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Mahomet; allein.

Feld. Gestirnter Himmel.

Theilen kann ich euch nicht dieser Seele Gefühl.
Fühlen kann ich euch nicht allen ganzes Gefühl.
Wer, wer wendet dem Flehn sein Ohr?

Dem bittenden Auge den Blid?

Sieh, er blinket herauf, Gad, der freundliche Stern.

Sei mein Herr Du, mein Gott! Gnädig winkt er mir zu!
Bleib! Bleib! Wendest du dein Auge weg?

Wie? Liebt ich ihn, der sich verbirgt?

Sei gesegnet, o Mond! Führer Du des Gestirns,

Sei mein Herr Du, mein Gott! Du beleuchtest den Weg.
Laß, laß nicht in der Finsterniß

Mich irren mit irrendem Volk.

Sonn, Dir glühenden, weiht sich das glühende Herz.

Sei mein Herr Du, mein Gott! Leit allsehende mich.
Steigst auch Du hinab, herrliche?

Tief hüllet mich Finsterniß ein.

Hebe, liebendes Herz, dem Erschaffenden Dich!

Sei mein Herr Du, mein Gott! Du Alliebender, Du,

Der die Sonne, den Mond und die Stern

Schuf, Erde und Himmel und mich!

Auch die Absicht, die Geschichte des ewigen Juden episch zu behandeln, fällt in das Jahr 1773 oder Anfang 1774. Lavater's Biograph Geßner berichtet, daß Goethe diesem bei dem ersten Zusammensein eine von ihm verfaßte Epopöe vorgelesen.

So weit sich aus den erhaltenen Bruchstücken urtheilen läßt, war der erste Entwurf eines Theils als eine geistreiche satirische Improvisation über die Verderbniß und Aeußerlichkeit der bestehen= den Kirchen und Sekten, in der Tonart Hanns Sachsens und im Sinn und Humor der gleichzeitigen Fastnachtsspiele. Es ist aus diesen Bruchstücken nicht recht zu ersehen, welche Stellung dem ewigen Juden selbst zugedacht war; er wird als in verdorbener Kirchenzeit fromm geschildert, halb Essener, halb Methodist, Herrnhuter, mehr Separatist; unzweifelhaft hätten Goethe's Erfahrungen

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unter den Stillen im Lande und sein Studium von Arnold's Kezergeschichte in dieser humoristischen Gestalt Ausdruck gefunden. Es sollte der Katholicismus geschildert werden, wo man so viele Kreuze hat, daß man vor lauter Kreuz und Christ ihn eben und sein Kreuz vergißt“; und ebenso der Protestantismus, wo man freilich betheuert, aller Sauerteig sei hier ausgescheuert, wo man aber doch sehr bald gewahrt, daß die Reformation den Pfaffen nur Haus und Hof nahm, um wieder Pfaffen hineinzupflanzen, „die nur in allem Grund der Sachen mehr schwägen, weniger Grimassen machen“.

Anderen Theils aber zeigen die Bruchstücke auch in der Erzählung von der Wiederkunft Christi höchsten Schwung und gewaltige Tiefe. Christus kommt zum zweiten Mal auf die Erde, um zu ernten, was er gesät hat; er gewahrt, daß sein Werk verzerrt worden, das Wehen seines Geistes verklungen ist. In diesen Partieen, die freilich auch komische Züge nicht verachten, erhebt sich die Dichtung schon zum faustischen Stil.

„O mein Geschlecht, wie sehn' ich mich nach Dir!
Und Du mit Herz- und Liebesarmen

Flehst Du aus tiefem Drang zu mir!
Ich komm', ich will mich Dein erbarmen!"
Welt! voll wunderbarer Wirrung,
Voll Geist der Ordnung träger Irrung,
Du Kettenring von Wonn' und Wehe,
Du Mutter, die mich selbst zum Grab gebar,
Die ich, obgleich ich bei der Schöpfung war,
Im Ganzen doch nicht sonderlich verstehe.

Die Dumpfheit Deines Sinns, in der Du schwebtest,
Daraus Du Dich nach meinem Tage drangst,
Die schlangenknotige Begier, in der Du lebtest,
Von ihr Dich zu befreien strebteft,

Und dann befreit Dich wieder neu umschlangst:
Das rief mich her aus meinem Sternensaal,
Das läßt mich nicht an Gottes Busen ruhn:
Ich komme nun zu Dir zum zweiten Mal,
Ich säte dann und ernten will ich nun.“

Troz so gedanken- und empfindungsreicher Partieen muß man sich doch hüten, schon diesem ersten ursprünglichen Entwurf jene

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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ernsten und tiefsinnigen Ideen und Motive unterzuschieben, welche ihm Goethe aus schwankender Erinnerung im fünfzehnten Buch von Dichtung und Wahrheit beilegt. Jene Vertiefung des Plans erfolgte offenbar erst, als der Dichter, wie er in seiner Italienischen Reise in einem Briefe vom 27. October 1786 berichtet, bei seinem Eintritt in Italien die Geschichte des ewigen Juden wieder aufnahm. Im Mittelpunkt des Katholicismus mit Schauder bemerkend, was für ein unförmliches, ja barockes Heidenthum die gemüthreichen Anfänge des Christenthums verdunkle und belaste, trat ihm der Sinn jener alten Legende: „Ich komme, um wieder gekreuzigt zu werden", auf's lebhafteste vor die Seele; und es ist klar, daß jene beabsichtigte Scene, in welcher der ewige Jude bei Spinoza einen Besuch macht, das Wesen des Christenthums als im Innersten mit den Grundlehren Spinoza's übereinstimmend darstellen sollte.

Mahomet und der ewige Jude blieben unausgeführt. Goethe selbst erzählt in seiner Lebensgeschichte, daß er diese Entwürfe fallen ließ, weil sich inzwischen in ihm bereits eine neue Epoche zu entwickeln begann. An die Stelle des Rationalismus trat um diese Zeit in Goethe der Spinozismus. Was hatte die Mahomettragödie gemein mit dieser durchgreifenden neuen Anschauungsweise? Und kehrte auch später auf der Höhe erweiterten Umblicks einmal die Lust an der alten Ahasverusjage wieder, diese Lust konnte nur eine flüchtig vorübergehende sein. Goethe war jetzt dem Kampf gegen das Kirchenthum entwachsen; man kämpft nur gegen Das, wovon man sich selbst noch nicht völlig frei weiß.

Längst war Goethe auf Spinoza innerlich vorbereitet. Finden sich schon in seinen Straßburger Tagebüchern Aufzeichnungen von unverkennbar pantheistischer Grundlage, so nimmt es nicht Wunder, daß, wie Goethe am Anfang des vierten Theils von Dichtung und Wahrheit erzählt, eine gehässige Gegenschrift gegen Spinoza, welche er in seines Vaters Bibliothek fand, ihn nur um so mehr zum eingehenden Selbststudium der Spinoza'schen Ethik reizte. Da kam im Juli 1774 das innige Freundschaftsbündniß mit Jacobi; jene selige Fülle des Hin- und Wiedergebens in Köln, Pempelfort und Bens

berg, dessen sich Beide noch als Greise, nachdem sie in ihren Rich= tungen weit auseinandergegangen, mit seligstem Entzücken erinnerten. Spinoza war der hauptsächlichste Gegenstand ihrer Unterhaltungen. Jacobi war kein Anhänger Spinoza's, aber in der Kenntniß desselben war er Goethe überlegen. Als Goethe von jener Reise zurückkehrte, war er, wenn nicht Spinozist, so doch entschiedener Pantheist.

In Dichtung und Wahrheit hebt Goethe fast ausschließlich die sittlichen Wirkungen hervor, welche die Lehre Spinoza's auf ihn ausübte. Zunächst aber war diese Umwandlung doch eine vorwiegend dogmatische.

Der Monolog des Prometheus ist der erste dichterische Erguß dieser neuen Denk- uud Empfindungsweise.

Aus dem Briefwechsel Goethe's und Jacobi's (S. 144) erhellt, daß er im Herbst 1774 entstand, also unmittelbar nach Goethe's Besuch bei Jacobi.

Schon ein Jahr früher hatte sich Goethe mit dem gewaltigen Stoff beschäftigt; aber in anderem Sinne. Wohl spielte der Titanentroh auch damals schon seine Rolle; das Hauptgewicht aber war auf die Darstellung der Schaffensfreude gelegt. In „Dichtung und Wahrheit" will Goethe das Werk sogar speziell auf das Glücksgefühl des einsam abgesonderten künstlerischen Schaffens bezogen wissen. Das Werk ist Fragment geblieben; nur zwei Akte sind vollendet, und diese traten erst in der Ausgabe lezter Hand 1830 an's Licht. Der erste Aft zeigt den Prometheus, der dem Reiche der Götter entsagt, da er weiß, daß der Mensch ganz allein auf sich selbst gestellt ist und daß einzig in seiner Thätigkeit sein Glück und sein Ziel liegt.

Ich will nicht, jag' es ihnen!

Und furz und gut, ich will nicht!

Ihr Wille gegen meinen!

Eins gegen Eins,

Mich dünkt, es hebt sich!

Ihr Burggraf sein

Und ihren Himmel schüßen?

Mein Vorschlag ist viel billiger.

Sie wollen mit mir theilen, und ich meine,
Daß ich mit ihnen nichts zu theilen habe.
Das, was ich habe, können sie nicht rauben,
Und was sie haben, mögen sie beschützen.
Hier Mein und Dein,

Und so sind wir geschieden.

Epimetheus.

Wie vieles ist denn Dein?

Prometheus.

Der Kreis, den meine Wirksamkeit erfüllt,
Nichts drunter und nichts drüber!

Hier meine Welt, mein All!

Hier fühl ich mich;

Hier alle meine Wünsche

In körperlichen Gestalten.

Meinen Geist so tausendfach

Getheilt und ganz in meinen theuern Kindern!

Ganz und gar bei diesen Kindern, ihrer Erziehung und Beherrschung durch Prometheus verweilt der zweite Akt. Doch ist dieser entschieden schwächer und unreifer. Statt der tiefsinnig dichterischen Vorführung des geschichtlichen Lebens, wie es die Idee des Gedichts, freilich weit über das Vermögen und die Grenzen dichterischer Darstellbarkeit hinaus, unabweislich erforderte, nur flüchtig zusammengeraffte Gedanken über die ersten Bildungsanfänge aus Rousseau's Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen. der Ungleichheit unter den Menschen. Und zuleht sogar eine fast an Lessing's Lehre von der Seelenwanderung erinnernde Hinweisung auf persönliche Unsterblichkeit, die doch mit einer streng pantheistischen Anschauungsweise schlechterdings unvereinbar ist.

Es ist offenbar, daß Goethe, der unablässig Fortschreitende, das Unzulängliche dieses zweiten Aktes bald durchschaute. Das Drama als Drama wurde aufgegeben. Aber viel schärfer und fester als in ihm wurde der eigenste Kern und Gehalt der Sage, der gottleugnende Titanentro, in jenen lyrischen Prometheusmonolog zusammengefaßt, der eine der bekanntesten und gewaltigsten Dichtungen Goethe's ist

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