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zu Plundersweilern", so bunt und vielgestaltig die Masken desselben sind, in seiner ursprünglichen Fassung vorzugsweise auf das religiöse Leben gerichtet; in den älteren Ausgaben sind die eingeschobenen Gespräche zwischen Haman und Kaiser Ahasverus und zwischen der Königin Esther und Mardochai, nicht wie jezt nur eine frostige Persiflage der alten französischen Alexandrinertragödie, sondern eine derb chnische Verspottung der Rationalisten und Pietisten. Auch die Sturm- und Drangperiode selbst entgeht der satirischen Geißel nicht. Pater Brey" und Satyros oder der vergötterte Waldteufel", welche Goethe in Dichtung und Wahrheit mit Recht als zueinandergehörige Gegenstücke bezeichnet, schildern, das eine die weichliche Empfindsamkeit, das andere die rohe Kraftgenialität, wie. sie von niedrigen Menschen als modische Maskirung niedrigster Selbstsucht ausgebeutet wurden. Pater Brey geht auf Leuchsenring und dessen Verhalten zu Herder und seiner Braut, Satyros auf Basedow, auch Züge Herder's hat man darin erkennen wollen; der tiefere Hintergrund aber sind die Uebertreibungen Rousseau's und seiner Schule überhaupt. „Kleider sind Gewohnheitspossen nur, die Euch von Wahrheit und Natur entfernen.“ „Habt Eures Ursprungs vergessen, Euch in Häuser gemauert, Euch in Sitten vertrauert, kennt die goldnen Zeiten nur als Märchen von weiten."

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Und nun ledig des Drucks gehäufter Kleinigkeiten, frei wie Wolken, fühlt, was Leben sei! der Baum wird zum Zelte, zum Teppich das Gras, und rohe Kastanien ein herrlicher Fraß!" „Rohe Kastanien, unser die Welt!" Ja, vergleichen wir die Bruchstücke von „Hannswurst's Hochzeit oder der Lauf der Welt“ mit den Andeutungen, welche in Dichtung und Wahrheit und in Eckermann's Gesprächen über den Plan und die beabsichtigte Ausführung enthalten sind, so ist leicht zu erkennen, daß dieses Stück besonders deshalb „ein mikrokosmisches Drama" genannt werden sollte, weil es in ihm auf eine allgemeine Parodirung der geltenden sittlichen und gesellschaftlichen Weltverhältnisse abgesehen war. Hannswurst schließt: „Euer fahles Wesen, schwankende Positur, Euer Trippeln und Krabbeln und Schneidernatur, Euer ewig lauschend Ohr, Euer Wunsch hinten

und vorn zu glänzen, lernt freilich wie ein armes Rohr von jedem Winde Referenzen; aber seht an meine Figur, wie harmonirt sie mit meiner Natur, meine Kleider mit meinen Sitten; ich bin aus dem Ganzen zugeschnitten."

Kinder augenblicklicher Einfälle und Launen lehnen diese kleinen Scherze und Schwänke jede strengere Kunstforderung von sich ab. Es sind keck hingeworfene dialogisirte Einzelscenen ohne eigentlich dramatische Handlung. Oft verliert sich wohl auch der Ausdruck allzu geflissentlich in's Rohe und Cynische; besonders Hannswurst's Hochzeit scheint sich nach Allem, was davon gemeldet wird, mehr als nöthig in knotigen und zotigen Hannswurstiaden gefallen zu haben. Aber wie derb und possenhaft ungezogen oft dieser Humor ist, immer ruht er auf dem kerngefunden und grundehrlichen Sinn für das Aechte und Große. Im ausgelassensten Muthwillen die unbestechliche Sicherheit fester und klarer Ziele.

Und nicht minder beachtenswerth als der Inhalt ist die Formeneigenthümlichkeit dieser kleinen Dichtungen.

Sie ist durchaus neu und eigenartig in ihrem Zurückgreifen. auf die alte Form der Fastnachtsspiele und auf die komische Hannswurstfigur der Volksbühne.

Man hört die Nachklänge Lessing's und Justus Möser's, wenn Goethe am 6. März 1773 an den Actuar Salzmann schreibt: „Unser Theater hat sich, seit Hannswurst verbannt ist, aus dem Gottschedianismus noch nicht losreißen können. Wir haben Sittlichkeit und lange Weile; denn an jeux d'esprit, die bei den Franzosen Zoten und Possen ersehen, haben wir keinen Sinn, unsere Societät und unser Charakter bieten auch keine Modelle dazu, also ennuyiren wir uns regelmäßig; und willkommen wird Jeder sein, der eine Munterkeit, eine Bewegung auf's Theater bringt."

Wie Goethe damals in seinem entschlossenen Streben nach urwüchsiger Volksthümlichkeit es wagte, selbst in die erschütternd erhabene Tragik seiner Faustdichtung den Hanns-Sachsischen Ton einzuführen, so suchte er in diesen Fastnachtsspielen und Hannswurstiaden auch nach einer gleich volksthümlichen Wiedergeburt und

Fortbildung des deutschen Lustspiels. Aus den Briefen Goethe's an Salzmann ist zu ersehen, wie warme Theilnahme Goethe zu derselben Zeit auch dem Versuch zuwendete, welchen Lenz machte, die Plautinischen Lustspiele für die deutsche Bühne wiederzugewinnen; in den alten Verlagskatalogen von Weygand werden diese verdeutschten Umbildungen immer als das gemeinsame Werk beider Freunde angekündigt.

Goethe ist auch noch in den ersten Weimarer Jahren einer solchen Wiedergeburt derber deutscher Volkskomit vielfach nachgegangen. Um so unbegreiflicher und bedauerlicher ist es, daß er sich niemals an denjenigen Dichter gewendet hat, der ihm für das Komische hätte werden können, was ihm Shakespeare für das Tragische war. Die künstlerische Fortbildung und Veredlung der deutschen komischen Volksbühne lag in Holberg.

Mahomet. Der ewige Jude. Prometheus.

Die religiösen Fragen, welche sich schon in den kleinen Fastnachtsspielen aufdrängten, rangen nach tieferer dichterischer Gestaltung. Zumal grade damals in Goethe sich die mächtigsten religiösen Wandlungen und Umbildungen vollzogen.

Freilich war Goethe der Anempfindung schönseligen Frömmlerwesens, in welche sich seine klare und reine Natur durch die Macht äußerer Einwirkungen eine Zeitlang hatte verstricken lassen, mit er= starkter Bildung für immer entwachsen. Aber der Gewinn einer eigenen klar bestimmten religiösen Anschauung gelang doch erst allmählich. In Goethe's Dichtung sind diese Uebergänge scharf ausgeprägt. Die unausgeführten Entwürfe Mahomet's und des ewigen Juden einerseits und das Prometheusdrama andererseits, obgleich in ihrer Entstehungszeit wenig auseinanderliegend, ruhen doch auf durchaus verschiedener Anschauungsweise. Dort spricht der Ratio= nalist des achtzehnten Jahrhunderts, der, wie sich Goethe in Dichtung und Wahrheit ausdrückt, von der Kirche abgetrennt, sich ein

Christenthum zu seinem Privatgebrauch gebildet hat, hier der be=" geisterte und rückhaltslose Anhänger Spinoza's.

Nur wenn wir uns auf den Standpunkt des Rationalismus des achtzehnten Jahrhunderts stellen, verstehen wir die Stimmungen und Gedanken, aus welchen Mahomet und der ewige Jude hervor= gingen. Je ausschließlicher der Rationalismus das Wesen der Religion nur in der sogenannten Vernunft- und Naturreligion suchte und daher auch im Christenthum nur Das als christlich anerkennen wollte, was mit dieser sogenannten Vernunft- und Naturreligion übereinstimmte, um so unablässiger mußten ihn die Fragen beschäftigen, wie die kirchlichen Lehren und Einrichtungen entstanden seien, und wie es möglich gewesen, daß die vermeintliche Reinheit des Urchristenthums so schimpflich von sich abgefallen. Mahomet ist die dichterische Gestaltung der einen Frage, der ewige Jude die dichterische Gestaltung der anderen.

Goethe erzählt im vierzehnten Buch von Dichtung und Wahrheit, daß die Idee des Mahomet in ihm aufgetaucht sei, als er auf der gemeinsamen Rheinfahrt mit Lavater und Basedow bemerkte, wie arglos und unbefangen von diesen geistige, ja geistliche Mittel zur Erreichung irdischer Zwecke gemißbraucht wurden. Er habe, fährt Goethe fort, bei dieser Gelegenheit die Bemerkung gemacht, daß, indem der vorzügliche Mensch das Göttliche, was in ihm sei, auch außer sich verbreiten wolle, er dasselbe im Zusammenstoß mit der rohen Welt unvermeidlich zugleich veräußerliche und dem Schicksal der Vergänglichkeit preisgebe. „Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen, drängt immer fremd und fremder Stoff sich an." Doch ist diese Erzählung irrthümlich. Der Entwurf des Mahomet stammt unzweifelhaft aus dem Jahr 1773, denn das hierhergehörige Gedicht, welches jezt in der Gedichtsammlung „Mahomet's Gesang" genannt ist, ist schon in Boie's Musenalmanach von 1774 enthalten; die Rheinfahrt mit Lavater und Basedow fällt aber erst in den Sommer von 1774. Die Idee des Mahomet ist vielmehr der dichterische Nachklang jener Ansicht, welche Goethe bereits in seiner Straßburger Doctordissertation dargelegt,

daß alle öffentlichen Religionen durch Heerführer, Könige und mächtige Männer eingeführt worden, und daß dieser Satz auch von dem Christenthum gelte.

Laut Goethe's Bericht in Dichtung und Wahrheit war der Gang des beabsichtigten Dramas folgender: Erster Act: Erhebung Mahomet's aus dem Sternendienst zum reinen Monotheismus. Ausbreitung dieser Gefühle und Gesinnungen unter den Seinigen. Zweiter Act: Ausbreitung im Stamm. Beistimmung und Widerseglichkeit. Der Streit wird gewaltsam, Mahomet muß entfliehn. Dritter Act: Bezwingung der Gegner. Die Religion wird öffentlich, die Kaaba wird von Gözenbildern gereinigt. Weil aber nicht Alles durch Kraft zu thun ist, Zuflucht zur List. Trübung des Göttlichen durch irdischen Zusaz. Vierter Act: Eroberungen. Die Lehre wird mehr Vorwand als Zweck. Grausamkeiten. Eine Frau, deren Mann Mahomet hat hinrichten lassen, vergiftet ihn. Fünfter Act: Im Sterben Wiederkehr zu sich selbst, Reinigung der Lehre, Befestigung des Reichs.

Um sich die orientalische Färbung eigen zu machen, hatte Goethe aus einer lateinischen Uebersetzung einzelne Stücke des Koran übersetzt.

Es war auf ein Drama hohen Stils abgesehen, obgleich die Prosa noch nicht völlig verbannt war. Zwei Bruchstücke sind erhalten, voll des erhabensten lyrischen Schwunges. lyrischen Schwunges. Das eine, „Mahomet's Gejang“, ursprünglich als Wechselgesang zwischen Ali und Fatima gedacht. Es ist ein Preislied auf Mahomet. Unter dem Bilde eines zum mächtigen Strom anwachsenden Felsenquells verherrlicht es den gotterfüllten Genius, der zum Licht und Leitstern ganzer Völker wird. Das andere Bruchstück enthält den das Drama eröffnenden Monolog Mahomet's, welchen Goethe, als er Dichtung und Wahrheit schrieb, verloren meinte, welcher sich aber nachher in Goethe's eigener Handschrift wieder auffand und zuerst von Adolf Schöll herausgegeben wurde. Er lautet:

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