ihr den Kopf,

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