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die einzelnen Seelen besorgten Demagogenthums hatte, da sie selbst auf Schritt und Tritt den Complex aller Gesezesvorschriften in jedem Moment darstellten und die Spuren harter Askese und vielfacher Enthaltung in trüben Mienen zur Schau trugen, so betrachtete der gemeine Mann den Pharisäer mit der Verehrung, die der Hindu dem „von Bußkraft leuchtenden" Brahmanen zollt, während die vornehme, barsche und auf das gemein Gesetzliche dringende sadducäische Priesterschaft dem Volk verhaßt war. 1

In der That hatte die Jsolirung von dem Volksleben die Aristokratie nicht liebenswürdiger gemacht, und der Talmud hat über die in unserer Periode herrschenden Sadducäerfamilien jenen fünffachen Weheruf erhalten, dessen Berechtigung nach den Berichten des Josephus nicht zu bezweifeln ist. Um so heller strahlte daher der Ruhm der Pharisäer, deren Losung das schöne Wort Hillels war: Trenne Dich nicht von der Gemeinde" und die ihr ganzes Leben dem Volke weihten. 3

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„Dein Haus sei geöffnet gegen die Straße, sagte ein Schüler Hillels in seinem Geist, und die Armen seien die Kinder Deines Hauses“ und selbst der strenge Schammai ließ sich vernehmen: Sprich wenig, thue viel und nimm alle Menschen auf mit freundlichen Geberden."5

Dazu kam dann freilich, daß die Pharisäer den Nationalhaß und das religiöse Vorurtheil gegen die römische Oberherrschaft theilten und förderten und den volksverhaßten Herodäern als geschworne Feinde gegenüberstanden, während die Sadducäer, dem jeweiligen Regiment devot ergeben, sich untereinander in Familienzwistigkeiten bekämpften, die dem gemeinen Mann unverständlich und darum verwerflich waren. Allerdings fehlte es auch an Widerspruch gegen die forcirte Frömmigkeit der Pharisäer nicht, wie ja nicht selten das Volk Das verspottet, was es zugleich officiell verehrt. Den Frömmsten legte man lächerliche Uebernamen bei und theilte sie in Klassen, nach der Art ihrer Uebertreibungen: in „Schleppfüße“, die so erschöpft sind vom Fasten, daß sie nicht gehn können wie andere

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4. Pirk. 10, 6. Bell.

1. Ant. XIII; 10, 6. XVII; 2, 4. XVIII; 1, 3. 4. Bell. II; 8, 14. 2. Vgl. oben S. 66. 3. Pirke Ab. II; 4. Ant. XIII; 10, 6. 5. ibid. 1, 5. 15; 2, 7. 6. Ant. XVIII; 1, 4. XIII; 7. Mth. 6, 2. 5. 16; 9, 11. 14; 12, 2; 23, 5. 15. 23. Luc. 5, 11, 39; 18, 12. Johann. 9, 16. Pirke Aboth 1, 16. Ant. XVII;

Ab. 2, 11.

II; 8, 14.

30; 6, 2. 7;

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Leute, in Blutrünstige", die sich die Stirne anrennen, weil sie stets
mit niedergeschlagenen Augen einhergehn, in „Mörser-Pharisäer“, die
zusammengeklappt wie der Griff eines Mörsers einherwandeln, in
„Bucklige“, die den Kopf hängen, in „Allesmacher“, die stets auf
der Lauer sind, wie sie ein Gesetz erfüllen können, in Gefärbte",
denen man von Weitem die fromme Manier ansicht.
Aber trot
diesem scharfen Auge für die Auswüchse der Richtung war im Grund
das Volk selbst pharisäisch gesinnt und trug seine Lehrer auf den
Händen.

1

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So läßt sich denn die gegenseitige Stellung der beiden Parteien folgendermaßen zusammenfassen. Der Gegensatz zwischen Beiden ist wesentlich der eines herrschenden Priester- und Richterkreises, gegenüber einer fromm aufgeregten und aufregenden demokratischen Partei. Je mehr die Pharisäer sich in Uebertreibungen der religiösen Vorschriften, in bizarren Verzerrungen des mosaischen Wesens gefielen; je mehr ihrer die Sabbathsgesetze in's Lächerliche utrirten, die Reinheitsangst zur Carricatur weiterbildeten; je überschwänglicher sie sich auf göttliche Eingebungen und unmittelbaren Verkehr mit höheren Geistern beriefen, je heißblütigere Erwartungen sie von dem eintretenden messianischen Reiche hegten, zu dem David und die Propheten wiederkehren sollten; in je wahnsinnigerer Politik sie sich dem idumäischen Hause und der römischen Uebermacht zugleich entgegensetzten, am Volke hezten, schoben, vorwärtsdrängten um so fühler, hochmüthiger, vornehmer schloß sich der besitzende Stand, schloß sich die Aristokratie von allen diesen Bewegungen ab, um so zäher leistete sie allen diesen Neuerungen Widerstand; um so entschiedener zog sie sich auf das geschriebene Gesch zurück, das von all den apokalyptischen Phantastereien nichts wisse und weder Engel noch Auferstehung lehre.

Der Verlauf dieses Kampfes zwischen Pharisäern und Sadducäern war endlich kein anderer als bei allen andern Nationen. Noch nirgends im Kampf zwischen Demokratie und Aristokratie hat zuletzt die Aristokratie das Schlachtfeld behauptet. So sehen wir auch im Verlauf unserer Periode die Volkspartei immer weiter vordringen. Die Pharisäer herrschen im Volk, sie leiten das Synedrium; in den Kreis der herodäischen Familie selbst reicht ihr Einfluß, und schließlich erleben sie den Triumph, daß alle thatenlustigen jüngern Glieder der Aristokratie zu ihnen übergehn.2 Während sie zu Herodes Zeit noch

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beiläufig sechstausend Mitglieder zählten, konnte man zu Ausgang der jüdischen Geschichte schließlich alle Schriftgelehrten unter sie rechnen.

„Die Pharisäer, so berichtet der Schriftsteller, der die legten Kämpfe des jüdischen Staatslebens mit durchgekämpft hat, besitzen im Volke einen solchen Einfluß, daß sämmtliche gottesdienstlichen Verrichtungen, Opfer und Gebete nur mit ihrem Gutdünken dargebracht werden; ein so rühmliches Zeugniß gaben ihnen die Gemeinden, weil man überzeugt war, daß sie in Wort und That nur das Edelste suchten. Die Sadducäer sind nur wenige Männer; diese gehören freilich zu den vornehmsten Ständen, sie richten aber nichts Bedeutendes aus. Wenn sie ein Mal gezwungen und den Umständen zu Liebe ein Amt annehmen, so schließen sie sich an die Pharisäer an, indem das Volk sie sonst nicht dulden würde." 2

So waren die Männer des Amts den Führern der Partei zum Opfer gefallen. Die Beredtsamkeit der Synagoge hatte den Sieg davongetragen über den Glanz des Tempels, aber freilich nur, um dem Staat einen Abgrund zu graben, in dem Tempel und Schule zumal versank.

2. Die Essäer.

Die gleiche Sehnsucht nach Verwirklichung des Gesetzes, die den Pharisäer so rastlos im öffentlichen Leben umhertrieb, um das Volk zu fördern, anzuspornen und weiter zu treiben, diese selbe Sehnsucht hat den Essäer in die Einsamkeit geführt, um da an sich wenigstens das Ideal jüdischer Reinheit zu schaffen, für das das Volk im Ganzen noch unreif schien. Wie Einzelne als Nasiräer die Blüthe der theokratischen Reinheit sich zu erringen dachten, und in dieser Zeit das Najiräat fast eine alltägliche Erscheinung ward, so finden wir in den Essäern ganze Vereine, die wesentlich die Vorschriften des alttestamentlichen Nasiräats einhalten. Auch sie sind, wie die Pharisäer, ein Nachtrich des chasidäischen Gesezescifers der

1. Ant. XVII; 2, 4. 2. Ant. XVIII; 1, 3. 4.

Freiheitskriege, aber um die Weihe ihrer Reinigungen sich zu bewahren, zogen sie sich aus dem öffentlichen Leben ganz zurück. Ihnen waren die Pharisäer noch längst nicht vorsichtig genug, wie denn im Talmud der Essäer gelegentlich den Pharisäer des Leichtsinns beschuldigt. '

Die Forderung gesetzlicher Reinheit hat nämlich das Eigene, daß sie kein Einzelner für sich durchführen kann, so lange er der befleckenden Berührung der Andern unterliegt, sondern daß sie nur in gemeinsamer Arbeit oder in absoluter Einsamkeit sich crringen läßt. Von Haus aus muß solche Absonderung auch Gedanke der Pharisäer gewesen sein, allein im Lauf der Entwicklung verdienten sie ihren Namen der „Abgesonderten" immer weniger, da sie ja geflissentlich die Menge suchten, um auf sie zu wirken, da sie Wasser und Land umzogen, um einen Judengenossen zu machen und an allen Ecken und auf allen öffentlichen Plägen ihre Frömmigkeit zur Schau stellten. Damit hatte man aber auf jenes Jdeal der Reinheit verzichtet, das ursprünglich erreicht werden wollte. So erklärt es sich, daß strengere Kreise aus dem Zusammenhang des nationalen Lebens überhaupt ausschieden, um in eigenen Colonien es mit jenem höchsten Ideal der Zeit zu versuchen, dessen Verwirklichung im Getümmel der Städte unmöglich war,2 während Andere als Wüsteneinsiedler auf eigene Faust dem gleichen Ziele nachstrebten.

Die ersten Anfänge dieser Siedeleien entziehen sich der geschichtlichen Kunde, aber wer die Gegend zwischen Jerusalem und dem. todten Meer, jene steinige Hochebene durchwanderte, die von schmalen, zum Theil schattigen und wiesengrünen Schluchten durchrissen, zum Salzsee abstürzt, der traf eine Reihe solcher effäischen Colonien. Ihre nach dem Gesetz abgemessene, melancholische Haltung und das durch den Zwang umfassender Ordnungen streng geregelte Leben machte leicht dem Fremden den Eindruck, als ob hier eine Reihe von Lebensmüden nicht zum Gottesreich, sondern zum Tod sich vorbereitete.

1. Bgl. Grätz 3, 468. – 2. κωμηδὸν οἰκοῦσι, τὰς πόλεις ἐκτρεπόμενοι διὰ τὰς τῶν πολιτευομένων χειροήθεις ἀνομίας. Philo, Quod omn. pr. l. Frankf. Ausg. 876. Bellum II; 8, 4 scheint zwar eigne Ordensstädte auszuschließen, allein Philo und Plinius stehen dagegen, sowie die Beschreibung des Josephus selbst. §. 7-9.

Die Essäer.

Auf der westlichen Seite des todten Meers, erzählt Plinius 1 in seiner im Jahr 77 vollendeten Naturgeschichte, so nahe als es die ungesunden Ufer gestatten, wohnen die Essener, ein einsames und vor allen andern des ganzen Erdkreises wunderliches Volk, das, jeder Wollust entsagend, ohne Weiber, ohne Geld und nur in Gesellschaft seiner Palmen lebt. Durch die täglich Hinzukommenden pflanzt sich diese Gesellschaft immer gleichmäßig fort; denn die Zahl der Lebensmüden, welche sich durch die Stürme des Schicksals zur Annahme ihrer Sitten gedrungen fühlen, ist bedeutend. Auf solche Weise dauert, was gewiß unglaublich scheint, ein Volk, bei dem Niemand geboren wird, durch Tausende von Jahrhunderten fort. So ergiebig ist für Jene der Lebensüberdruß Anderer!"

Die vitae poenitentia", von der Plinius hier spricht, war nun allerdings der Beweggrund dieser Absonderung nicht, sondern eine Reinheitsangst, die freilich in diesem Umfang sich in keiner Weise aus dem Mosaismus selbst erklären läßt, sondern aus jener Vorstellung abgeleitet werden muß, mit der die Juden im Verlauf der persischen Zeit sich vertraut gemacht hatten, daß die Materie an sich unrein und sündig sei, ein Reich der bösen Geister, während alles Licht und alle Klarheit drüben im Reiche der Gottheit liege.2

1. Plin. hist. nat. V; 17, 4. 2. Wie viel alexandrinische Religionsphilosophie dabei in die effäischen Theorien herübergewirkt habe, wird schwer zu constatiren sein. Wir bemerken nur, daß man bei Josephus, will man ein richtiges Bild bekommen, überall die hellenisirenden Farben wegwischen, nicht nachfärben muß, und in so fern scheinen Hilgenfeld und Nitschl_kritischer zu operiren als diejenigen, die das in's Pythagoräische Spielende seiner Schilderungen möglichst herausheben. Wenn man sonst so verfahren wollte, müßte man auch die Sadducäer von den Epikuräern und die Pharisäer von den Stoikern herleiten, wozu man in Betreff der Die Therapeuten Philo's Ersteren wenigstens auch schon auf bestem Wege war. sind in dem Folgenden ganz bei Seite gelassen. Ein ägyptischer und ein palästi. nenfischer Borwurf geben zusammen kein stereoskopisches Bild, sondern Nebelfiguren. Es ist darum hier lediglich auf die Stelle in Philo's: Quod omnis probus liber (Frankf. Ausg. 876-879. Mang. II, 447-470) Bezug genommen. Auch diesen Tractat für unächt zu erklären, wie Gräß thut, liegt gar kein vernünftiger Grund

vor.

Daß die Statistik der Essäer zur Zeit Vespasians dieselbe gewesen sein soll, wie zur Zeit Caligula's, ist allerdings unwahrscheinlich, erklärt sich aber einfach daraus, daß osephus sehr häufig Philo abschreibt. Außerdem gehört die Stelle aus der Apol. pro Jud. ap. Eus. praep. ev. 8, 11 noch hieher. Mang. II, 633. Für die Beurtheilung der vita cont. ist Philostr. Apoll. v. Tyana lib. 6 nicht unwesentlich.

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