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1. Der Gegensah der Nationalitäten.

Die eigenthümliche atmosphärische Spannung, die so drückend auf dem Zudenthum der neutestamentlichen Zeit lag und mehrere Geschlechter in der Erwartung bevorstehender Weltkatastrophen erhielt, war wesentlich durch das Aufeinandertreffen zweier Volksindividualitäten veranlaßt, die durchaus entgegengesetzten Polen angehörten.1

Es gibt in der Geschichte wenig so eigenthümliche Gegensätze wie den zwischen Rom und Jerusalem, der von nun an Jahrhunderte lang die geistige Welt bewegte.

Die Rücksichtslosigkeit logischer Consequenz auf der einen und die Gluth religiöser Begeisterung auf der anderen Seite traten in beiden Nationen sich schroff gegenüber, und als zwischen ihnen der Kampf entbrannte, der Anfangs für einen gleichgültigen Grenzkrieg galt, da stellte sich bald heraus, daß zwischen diesen historischen. Mächten ein Frieden nicht denkbar sei. Nachdem die Siege des Pompejus auch Palästina dem römischen Adler unterworfen hatten, hatte es Rom versucht, den neugeschaffenen Vasallenstaat sich langjam zu assimiliren. Allein die römische Staatskunst traf hier auf einen Widerstand, den sie weder an den Ufern des Rhein, noch an den Gestaden des Nil hatte kennen lernen. Die Geschichte der letzten Jahrhunderte hatte dies Volk dazu erzogen, in seinem väterlichen Brauch sein Ein und Allez zu sehn. Aus den Drangsalen des Erils, aus der Zucht der Propheten, aus den Nöthen der makkabäischen

1. Das Folgende ist z. Th. abgedruckt aus Flavius Josephus von A. Hausrath, Sybels Hist. Zeitschr. Bd. 12, p. 885 ff. Jahrg. 1864 und Herodes Agrippa in Gelzers Prot. Monatsbl. von A. H. Jahrg. 26, p. 96, 1865.

Freiheitskriege war ein Volk hervorgegangen, dessen ganzes Leben in eins gewachsen war mit dem Gesetz; ein Volk, dessen Weiber lieber unerhörte Martyrien erduldeten, che sie unreine Speise ge= nossen, und dessen Männer lieber ihren Nacken den Waffen der Feinde schußlos preisgaben, als daß sie am Sabbath den Knauf des Schwertes berührt hätten. Das ganze öffentliche Leben war hineingegossen in diese religiösen Formen. Nichts war des Einzelnen Willkür überlassen. Vom Jahresanfang bis zum Jahresende waren Feste und Gebräuche, waren die Tage der Arbeit und der Ruhe, waren die Gebete und Lieder, Reinigungen und Lustrationen, waren die Waschungen und selbst die Speisen dem Einzelnen vorgezeichnet Stunde für Stunde. ?

In der genauen Erfüllung dieser Gebote besteht für den Einzelnen die religiöse Weihe, die Gerechtigkeit des Gesetzes, die levitische Reinheit, ohne die er keinen Theil hat an den Segnungen der Theofratie. Daher die peinliche Reinheitsangst, die alle Stände beherrscht. Selbst der gemeine Jude meidet die verunreinigenden Wege der Heiden und der Samariter Städte, der Pharisäer meidet die gemeine Menge, der Essäer meidet die ganze Menschheit, und selbst die Genossen des eigenen Bunds sind ihm nicht alle rein.

Durch all diese Bräuche und Uebungen scheint dem Zuden über das Land selbst eine heilige Weihe gegossen. Eine religiöse, nicht eine patriotische Empfindung ist es darum, mit der er sein Vaterland anschaut. Der Boden ist ihm ein heiliger Boden durch das Zehnten seines Ertrags, die Städte sind ihm gereinigt durch den Ausschluß alles Unreinen, Jerusalem ist geweiht durch das tägliche Opfer, und über all diesen Stufen von Heiligkeit erhebt sich der Tempelberg mit seinen Höfen und zu oberst das Allerheiligste, wo Gott periönlich wohnt. 3

Bei dieser mystischen Vorstellung, die der Jude von dem geweihten Boden Palästinas hatte, war es ihm mehr als ein nationales Unglück, es war eine religiöse Schändung, daß die Füße der Heiden den heiligen Boden von Jerusalem treten sollten und ihre Gräuel in dem geweihten Umkreis der Städte ausüben. Ja es läßt sich leicht ermessen, welche Empfindungen ihn bewegten, wenn er, der selbst im Umgang mit den Volksgenossen eine solche Menge von

1. Apion 1, 8; 2, 30. 38. 2. Apion 12, 2 und 17-25. 1, 6 ff. bei Jost, Gesch. des Judeuth. i, 155,

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Reinigungen, Waschungen und Lustrationen nöthig hatte, nun hülflos Tag für Tag der befleckenden Berührung der Heiden preisgegeben war. Denn wie viele Römer werden es gewesen sein, die mit dem Hauptmann von Kapernaum zu den Lehrern sprachen: „Ich bin nicht würdig, daß Du unter mein Dach gehest und ich habe mich selbst nicht würdig geachtet, Dir nahe zu treten."? Und doch war gerade darin das Volk so unendlich empfindlich, so daß keines Weibes Sohn Priester werden konnte, das in Kriegsgefangenschaft der Heiden ge= rathen war und dadurch den Verdacht der Unreinheit und heidnischen Abstammung auf ihre Kinder vererbte. 2 Wie mußte da Entsegen den jüdischen Mann ergreifen, wenn in das Allerheiligste, das selbst der Hohepriester nach tausend und aber tausend Weihen nur ein Mal im Jahr betreten durfte, wenn in diesen furchtbaren Raum ein Pompejus mit seinen römischen Offizieren eindrang, höhnisch die kahlen Wände desselben musterte und italienische Flüche den Gott lästerten, dessen Namen auch nur auszusprechen dem Jsraeliten verboten war.

Wie ein furchtbarer Fluch lag das Alles auf dem Herzen des Volks; die Nabbinen klagen, daß, seit der heilige Bann gebrochen jei, die Blumen ihren Duft, die Früchte ihren Geschmack, die Felder ihren Ertrag verloren hätten; 3 die Patrioten aber betrachteten mit glühenden Augen die römischen Posten, die neben dem Tempel ihre Standarten aufpflanzten und durch ihre Gräuel Jehovah's Zorn über das Land herabziehn. Dazu kam denn, daß die Römer selbst nichts thaten, was der jüdischen Empfindlichkeit ihre Anwesenheit einigermaßen hätte erleichtern können. Denn was das Schlimmste war an diejen Verhältnissen: beide Völker verstanden sich nicht. Die Römer haben es nie begriffen, was diese theokratische Welt mit ihren Seltiamkeiten, mit ihren das ganze Leben umspannenden Gewohnheiten bedeuten wolle. Ihr eigenes Staatsleben war auf äußere Zweckmäßigkeit und innere Logik, kurz auf rein praktische Rücksichten ge= baut und berechnet, das theokratische Staatswesen dagegen war

1. Luc. 7, 6.

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3. Mischna Sotah Vgl namentlich das

Ant. XIII; 10, 5. 2. Apion 1, 7. 9. 2—15. Auszüge bei Gfrörer, Jahrh. d. Heils 2, 196. Wort Rabbi Simeons, des Sohnes Gamaliels: „Von dem Tage, da der Tempel zerstört worden, ist kein Tag ohne Fluch, der Thau des Segens fällt nicht mehr, und der Geschmack der Früchte ist dahin," und die Variationen darüber. Das Motiv ftammt aus 1 Mac. 1, 21–28. Vgl. auch Psalt. Salom. 17, 25 ff.

durchaus ideell, Symbol eines Gedankens und nur zu verstehen aus dem Zusammenhang einer ganz bestimmten Weltanschauung. Wer diesen Zusammenhang nicht zu begreifen, diesen Schlüssel nicht zu finden vermochte, dem mochte leicht die ganze Theokratie als eine Ausgeburt rabbinischen Aberwizes, als ein wunderliches Gewebe abenteuerlicher Thorheiten erscheinen, und wenn er auch den besten Willen mitgebracht hätte, er hätte doch beleidigen und verlegen müssen, auch da, wo er es am wenigsten dachte und denken konnte.

Leider war von solchem guten Willen aber überhaupt nichts zu verspüren. Pompejus hatte mit der Schändung des Tempels begonnen, und seine Nachfolger hatten dem Volke keine von allen den Erniedrigungen erspart, die die Knechtschaft mit sich bringt. Sie hatten den Mörder des makkabäischen Königshauses, den Freund der verhaßten Samariter dem Lande zum König gesezt. Ihre Procuratoren hatten das Land ausgesogen bis auf's Mark, das Volk gepeinigt bis auf's Blut und auf Schritt und Tritt der nationalen Empfindlichkeit in's Angesicht geschlagen.

Kein Wunder, daß da die Rabbinen in Rom das vierte Thier des Danielbuches erkannten, das Thier mit eisernen Zähnen und chernen Klauen, das um sich frißt, zermalmt und das heilige Volk unter seine Füße tritt."1 "Du bist die Bestie, läßt einer der letzten Sprecher dieser Zeit, der das Aeußerste und Schwerste erduldet hat, den Messias zum römischen Adler sprechen, welche von den vier Bestien übrig ist, die ich in meiner Welt hatte herrschen lassen, und zu dem Ende, daß durch sie das Ende dieser Zeit komme. . . Du hast das Land nicht mit Recht gerichtet; denn Du hast die Friedsamen bedrängt, die Ruhigen verlegt, die Verläugner geliebt, die Treuen gehaßt, und die Burgen derer zerstört, die Frucht brachten, und die Mauern derer, die Dich nicht verlegt haben. Und deine Schändlichkeit ist aufgestiegen zum Höchsten und dein Uebermuth zu dem Starken . . . deßwegen sollst Du zu Grund gehn, du Adler, und deine fürchterlichen Flügel und deine grundschlechten Schwingen, und deine verruchten Häupter und deine durchaus schändlichen Krallen, und dein ganzer verruchter Leib, auf daß das ganze Land Grquickung finde und frei werde von deiner Gewalt und auf Gericht und Barmherzigkeit dessen hoffe, der es geschaffen hat." 2

1. Dan. 7, 19. 2. 4 Esra 11, 38-46.

Einer solchen extremen Betrachtung des Gegners von Seiten des Judenthums stand auf der Seite des Siegers das Stärkste gegenüber, was die Menschenbrust an Hohn, Verachtung und Geringschätzung zu empfinden vermag, eine Reihe von antipathischen Gefühlen, die in gleichem Verhältniß mit dem jüdischen Haß von Jahrzehnt zu Jahrzehnt sich steigerten.

Die Abneigung gegen die jüdischen Bräuche war freilich nicht von gestern her. Schon unter Simon Makkabäus beklagte die alerandrinische Sibylle ihr Volk:

„Jegliches Land und jegliches Meer ist von Dir erfüllet;

Aber ein Jeglicher ist unwillig ob Deiner Gewöhnung." 1 Auch die Römer hatten die Juden zuerst als Diaspora der Hauptstadt kennen lernen. Abgesehen nämlich von der zahlreichen handeltreibenden kleinasiatischen und ägyptischen Judenschaft gab es auch in Palästina schon damals Viele, die mit den Handelsleuten des Jakobusbriefs dachten: „Heute oder morgen wollen wir in die Stadt reisen und daselbst ein Jahr zubringen und Handel treiben und gewinnen." 2

Ihre Geschäftsverbindungen sicherten ihnen Einfluß und ihre Synagogen fanden Proselyten. 3 Mit der ihnen eigenen Rührigkeit pflegten sie, wo es sich um ihre Interessen handelte, in der Volksversammlung zu hehen und bestachen den Pöbel, alle Ausfälle der Redner gegen sie mit Geschrei und Lärm zu beantworten. + Cicero rechnet es sich darum zum Muth an, daß er im Jahr 59 Flaccus vertheidigte, der einigen kleinasiatischen Judengemeinden ihre Tempelsteuer entfremdet hatte.

In den Provinzen führten sie einen hartnäckigen Kampf um gesonderte Gerichtsbarkeit. Vom Kriegsdienst wollten sie frei sein, und die Zähigkeit, mit der sie auch als Soldaten ihren Gesetzesvorschriften anhingen, erzwang meistens, daß man sie, wie es in den Decreten heißt,,,deóidauovías Evexa“ für militärfrei sprach. 5 Mit Strenge machte man sie zuweilen zu Märtyrern, nur selten zu Soldaten. Im Widerspruch mit den Gesezen gegen Geldausfuhr

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1. Sib. III, 271 f. 2. Jac. 4, 13. 3. Cicero, Pro Flacco 28: "Quemadmodum Judaei multos ad suam superstitionem pertrahere proselytasque vel cogendo facere solent. Vgl. Hor. Sat. 1; 9, 61. 4. Cic. pro Flacco 28. 5. Ant. XIV; 10. XIX; 5, 3. Philo, Leg. 1036. Ap. 1, 22.

6. Ant. XVIII; 3, 5.

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