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er mit rührender Bescheidenheit, daß er zwar mit rechter Zuversicht und mit der besten Kraft seiner Seele an diesem Werk gearbeitet habe, daß er es aber nur als Skizze betrachte; des kundigen Freundes Urtheil werde ihm nicht nur jezt, sondern auch für all sein ferneres Schaffen eine zielzeigende Meilensäule sein; bevor er seine Stimme gehört, mache er keine Aenderung, denn er wisse doch, daß alsdann radicale Wiedergeburt geschehen müsse, wenn seine Dichtung zum Leben eingehen solle. Goethe erzählt in seiner Lebensbeschreibung, die Aufnahme von Seiten Herder's sei unfreundlich und hart gewesen. Dies ist ein Gedächtnißfehler. Im Gegen- theil. In den Briefen an seine Braut spricht Herder mehrfach mit wärmster Theilnahme vom Göz als einer wirklich schönen Dichtung von ungemein viel deutscher Stärke, Tiefe und Wahrheit; nur rügt er, daß Manches mehr nur gedacht als vollkräftig geleistet sei. Und in ähnlichem Sinn hat er offenbar auch an Goethe selbst geschrieben; freilich erst nach der langen, für einen jungen Dichter sehr empfindlichen Säumniß von fast einem halben Jahr. Die Antwort Goethe's aus Wezlar vom Juli 1772 nennt Herder's Brief, der leider verloren ist, ein Trostschreiben; dereinst werde das Stück eingeschmolzen, von Schlacken gereinigt, mit neuem edlerem Stoff versezt und umgegossen wieder vor ihm erscheinen, und alles blos Gedachte werde sich dann hoffentlich in Größe und Schönheit entfalten. Ja, wenige Monate darauf erschien Herder's Abhandlung über Shakespeare, die den jungen Dichter öffentlich ansprach, von dem süßen und seiner würdigen Traum, um Shakespeare's Kranz zu ringen, nicht vorzeitig abzulassen.

Offenbar war es auf Anregung Herder's, daß Goethe seitdem einem veränderten Plan nachging. Er scheint in Weylar viel von demselben gesprochen zu haben. In jener heiteren Tischgesellschaft zu Wehlar, welche ihr Beisammensein durch die parodistischen Mummereien eines Ritterordens würzte, führte Goethe den Namen „Göz von Berlichingen, der Redliche". Und in dem wunderlichen Drama „Masuren“, in welchem Goué, die Seele dieses scherzhaften Treibens, seine Erinnerungen aus Wezlar niedergelegt hat, wird Göz von

dem Ritter Fayel gefragt: „Wie weit seid Ihr mit dem Denkmal, das Ihr Eurem Ahnherrn stiften wollt?" Göz antwortet: „Man rückt so allgemach fort. Denk, es soll ein Stück werden, daß Meistern und Gesellen aufs Haupt schlägt." Aber erst in Frankfurt, wohin Goethe aus Wezlar zurückkehrte, wurde die Umformung ernstlich in Angriff genommen. Sie war, wie aus einem Brief Goethe's an Kestner erhellt, im Februar 1773 beendet. Die Herausgabe erfolgte noch im Lauf des Sommers.

Erst nach Goethe's Tode wurde gemäß seiner Bestimmung auch die erste Bearbeitung veröffentlicht. Ein Vergleich läßt die unbestreitbare künstlerische Ueberlegenheit der zweiten erkennen. Alle üppigen Auswüchse, welche der einheitlichen Wirkung Eintrag thaten und namentlich in den lezten Akten die Theilnahme allzusehr auf Adelheid und Weislingen lenkten, sind beschnitten und ausgemerzt. Das lüstern Anstößige, was in dem breit ausgeführten Liebesverhält= niß zwischen Adelheid und Sickingen und zwischen Adelheid und Weislingen's Diener Franz lag, ist gemildert. Die Motivirung der einzelnen Handlungen und Ereignisse ist strenger und eingehender. Manche derbe Roheit der Sprache ist beseitigt. Gleichwohl darf man von jener ersten Bearbeitung nicht gering denken. In ihr vornehmlich fühlt man, was Goethe meinte, wenn er sagt, daß er und seine Gesellen shakespearefest gewesen. Jene nächtliche Zigeunerscene, auf welche, wie Goethe in Wahrheit und Dichtung erzählt, er sich so viel zugutgethan, und die furchtbare Scene zwischen dem Bauernanführer Mezler und der Gemahlin des gefangenen Ritter Otto von Helfenstein sind von so packender Kraft und Lebendigkeit, daß man gar nicht genug die Selbstverleugnung des Dichters bewundern kann, welcher bereits in so jungen Jahren es über sich gewann, auch das Ergreifendste, sobald es seine künstlerische Ueberzeugung verlangte, als tadelhaften Ueberfluß unnachsichtlich über Bord zu werfen.

Der erste Anstoß und die Grundstimmung des Göz ist auf die Abhandlung Justus Möser's „Von dem Faustrecht“ zurückzuführen, welche 1770 in den Osnabrücker Intelligenzblättern erschien; in den „Patriotischen Phantasien“ hat sie die Aufschrift „Der hohe Stil

der Kunst unter den Deutschen". Wir wissen ja durch Goethe selbst, daß ihm die Flugblätter Möser's schon in Straßburg durch Herder bekannt wurden; und wenn Goethe am 28. December 1774 an Möser's Tochter schreibt, daß erst jezt ihm in den Frankfurter Gegenden die Patriotischen Phantasien erschienen seien, so ist klar, daß sich dieser Ausdruck nur auf die eben veröffentlichte Gesammt= ausgabe bezieht.

In dieser Abhandlung hatte Möser die Zeiten des Faustrechts als die herrlichsten Zeiten deutscher Ehrlichkeit, Männlichkeit und Ritterlichkeit gepriesen. Und ganz in demselben Sinn sah der junge Dichter, in dessen Brust die Ideale Rousseau's von der Nothwendig= keit der Rückkehr zu Natur und Ursprünglichkeit glühten, im Zeitalter Marimilian's nicht den heftigen Zusammenstoß des scheidenden Mittelalters und der mächtig sich emporringenden neuen Geschichte, sondern nur das Absterben poesievoller Lebensfrische und Freiheit, das Verblühen der alten Kaiser- und Reichsherrlichkeit, das Versinken des tapferen und stolz unabhängigen Ritterthums in die seige Knechtschaft liebedienerischen Hofadels, das Hereinbrechen schaaler Niedrigkeit. Die erste Bearbeitung hatte die Worte aus Haller's Usong zum Wahlspruch: „Das Unglück ist geschehn, das Herz des Volks ist in den Koth getreten und keiner edlen Begierde mehr fähig.“

Mitten in trüber verfallender Zeit steht Göß, ein legter edler Ritter; ganz auf sich selbst ruhend, nur den Eingebungen ́ seiner biederen treuen und freien Seele folgend, mit starkem Arm und unbezwinglichem Geist sich allen Listen und Schurkereien unerschrocken entgegenstellend. „Ein deutsches Ritterherz empfand mit Pein, In diesem Wust den Trieb, gerecht zu sein,“ Und der Dichter hat dafür gesorgt, daß sich dieses Bild edler Ritterlichkeit und gesunder Manneskraft zu dem bedeutsamen Gegensaß der Gesundheit einfachen Naturlebens und der sittlichen Fäulniß verzwickter Bildung erweitere. Hier Göz, Selbig, Sickingen, von den Fürsten gehaßt, aber die Retter und Helfer aller Bedrängten; dort der Bischof von Bamberg, der Abt, Weislingen, den neuen Zuständen zugethan, und überall nur die Träger der nichtswürdigsten Selbstsucht. Hier Elisabeth,

die schlichte treue deutsche Hausfrau, hier Marie, die fromme sittsame deutsche Jungfrau; dort Adelheid, die höfische Weltdame, von der Koketterie zur Intrigue, von der Intrigue zum Verbrechen stürzend. Hier der ritterliche Reiterknabe Georg und der brave tapfere Lerse; dort der sinnliche treulose Franz, der ebenso ein Spiegel Weislingen's ist wie Georg und Lerse ein Spiegel Berlichingen's. Dem Ritter Göz klagt der Klosterbruder Martin, daß das Beschwerlichste auf der Welt sei, nicht Mensch sein zu dürfen; am Hofe des Bischof von Bamberg schaltet der gelehrte Jurist Olearius, der dem naturwüchsigen Recht volksthümlicher Sitte und Ueberlieferung das fremde römische Recht aufzwängt.

„Freiheit, Freiheit!" ruft Göz sterbend. „Wehe der Nachkommenschaft, die Dich verkennt!" antwortet Lerse. Das ganze Gedicht ist ein Aufschrei der unterdrückten Natur gegen die herrschende Unnatur, eine dringende Mahnung zur Rückkehr aus dem Verlebten und Verkünftelten zu einfach kernhafter Kraft und Tüchtigkeit. Das heiße Sehnen der Zeit nach Natur und Ursprünglichteit hatte hier den ergreifenden dichterischen Ausdruck gefunden. Dazu die packende Gewalt des vaterländischen Stoffes und die ächt deutsche Gesinnung. Bereits die allererste Besprechung, welche erschien, die Besprechung in den Frankfurter Gelehrten Anzeigen (1773. S. 553), hob als das Bezeichnendste hervor, bisher habe man die deutschen Sitten immer nur in den Hermannswäldern gesucht, hier aber seien wir auf ächt deutschem Grund und Boden. Und eine Fülle und Lebendigkeit der dichterischen Gestaltung, ein Glanz und eine Wahrheit der Charaktere, eine Frische und Treue des Localtons, eine Wärme und Herzlichkeit und individualisirende Kraft der Sprache, und jener unaussprechliche Hauch ächter Poesie, wie solche Herrlichkeit seit langen Jahrhunderten, seit der goldenen Zeit Shakespeare's, nicht mehr gesehen worden!

Man fühlte überall, daß ein neuer Tag der deutschen Dichtung gekommen sei.

Als Bürger zum ersten Mal das gewaltige Werk des ihm noch unbekannten Dichters las, schrieb er an Boie: „Edel und frei

dem

wie sein Held tritt der Verfasser den elenden Regelcoder unter die Füße und stellt uns ein ganzes Evenement mit Liebe und bis in seine kleinsten Adern beseelt vor Augen! Glück zu, dem edlen freien Manne, der der Natur gehorsamer als der tyrannischen Kunst war! O Boie, wissen Sie nicht, wer es ist? Sagen Sie mir's, daß ihm meine Ehrfurcht einen Altar baue." (Strodtmann, Briefe von und an Bürger 1, 129.)

Und doch leidet dieses Drama an schweren Gebrechen. Nur ein Dichter, der den Stoff zum klassischen Dichter in sich trug, konnte Göz schaffen; aber Göz selbst ist nichts weniger als ein klassisches Kunstwerk.

Wir wissen jezt Alle, daß die Auffassung ungeschichtlich, die Komposition durchaus undramatisch ist. Weil der Dichter in dem Verfall des mittelalterlichen Feudalwesens nicht den Sieg einer neuen wohlberechtigten Ordnung, sondern nur den Verfall frischer und gesunder Naturkraft erblickt, fehlt der Quellpunkt alles dramatischen Lebens, die treibende Seele einheitlicher und in sich folge= richtiger Handlung, der Kampf naturnothwendiger Gegensäße, in dessen Durchführung und Ausgang sich die siegende Kraft der sitt= lichen Vernunft bethätigt. Der Schluß ist traurig, nicht tragisch, ist peinigend, nicht erhebend und versöhnend. Der Untergang des Helden erscheint als der Untergang alles Reinen und Guten; es wird, heißt es, eine Zeit kommen, in welcher die Nichtswürdigen mit List regieren und die Edlen in ihre Neße fallen werden. Der Dichter hat diesen Fehler gefühlt. Um ihn zu mildern und zu verstecken, ist der Schluß so zart und elegisch. Aber dies ist eine Zartheit und elegische Weichheit, in welcher man den alten streitbaren Recken von früher kaum wieder erkennt. Und statt der Einheit der Handlung nur Einheit der Person, nur lauter einzelne zufällige, in sich zusammenhangslose Erlebnisse und Begebenheiten. Göz ist kein Drama, sondern nur eine dramatisirte Biographie. Göz hat daher auch niemals die Probe dramatischer Aufführung glücklich bestanden, so oft und so verschiedenartig in den verschiedensten Perioden seines Lebens der Dichter selbst diese Probe gemacht hat.

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