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das ist Meisterschaft, iningarɛiv, Virtuosität. Wenn ich nun aber überall herumspaziert bin, überall nur dreingeguckt habe, nirgends zugegriffen! Dreingreifen, Packen ist das Wesen jeder Meisterschaft!... Es ist Alles so Blick bei Euch, sagtet Ihr mir oft! Jezt versteh ich's. Es muß gehen oder brechen. Ich möchte beten wie Moses im Koran: Herr, mache mir Raum in meiner engen Brust!“

Und zu dieser zunehmenden Geistesreife trat das Läuterungsfeuer einer tiefen unglücklichen Leidenschaft. Noch nagte an dem warmfühlenden Herzen des herrlichen Jünglings der Schmerz um den tragischen Ausgang der lieblichen Idylle von Sesenheim, und hier drohten noch leidvollere Gefahren und Verwicklungen. Es war der erste schwere Kampf sittlicher Selbstüberwindung, den Goethe mit sich kämpfte, und Goethe blieb Sieger. In das maßlose Ungestüm unendlichen Lebensdranges kam die Einsicht in die Unerläßlichkeit sittlicher Maßbeschränkung.

Schon in Straßburg hatte sich Goethe im ahnenden Verständniß seiner eigensten Natur in sein Tagebuch den Spruch gezeichnet, daß der in der Mitte stehende Charakter, der die fröhliche Lebhaftigkeit eines fähigen Herzens habe, diese aber mit Klugheit zügle, vom höchsten Werth sei; ein Muster zugleich der Weisheit und der Heiterkeit. Jezt wurde ihm das Streben nach diesem Gleichgewicht tief innerste Gesinnung, schmerzvoll erkämpfte Lebenserfahrung.

Zeuge sind die Dichtungen Goethe's, welche aus dieser be= wegten Weglarer Zeit stammen. So durchaus verschiedenartig sie in ihrer äußeren Form sind, durch sie alle geht einheitlich derselbe sittliche Grundgedanke.

Es kann kein Zweifel sein, daß „Wanderers Sturmlied" in diese Zeit fällt. Das beweist der ganze Ton, der mit jenem Briefe an Herder oft bis auf die einzelnen Bilder und Gleichnisse übereinstimmt, das beweisen die ausdrücklichen Hinweisungen auf Pindar und Theokrit und Anakreon. Wohl ist es eine unfreundliche sturm= athmende Gottheit, die der Genius des Jahrhunderts ist; aber Der braucht nicht muthlos vor dem Ziel umzukehren, den die Musen

und die Charitinnen, die reinen, begleiten, und den Alles erwartet, was die Musen und Charitinnen an umkränzender Seligkeit für das Leben haben.

C. G. Carus hat in seiner Schrift „Goethe, dessen Bedeutung für unsere und die kommende Zeit“ fünfzehn biblische Parabeln veröffentlicht, welche aus dem Nachlaß von Sophie La Roche stammen. Es scheint außer Frage, daß dieselben ebenfalls der Weglarer Zeit angehören. Im Hause der Freundin weilte Goethe einige Tage auf seiner Flucht aus Wezlar; und, was wohl zu beachten ist, bereits in Wanderers Sturmlied ist das Gleichniß von der grünenden Kraft der Ceder, das in den mannichfachsten Variationen das immer wiederkehrende Grundmotiv dieser Parabeln ist. Und was ist der Grundgedanke dieser herrlichen kleinen Dichtungen? Stolzes Selbstgefühl des Genius, und klare Einsicht in die unerbittliche Nemesis für jede Ueberhebung.

Und derselbe Ton wehmüthiger Entsagung geht durch das sinnige Gedicht „Adler und Taube", das wahrscheinlich ebenfalls aus dieser Zeit stammt, da es bereits im Göttinger Musenalmanach von 1774 enthalten ist. Der kühne Adlerjüngling, dem des Jägers Pfeil der Schwinge Sennkraft abschnitt, stimmt in das Trostwort der Taube ein, die die Genügsamkeit als das einzig wahre Glück preist. Weisheit, Du redst wie eine Taube."

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Weitaus am schönsten aber, weil in sich befriedigt und versöhnt, ist das Glück stiller Bescheidung in dem unvergleichlichen. Gedicht „Der Wanderer" ausgesprochen. Es ist, wie Goethe an Kestner schreibt, in seinem Garten an einem der schönsten Tage entstanden; „Lotten ganz im Herzen und in einer ruhigen Genüglichkeit all eure künftige Glückseligkeit vor der Seele“. Auf dem plastisch schönheitsvollen Hintergrund antiker Trümmerwelt, in welche sich unbefangen das blühende Leben neuer Geschlechter hineingebaut hat, das plastisch schönheitsvolle Idyllion einfach reinen häuslichen Glücks. Froh erstaunt, neidlos, aber Gleiches ersehnend, schaut der Wanderer diese ideal verklärte Wirklichkeit. „O leite meinen Gang, Natur!, den Fremdlingsreisetritt, den über Gräber heiliger Ver

gangenheit ich wandle... und kehr ich dann am Abend heim zur Hütte, vergoldet vom letzten Sonnenstrahl, laß mich empfangen solch ein Weib, den Knaben auf dem Arm!" Unwillkürlich muß man daran denken, daß mit einem ähnlichen Bilde ideal verklärter Häuslichkeit auch eines der letzten Werke Goethe's, die Geschichte von Wilhelm Meisters Wanderjahren, beginnt.

Einzig in diesem tiefen Zug seiner reinen und maßvollen Natur, in der frühen Erkenntniß von der unbedingten Nothwendig= keit harmonischer Selbstbeherrschung, liegt die treibende Kraft all seines Lebens und Dichtens, liegt insbesondere der Ursprung und das Wesen der gewaltigen Jugenddichtungen Goethe's.

Jene tiefe innere Herzenstragödie zwischen der leidenschaftlichen Ueberschwenglichkeit und den undurchbrechbaren Schranken der festen Weltordnung, an welcher Rousseau zu Grunde ging und welche. Goethe selbst mit so unwiderstehlich großartiger Gluth und Kraft in seinem Werther schilderte, jene tiefe innere Herzenstragödie, welche der Tod und das Verderben so vieler reichbegabter Menschen dieses Zeitalters wurde, sie wurde von Goethe schon in seinen ersten Jünglingsjahren, wenn auch noch nicht voll und ganz ausgekämpft, so doch in ihrer Gefährlichkeit und in der Nothwendigkeit ihrer Lösung erkannt.

Tiefer und ungestümer als in allen den Anderen gährte und arbeitete auch in dieses gottbegnadeten Jünglings stürmenden Her= zen all das grüblerische Brüten und Wühlen, das sich von den bestehenden Zuständen unmuthsvoll abwendete und sich die erhebende Aufgabe stellte, nicht zu ruhen und zu rasten, diese qualvollen Schranken zu durchbrechen und das Verbildete und Verkünftelte wieder zu Natur und Ursprünglichkeit zurückzuführen. Das große Grundthema jener ringenden Zeit, der schmerzreiche Widerspruch zwischen Herz und Welt, Ideal und Wirklichkeit, wo erklingt es mächtiger und ergreifender als im Göz und Werther und in der dämonisch erhabenen Faustdichtung? Was aber Goethe über alle seine Jugend- und Strebensgenossen von Anbeginn himmelhoch hinaushob und ihn zu diesen in entscheidenden Gegensaz stellte, was

bereits seine ersten Werke, mit denen er in die Oeffentlichkeit trat, zu unsterblich klassischen Meisterwerken adelte, das war nicht blos seine unvergleichlich überragende dichterische Gestaltungskraft, sondern vor Allem auch die hohe sittliche Reinheit, mit welcher er sogleich die wilden Dämonen seines tiefbewegten Innern zu bändigen und zu sittlicher Schönheit und Harmonie zu klären wußte.

Die Anderen waren widerstandslos und rathlos der tobenden See preisgegeben; ihm war die unbeirrbare Sicherheit ächter und höchster Genialität fester Leitstern.

2. Frankfurt.

Angeborene Großheit giebt herrliche Thatkraft. So lautet ein Spruch Pindar's, welchen Goethe ausdrücklich in seinem Weglarer Briefe an Herder anführt. Diese Zeit herrlicher Thatkraft war jezt vollauf für ihn gekommen.

Von Wezlar war Goethe im Herbst 1772 wieder nach Frankfurt zurückgekehrt. Auf den Wunsch des Vaters hatte er die Erlaubniß advocatorischer Praxis genommen, um sich den Weg zu städtischen Aemtern zu bahnen. Die Vertheidigungsschriften des jungen Anwalts, welche G. L. Kriegt in den „Deutschen Kulturbildern aus dem 18. Jahrhundert" bekannt gemacht hat, sind ein überaus bezeichnendes Gemisch eines entseglich zopfigen vom Vater sorgsam überwachten Kanzleistils und überall ununterdrückbar hervorquellender Herzenswärme.

Sein eigenstes Wesen aber gehörte nach wie vor einzig seinem Bildungsleben und seinem immer mächtiger reifenden Dichten.

Es war die knospende blüthenprangende Frühlingszeit Goethe's. Nie wieder ist Goethe von so überquellender Ideenkraft, von so wahrhaft unbegreiflicher Fruchtbarkeit und Leichtigkeit des dichterischen Schaffens gewesen als in diesen Frankfurter Jünglingsjahren. In die drei Jahre vom Herbst 1772 bis zum Herbst

1775 fallen Göz und Werther, Clavigo und Stella, die Anfänge des Egmont, die satirischen Possen und Fastnachtsspiele, einige Singspiele, die Entwürfe Mahomet's und des ewigen Juden, Prometheus, eine Reihe der innigsten Lieder und Balladen, und, was so oft in der Schäzung dieser Frankfurter Jahre übersehen wird, die gewaltige Faustdichtung fast schon in dem Umfang, wie sie zuerst 1790 erschien. „Das productive Talent", erzählt Goethe im fünfzehnten Buch von Dichtung und Wahrheit, „verließ mich keinen Augenblick; was ich wachend am Tage gewahr wurde, bildete sich öfters Nachts in regelmäßigen Träumen, und wie ich die Augen aufthat, erschien mir entweder ein wunderliches neues Ganzes oder der Theil eines schon vorhandenen.“ Und im sechzehnten Buch sezt Goethe hinzu: „Beim nächtlichen Erwachen trat derselbe Fall ein; ich hatte oft Lust, wie einer meiner Vorgänger, mir ein ledernes Wamms machen zu lassen und mich zu gewöhnen, im Finstern durch das Gefühl das, was unvermuthet hervorbrach, zu firiren. Ich war so gewohnt, mir ein Liedchen vorzusagen, ohne es wieder zusammenfinden zu können, daß ich einigemale an den Pult rannte und mir nicht die Zeit nahm, einen querliegenden Bogen zurechtzurücken, sondern das Gedicht von Anfang bis zu Ende, ohne mich von der Stelle zu rühren, in der Diagonale her= unterschrieb."

Sogleich Göz von Berlichingen lenkte Aller Augen auf ihn. Werther trug seinen Namen über die ganze Welt. Das gesammte aufstrebende junge Geschlecht ahmte dem jungen Dichter nach und sah in ihm seinen Führer. Von allen Enden kamen bedeutende Fremde, den Wunderjüngling, der so überraschend und kühn wie ein plöglich auftretendes Wundergestirn erschienen war, zu sehen und zu verehren. Aber dieser frühe Ruhm, Eitlen und Schwach= herzigen meist so verderblich, ließ sein unbefangenes, einfach natürliches Wesen durchgus unverändert und spornte ihn nur zu immer neuen Zielen. Einzig in sich selbst lebend, strebend und arbeitend, und, wie er in einem herrlichen Briefe an die Gräfin Auguste von Stolberg sagt, die unschuldigen Gefühle seiner Jugend in kleinen

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