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Die Erwartung Merd's erfüllte sich glänzend. Der Roman, welcher hier gemeint ist, war Werther.

Viel tiefer als Göz und selbst als Clavigo ist Werther aus dem innersten Gemüthsleben Goethe's genommen. Noch in seinem hohen Alter, in den Gesprächen mit Eckermann, nennt Goethe diese Dichtung ein Geschöpf, das er gleich dem Pelican mit dem Blut seines eigenen Herzens gefüttert.

Bis in das Einzelnste ist jezt bekannt, inwieweit die unglückliche Liebe Goethe's für Charlotte Buff, die verlobte Braut seines Freun= des Kestner, und seine Beziehungen zu Marimiliane Laroche, der unglücklichen Gattin des Geschäftsmannes Brentano, als äußerer Anlaß und stoffliche Unterlage dienten. Nicht minder, wie für das tragische Ende Werther's der Selbstmord des jungen Jerusalem bis in geringe Einzelheiten hinein zum Vorbild geworden ist. Aber nur um so mehr müssen wir die unvergleichliche Kraft und Kunst des Dichters bewundern, mit welcher er diese Ereignisse zum tief ergreifenden, ächt dichterischen, im höchsten Sinn monumentalen Ausdruck jener grübelnden wühlenden Stimmung zu machen wußte, die damals in dem gesammten jungen Geschlecht unheilvoll umging und an dessen innerstem Lebensmark zehrte.

Weltschmerz! Es ist ein so schmählich entheiligtes Wort; aber für die unruhig leidenschaftliche Wertherstimmung ist es die einzig richtige Bezeichnung. Unter den Einwirkungen Klopstoc's und Gellert's war viel Empfindelei und Schönseligkeit emporgewuchert; Young und Ossian nährten den gegenstandslosen Trübsinn; Shakespeare's gewaltige Dichtung entrollte eine Welt voll That und Leidenschaft, die alle Gemüther entflammte. Was Wunder, daß ein solches Geschlecht dem poesievollen Idealismus Rousseau's, der dem verbildeten Menschenwerk den Spiegel der reinen und unverfälschten Natur vorhielt, von ganzer Seele gehörte und sich prüfungslos sogar an dessen Phantastereien berauschte? Draußen das schleppende geistlose bürgerliche Dasein; tief innen das ununterdrückbare Unendlichkeitsstreben des seine Rechte fühlenden Herzens, das, weil es nirgends Genüge findet, sich nun für diese schaale Welt zu gut

dünkt und, statt ernst und stetig an deren allmählicher Fortbildung zu arbeiten, in unmuthigem Uebermuth eitel und eigenwillig sich in sich zurückzieht. „Daß das Leben des Menschen nur ein Traum sei, ist Manchen schon so vorgekommen, und auch mit mir zieht dieses Gefühl immer herum. Wenn ich die Einschränkung ansehe, in welcher die thätigen und forschenden Kräfte des Menschen eingesperrt sind, wenn ich sehe, wie alle Wirksamkeit da hinausläuft, sich die Befriedigung von Bedürfnissen zu schaffen, die wieder keinen Zweck haben als unsere arme Eristenz zu verlängern, und dann, daß alle Beruhigung über gewisse Punkte des Nachforschens nur eine träumende Resignation ist, da man sich die Wände, zwischen denen man gefangen sigt, mit bunten Gestalten und lichten Aussichten bemalt, das Alles macht mich stumm! Ich kehre in mich selbst zurück und finde eine Welt! Wieder mehr in Ahnung und dunkler Begier als in Darstellung und lebendiger Kraft! Und da schwimmt Alles vor meinen Sinnen und ich lächle dann so träumend weiter in die Welt!"

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Goethe selbst hat dieses Grundmotiv seiner Dichtung scharf und bestimmt ausgesprochen. Wenige Monate nach Vollendung derselben, schreibt er in dem schon angeführten Briefe an Schönborn, er habe in den Leiden des jungen Werther einen jungen Menschen dargestellt, „der mit einer tiefen reinen Empfindung und wahrer Penetration begabt, sich in schwärmende Träume verliert, sich durch Speculation untergräbt, bis er zulezt durch dazutretende unglückliche Leidenschaften, besonders eine endlose Liebe zerrüttet, sich eine Kugel vor den Kopf schießt."

Die Leidensgeschichte Werther's ist die Tragödie eines unge= bändigten empfindsamen Herzens, das lieber der harten und kalten Welt verachtend den Rücken kehrt als daß es das Recht und die Unendlichkeit seines Gefühlslebens kleinmüthig verleugnen möchte.

Nie wieder hat Goethe etwas geschaffen, das eine so hinreißende Gluth mit einer so unbeirrbaren Sicherheit der künstlerischen Ge= nialität verbindet. Wie der Dichter selbst aus jenem tiefen Herzenserlebniß, das der Erfindung des Romans zum Grunde liegt, zwar

schmerzvoll, aber unversehrt hervorging, so ist auch hier in der Dichtung das Recht der sittlichen Vernunft durch den tragischen Untergang des Helden gewahrt und hervorgehoben; und doch glüht und zittert in jeder Zeile die fieberhafte Erregtheit des tiefsten Seelenschmerzes, die unwiderstehliche Allgewalt der Leidenschaft, der drängende Kampf überschwellenden Gefühls gegen die Dürre und Prosa der herrschenden Sitte.

Sogleich die ersten Briefe führen uns in Werther's innerstes Wesen. Eine wehmüthig bewegte Stimmung erfüllt ihn; die Erinnerung an ein geliebtes, aber aufgegebenes Mädchen klingt leise in ihm nach. Ein um so köstlicherer Balsam ist ihm die paradiesische Gegend, in welche er sich einsam zurückgezogen, und die er= quickende Frühlingspracht. Oft möchte er erliegen unter der unaussprechlichen Herrlichkeit dieser Erscheinungen; und am liebsten verkehrt er mit Kindern und mit Menschen aus dem niederen Volk, denn in diesen schaut und genießt er das rein und einfach Menschliche am hellsten und unmittelbarsten. Doch ist schon jezt klar ersichtlich, daß an Werther's Jugendblüthe ein tödtlicher Wurm nagt. Wie oft lull ich mein empörtes Blut zur Ruhe", schreibt er an seinen Freund Wilhelm, „denn so ungleich, so unstät hast Du nichts gesehen als dieses Herz! Lieber! brauch ich Dir das zu sagen, der Du so oft die Last getragen hast, mich vom Kummer zur Ausschweifung und von süßer Melancholie zur verderblichen Leidenschaft übergehen zu sehen! Auch halte ich mein Herzchen wie ein krankes Kind, jeder Wille wird ihm gestattet. Sage das nicht weiter; es giebt Leute, die es mir verübeln würden." Nur in der schweifenden Ungebundenheit, das Brausen und Stürmen des eigenwilligen und empfindungsseligen Herzens voll und ganz auszuleben, sieht er die lebenswerthe unveräußerliche Menschenbestimmung.

Und immer tiefer bohrt sich Werther in das verzehrende Grübeln über die Gebrochenheit und Bedingtheit des Lebens. Was Arbeit, was selbst Hingebung an eine bestimmte einzelne Freude? „Es ist ein einförmiges Ding um das Menschengeschlecht. Die Meisten verarbeiten den größten Theil, um zu leben; und das Bißchen, das

ihnen von Freiheit übrig bleibt, ängstigt sie so, daß sie alle Mittel aufsuchen, es los zu werden!“ „Wenn ich mich manchmal vergesse und manchmal mit den Menschen die Freuden genieße, die den Menschen noch gewährt sind, an einem artig besezten Tisch mit aller Offenherzigkeit und Treuherzigkeit sich herumzuspaßen, eine Spazierfahrt, einen Tanz zur rechten Zeit anzuordnen, und der= gleichen, das thut eine gute Wirkung auf mich, nur muß mir nicht einfallen, daß noch so viele andere Kräfte in mir ruhen, die alle ungenugt vermodern und die ich sorgfältig verbergen muß. Ach, das engt das Herz so ein!" Was bleibt in dieser peinvollen Verdüsterung? „Ich sage Dir, mein Schat, wenn meine Sinnen gar nicht mehr halten wollen, so lindert all den Tumult der Anblick eines Geschöpfs, das in glücklicher Gelassenheit den engen Kreis seines Daseins hingeht, von einem Tage zum andern sich durchhilft, die Blätter abfallen sieht und nichts dabei denkt als daß der Winter kommt." Ja, schon drängt sich das verhängnißvolle Wort hervor, des Menschen höchstes Glück sei, daß er bei aller Einschränkung doch immer im Herzen das füße Gefühl der Freiheit behalte, diesen Kerker verlassen zu können, wann er wolle.

Von einem so übervollen empfindungswarmen Herzen sind die Stürme des Lebens unabwendbar. Und wie kann es ihnen ge= wachsen sein? Werther lernt Lotte kennen. Welch' köstliche Perle ächtester Poesie ist dieser Brief, in welchem Werther sein erstes Begegnen mit ihr schildert.

Wir blicken in ihr stilles idyllisches Hauswesen; die Sorge und Pflege für den Vater und die verwaisten jüngeren Geschwister hat sie früh über ihr Alter hinaus selbständig und erfahren gemacht. In ihrer reinen Begeisterung für den Vicar of Wakefield und für die gemüthvollen Oden Klopstock's zeigt sich ihre rege Empfänglichkeit für alles Gute und Schöne; in Tanz und Spiel ist sie das unbefangene Mädchen voll frischer Munterkeit. „So viel Einfalt bei so viel Verstand, so viel Güte bei so viel Festigkeit, und die Ruhe der Seele bei dem wahren Leben und der Thätigkeit!" Es ist das reizvolle Gegenbild, in welchem Werther anschaut und liebt,

was ihm selbst mangelt. Werther ist durch diese aufteimende Leiden= schaft in seiner ganzen Stimmung verändert. Früher hatte er so gern in der Einjamkeit der Natur geschwelgt; jeder Baum, jede Hecke war ihm ein Strauß von Blüthen; man möchte zum Maikäfer werden, hatte er ausgerufen, um in dem Meer von Wohlgerüchen herumzuschweben und alle seine Nahrung darin finden zu können. Jezt ist ihm dies Alles gleichgültig; jezt können Sonne, Mond und Sterne geruhig ihre Wirthschaft treiben, er weiß weder daß Tag noch daß Nacht ist, die ganze Welt verliert sich um ihn her. Und bis dahin war es sein Höchstes gewesen, im Gleise der Gewohnheit so herzufahren und sich weder um Rechts noch um Links zu be= kümmern, sein ganzes Wesen wollte er an die Fülle der Unendlichkeit hingeben. Jezt lechzt er nach entschlüpftem Labjal und er gewahrt staunend, daß sich der unruhigste Vagabund zuleht wieder nach seinem Vaterland sehnt und einzig in seiner Hütte, an der Brust seiner Gattin, im Kreise seiner Kinder, in den Geschäften zu ihrer Erhaltung, die Wonne findet, die er in der weiten Welt vergebens suchte. Aber eine unerläßliche schwere Pflicht ist ihm zugefallen. Die Geliebte ist die Verlobte eines Anderen. Entweder muß er trotz aller Hindernisse seine Wünsche gewaltthätig durchzusehen streben oder seine Liebe mit aller Kraft in sich niederkämpfen. Weder zu dem einen noch zu dem andern Schritt hat seine brütende Leidenschaftlichkeit den frisch aufspringenden abschüttelnden Muth. Der unausbleibliche harte Zusammenstoß bleibt nicht aus. Albert, der Bräutigam, kommt. Er ist der beste Mensch unter dem Himmel, ganz ohne Eifersucht, auch seinerseits dem neuen Freund bald aufs aufrichtigste zugethan. Werther aber fühlt doch täglich mehr das Unhaltbare seiner Stellung und bekennt dieses Gefühl in den leiden= schaftlichsten Ausdrücken. Werther wäre nicht Werther, hätte er die Thatkraft, den Versuch zu machen, Albert aus dem Herzen der Ge= liebten zu drängen. Wie aber kann er von seiner Liebe lassen? Nur Strohmänner, sagt er, können meinen, er solle sich resigniren, weil es nun einmal nicht anders sein könne. Eine tiefe Tragit umstrickt ihn. Immer häufiger werden in ihm die Gedanken an

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