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gar keine zu suchen sind. Der Rabbi, der Hieronymus im Hebräischen unterrichtete und demnach doch noch einer ältern Schule angehört, erklärte Kohelet 9, 14. 15 folgendermaßen. „Ich sah, daß eine kleine Stadt war, sagt der Tert, und wenig Leute drinnen, und es fam ein großer König und belagerte sie und in ihr war ein weiser Mann, deß Niemand gedachte. Die kleine Stadt ist der Mensch, den ja auch die Philosophen den Mikrokosmus nennen. Der Feind, der die Stadt belagert, ist der Teufel. Der weise Mann, deß Niemand gedenkt, ist das Gewissen." 1

Dieser populäre Lehrton, der hier noch durchklingt, ist ohne Zweifel in der Zeit, in der die Rede der Lehrer dem Volk im GroBen galt, noch weit mehr gebräuchlich gewesen, wie ja auch Jesus denselben mit Vorliebe anschlug.

6. Die Schriftgelehrsamkeit.

Neben der hervorragenden Stellung, die die Rabbinen im öffentlichen Leben einnahmen, ist es nun für das Verständniß unserer Zeit nur noch von nebensächlicher Bedeutung, welches ihre im enge= ren Sinn gelehrte Thätigkeit gewesen sei. Wir greifen daher aus diesem weitschichtigen Gebiet nur Das heraus, was geeignet ist, die neutestamentliche Literatur von irgend einer Seite her zu erläutern.

Philo's Abhandlungen, die Alterthümer des Josephus und die Jubiläen beweisen, daß in den Schulen damals schon die Resultate einer in frühere Jahrhunderte hinaufreichenden Arbeit des Schriftstudiums und der Schrifterklärung forterbten. Manche Schwierigfeiten und manche Lücken der Erzählung der heiligen Geschichte waren entdeckt und durch künstliche Erklärung oder durch neu erdichtete oder von andern Völkern gelernte Fabeln gelöst und ausgefüllt worden. Manches dogmatisch Anstößige wurde wegerklärt. Es hatte sich bereits eine gewisse Ueberlieferung in der Auslegung und eine Anzahl Sagen über die Vorzeit gebildet, die zum Theil schon eben so willig geglaubt wurden, wie die kanonischen Erzählungen selbst.

1. Hieron Cohel. 9, 14 f.

So hatte man, wie die Jubiläen beweisen, sich die Frage aufgeworfen, wer denn dabei gewesen, als Gott die Welt geschaffen habe, da man jedes Tagewerk aufzuzählen wisse, und getröstete sich einer Offenbarung, in der der Engel des Angesichts Mose die Schöpfungsgeschichte mitgetheilt habe. Derselbe Verfasser weiß, seit welchem Tage den Thieren der Mund verschlossen worden ist, so daß sie nicht mehr sprechen können, wie die Schlange gesprochen hatte. Er weiß, wie der Teufel sich mit Gott in die Welt getheilt. Er weiß genau, woher die Erzväter ihre Weiber haben, mit wessen Hülfe Noah die Thiere in seine Arche brachte, wie der hamitische Stamm der Kanaanäer und der japhetische der Meder in semitisches Stammgebiet kamen; warum Rebekka eine so große Vorliebe für Jakob hatte, warum Esau, bei einer Hungersnoth, seine Erstgeburt so wohlfeil verkaufte, warum Aunan sich weigerte, die Tamar zu ehelichen, warum das Kind Mose in dem Kästchen erhalten bleiben. konnte und was sonst für einen grübelnden Rabbinen wichtige Dinge sind.

Auch die Namen der Weiber von Adam bis auf Terach und die Weiber der Söhne Jakobs sind ihm bekannt, und nicht minder das Land, wohin Adam aus dem Paradiese kam. Deßgleichen der Name der Spitze des Ararat, wo die Arche Noah auffaß. Auch erzählt er Abrahams. Jugendthaten, wie er sich in der zweiten Jahrwoche von seinem Vater absondert, um die Gößen zu meiden, wie er als Kind von 14 Jahren den Rabenschwärmen verbot, sich auf frischbesäten Feldern niederzulassen, wie er den Chaldäern Pflüge und Säemaschinen erfand und gleich Herkules in 10 Versuchungen. sich als Held erwies. 1

Namentlich romantisch ist der letzte Kampf Esau's gegen Jakob in den Jubiläen. ausgemalt und, in Form einer Familiengeschichte, das Verhältniß der Erzväter zu ihren Enkeln und Großvätern, zu ihren Kindern und Schwiegereltern dargelegt, kurz alle Beziehungen derselben vorwärts, rückwärts und zu Gleichzeitigen ausgesponnen.

Ein besonders reicher Sagencyklus hatte sich namentlich um das Leben Mose geschlungen, den wir bei Philo und Josephus ziemlich übereinstimmend erzählt finden.

Philo 3. B. weiß zu berichten, warum Gott gerade zehn Plagen über die Aegypter verhängt habe, er weiß, welche Jehovah durch

1. Ebenso Targ. Hieros. zu Gen. 22, 1. Vgl. auch die ersten Bücher der Antiquitäten des Josephus.

Aaron, welche er durch Moses vollzogen und welche er sich selbst vorbehalten habe und auch die Gründe solcher Vertheilung macht er einleuchtend. Nicht minder wird berichtet, daß Moses im brennenden Dornbusch eine unendlich schöne Gestalt, eine göttliche Wunderform schaute, und Philo legt dar, wie der Dornbusch, den die Flammen nicht verzehren, Israel darstelle, das die Unterdrückung nicht aufzureiben vermöge. 2

Wie für Philo, so sind auch für Josephus solche interpretirende Ausschmückungen, die ihren ersten Ursprung der ausmalenden homiletischen Verarbeitung in der Synagoge verdanken, so objectiv geworden, daß er sie ohne Weiteres als Theil der heiligen Geschichte. berichtet. Entschuldigende Frrthümer der Töchter Loth's, Jugendabenteuer des Gesetzgebers, Prophezeiungen auf ihn von ägyptischen. Weisen, werden mit der gleichen Zuversicht berichtet, wie irgend eine in der Torah selbst enthaltene Erzählung. 3 Und so wurden diese rabbinischen Lehrstücke wohl allgemein in den Schulen behandelt. Auch Paulus zweifelt nicht, daß der Fels, der die dürstenden Jsraeliten in der Wüste getränkt habe, der Messias gewesen sei, welcher dem wandernden Volke in Gestalt eines Felsens nachfolgte. Ebenso weiß Johannes, daß die Bundeslade sowohl als der Mannatopf, die im Allerheiligsten des alten Tempels gestanden hatten, bei Zerstörung desselben durch die Chaldäer in den Himmel entrückt worden seien, um erst im messianischen Reich wieder zum Vorschein zu kommen, und es ließen sich leicht noch andere Beispiele dafür auffinden, wie die Tradition den Werth wirklicher Schriftmäßigkeit mit der Zeit erlangt hatte. Dennoch aber galt die Hagada, das heißt die Summe dieser Erläuterungen, die in den angeblichen und wirklichen Lücken des Tertes einen ganzen Vorrath von Sagen und Zusätzen, fast umfassender als der Schriftinhalt selbst, unterbrachte, für den Theil der Lehre, bei dem auch der freien Phantasie und der scharfsinnigen Combination Spielraum gelassen sei.

Neben dieses kühne Spiel der Phantasie stellte sich aber doch auch wieder eine überaus engherzige Werthschätzung des Buchstabens, die bei dem mechanischen Inspirationsbegriff der Rabbinen freilich unvermeidlich war. Derselbe brachte es mit sich, daß man in allen Zufälligkeiten des Tertes oder der Schreibweise ein besonderes

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1. Philo, Mos. I, Mang. 96. 2. ibidem 19. 3. Ant. II; 9, 2. 4. I Cor. 10, 1. 5. Apoc. 2, 17. 11, 19.

Geheimniß suchte, da man auch die äußerliche Beschaffenheit der Schrift aus keinem Zufall, sondern nur aus einem wohlbewußten göttlichen Willen glaubte erklären zu dürfen. ·

Aus der rhetorischen Wiederholung Jes. 40, 1 „Tröstet, tröstet mein Volk," schließt das Midrasch, daß nunmehr doppelte, schwer wiegende Prophezeiungen beginnen. Das Wort Gen. 2, 7 y hat zwei, weil Gott dem Menschen zwei 721, einen guten und einen bösen Trieb anerschaffen hat.1 So wurde nichts Auffälliges übergangen oder etwa aus der Unvollkommenheit alles menschlichen Schriftwesens erklärt, sondern in jeder ungewöhnlichen Wendung, in jeder unnöthigen Wiederholung, ja selbst in jeder Auslassung eine geuauere Bestimmung des Gesetzes gesucht, der der Gelehrte auf den Grund zu kommen habe. 2 Es entsprang daraus eine Gewohnheit, den Buchstaben zu pressen, der sich kein Schriftgelehrter dieser Zeit entzog. Selbst Paulus beweist, daß die Verheißung von Abraham, 1 Mos. 22, 18, „mit Deinem Namen werden sich segnen alle Völker" nicht von Israel rede, sondern von Jesu, damit, daß er in feiner Septuaginta ἐν τῷ σπέρματί σου in der Gingahl las, woraus er folgert, daß von Einem die Rede sei und nicht von einem Volf.3

Bei dieser Vorstellung von der Wichtigkeit des einzelnen Buchstabens lassen sich auch die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der rabbinischen Masoreten begreifen. Es lag nämlich, wie schon gesagt, die Vervielfältigung der Terte noch immer den Schriftgelehrten ob, und bei dieser intensiven Beschäftigung mit dem für inspirirt gehaltenen Schriftbuchstaben war man damals schon stark in jenen rein äußerlichen Observationen, wie sie die später schriftlich firirte Masorah in so großer Anzahl erhalten hat. Man zählte ab, welches der mittelste Buchstabe der Torah sei, wie oft ein Wort defective oder plene, mit diesem oder jenem Vocale oder Lesezeichen ge= schrieben, mit oder ohne Artikel stehe. Man konstatirte, daß nur zwei Verse der Torah mit □ anfangen (2 Mos. 32, 8 und 4 Mos. 14, 19), man registrirte die einzelnen Vorkommnisse nach Kategorien und Classen und dgl. mehr.

Selbst in das Volk war derartiges Wissen so tief eingedrungen, daß Jesus bei der im Tempel versammelten Menge ohne Weiteres

1. Berachot, bab. 61, a. 2. Philo, de profugis I, Mang. 554. 3. Gal. 3, 16.

die Kenntniß voraussehen kann, welches der erste und welches der Leyte Mord in der Bibel sei, und ihm selbst stand der Tert mit seinen Buchstaben, Ningchen und Häkchen so deutlich vor Augen, daß er in einer Rede, sich steigernd, ausrief: „Kein Buchstabe wird verloren gehen, ja kein Häkchen“ ! 2

Neben der Vervielfältigung der Schrift, die zu solchen Wahrnehmungen Gelegenheit bot, war es nächstdem Aufgabe des Schriftgelehrten, für den Gebrauch der Synagogen Targumim zu fertigen, die der Turgman auswendig zu lernen hatte, damit nicht der Schein entstehe, als wolle man eine zweite Schrift neben die Schrift stellen. Ein zur Zeit Jesu verfaßtes Targum freierer Art ist das des Onkelos zur Torah und das jüngere des Jonathan ben Usiel zu den Propheten.

Bei der eminent praktischen Richtung der Rabbinen auf die Verwirklichung des Gesetzes im Leben war aber selbstverständlich auch das Lehrhaus voll Disputationen über Anwendung der Schriftstellen auf wirkliche Fälle und der Lehrvortrag wesentlich praktische Eregese. Auch hier handelte es sich immer auf's Neue wieder da= rum, aus den Schriftstellen weitere Consequenzen zu ziehen, Begriffe zu spalten, Vorschriften mit einander zu combiniren und an= dere daraus abzuleiten, casuistische Probleme zu erörtern und zu lösen, kurz um alle jene Controversen, deren literärischer Niederschlag schließlich im Talmud zusammenfloß. Rabbi Hillel hatte für den Zweck, traditionelle oder auch neue Vorschriften oder Wahrheiten aus der Torah abzuleiten, sieben Deutungsregeln aufgestellt, vermittelst deren man für die im Gesez implicite enthaltenen Vorschriften den Schriftbeweis herzustellen vermöge. Nach ihm sollte man schließen, 1) vom minder Wichtigen auf das Wichtige und umgefehrt; 2) nach Analogie; 3) aus einem ein Mal vorkommenden allgemeinen Saß der Schrift auf besondere Fälle; 4) aus einem Saz, der sich aus mehreren Stellen ergibt; 5) aus dem Gegensatz des Allgemeinen und Besondern; 6) nach der innern Verwandtschaft der Fälle; 7) nach dem Zusammenhang des Tertes. 3 Ein so vermitteltes Schlußverfahren machte es leicht, die abenteuerlichsten Beweise zu führen, und auf ihm beruhte vornehmlich die sprüchwörtlich gewordene Spitfindigkeit der rabbinischen Schriftbeweise. Wie sehr

1. Mth. 23, 35, nämlich Gen. 4, 8 und 2 Chron. 24, 20. 3. Succa 10. a. Gräts, 3, 175.

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