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Zeuge klebt; mit gier'ger Hand nach Schäzen gräbt, und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!"

Es ist leicht zu sehen, welche Zeiteinflüsse sich in diese Conception zusammendrängten. Einerseits in dem mythischen Bilde der magischen Geisterbeschwörungen das ungeduldige, sich überstürzende, unmittelbare Erfassenwollen des Vollen und Ganzen durch die Erleuchtung und Offenbarung genialen inneren Schauens und Ahnens, das eben jezt unter dem Banner der neuen Genialitätssucht als Verjüngungsruf durch alle Gemüther ging und das wenige Jahrzehnte nachher von Schelling in den Begriff der sogenannten intellectuellen Anschauung formulirt wurde. Und andererseits in der vernichtenden Antwort des Erdgeistes die Einwirkung der Lehre Kant's von der Unerkennbarkeit des Wesens der Dinge, des Dinges an sich, wie sie derselbe, noch vor dem Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft, bereits in sich ausgebildet, und wie sie offenbar durch die Unterhaltungen mit Herder dem jungen Dichter sich tief in die Seele geprägt hatte. Aber alles blos Zufällige und Zeitliche ist abgestreift. Es ist die tiefe Tragik des ins Unbedingte strebenden und doch immer wieder unerbittlich in seine undurchbrechbaren Grenzen zurückgewiesenen menschlichen Denkvermögens.

So weit die Exposition. An die weitere Ausführung des philosophischen Theils hat sich der Dichter damals noch nicht gewagt, und das Einzige, was der „Urfaust“ noch aus diesem Gebiet ent= hält, die Scene zwischen Mephistopheles und dem Schüler, zeigt noch eine tastende und unsichere Hand. In Einigem schon auf der Höhe der uns allen wohlbekannten Scene stehend, enthält sie zugleich ,,unreises seichtes Geplauder" über die materielle Seite des Studenten= lebens, eine noch nicht abgestreifte „Schlangenhaut“ aus der kaum erst abgethanen Studentenzeit. Um so gewaltiger und vollkräftiger die Darstellung des Lebens, in das der jezt nach Genuß verlangende Faust hineingeführt wird. Der Erdgeist, den er selber nicht ertragen konnte, hat ihn dem Mephistopheles angeschmiedet", damit er von dem „Schandgesellen" durch das Treiben der Welt nach allen Richtungen geleitet, es erfahre und erkenne, wie unerfüllbar und thöricht das

Streben des Einzelnen sei, das Ganze der Menschheit in sich aufzunehmen und zu tragen. Faust's neue Laufbahn beginnt mit der Scene in Auerbach's Keller, die auf alter volksthümlicher Ueberlieferung beruht, aber wohl hauptsächlich Goethe's Leipziger Erinnerungen ihre Stelle in dem großen Werk verdankt. Dann beginnt Faust leichtsinnig und frech sein Liebesabenteuer. Doch Spuren seines besseren Selbst bleiben in ihm sichtbar. Es ist von ergreifender Poesie und Naturwahrheit, wie er innig gerührt vor seinem Frevel zurückbebt, als er hineinschaut in die stille Seligkeit, in welcher das Mädchen lebt und waltet. Umgiebt mich hier ein Zauberduft? Mich drang's so grade zu genießen, und fühle mich in Liebestraum zerfließen!" Und Gretchen, das holde unbefangene. Kind, hat den Fremden, der es wagte, Arm und Geleit ihr anzutragen, zwar schnippisch und kurz angebunden von sich gewiesen; innerlich aber ist sie doch mit ihm beschäftigt, wir hören das unbewußte Anklingen erwachender Liebe in ihrem träumerischen Singen von der Treue des Königs von Thule. Nun der Spaziergang im Garten, das Sichöffnen und Sichfinden der liebeschwellenden Herzen; eine Welt des naivsten und reinsten Liebesglücks, die durch den bedeutsamen Gegensatz der Unterhaltungen zwischen Mephistopheles und Martha nur in um so hellerem Licht strahlt. Wir belauschen das Steigen und Wachsen der Leidenschaft in Gretchen, wie es dem gepreßten Herzen Luft macht in jenem schönsten Liebeslied: „Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer, ich finde sie nimmer und nimmer mehr; wo ich ihn nicht hab, ist mir das Grab, die ganze Welt ist mir vergällt." Darauf die wunderbar große Scene, in welcher die bekümmerte Geliebte in holdem Liebesgeplauder Faust um seine Religion fragt, und dieser jenes großartig erhabene pantheistische Glaubensbekenntniß ausspricht, das sich einem Jeden unvergeßlich ins Herz prägt, der überhaupt die Tiefe und die Tragweite desselben zu fühlen und zu ermessen vermag. Und es ist von einer Kühnheit und von einer Poesie, die nur der Wurf des höchsten Genius sein konnte, daß grade hier, unmittelbar nach dem innigsten Seelenaustausch, die Verstrickung in sittliche Schuld eintritt. Faust: „Ach kann

ich nie ein Stündchen ruhig Dir am Busen hängen und Brust an Brust und Seel' in Seele drängen?" Margarethe: „Seh ich Dich, bester Mann, nur an, weiß nicht, was mich nach Deinem Willen treibt; ich habe schon so viel für Dich gethan, daß mir zu thun fast nichts mehr übrig bleibt.“ Dies ist der entscheidende Umschwung. Die Gretchentragödie wird sociale Tragödie. Wohl hat die Leidenschaft ein Recht; aber einseitig und rücksichtslos durchgeführt wird dieses Recht zum Unrecht gegen die unverrückbare sittliche Weltordnung der Gesellschaft. Faust spricht seine Schuld mit ergreifenden Worten aus:

„Und ich der Gottverhaßte
Hatte nicht genug,

Daß ich die Felsen faßte

Und sie in Trümmer schlug.

Sie, ihren Frieden mußt' ich untergraben,
Du Hölle mußtest dieses Opfer haben!“

Es folgt der unausbleibliche Gegenschlag. Furchtbar unerbittlich rächt sich der verleßte Familiengeist. Nie wieder hat sich Goethe an Energie der Erfindung und Gestaltung so unmittelbar an die Seite Shakespeare's gestellt! Zuerst die verzehrende Gewissenspein im Herzen Gretchen's. Welch erschütternde Steigerung in der raschen Aufeinanderfolge des Gesprächs am Brunnen, des Gebets am Ma= donnenbilde: „Ach neige, Du Schmerzenreiche Dein Antlig gnädig meiner Noth!" und der angstvollen Vorahnung der Schrecken des Weltgerichts im Dome: Ihr Antlig wenden Verklärte von Dir ab, die Hände Dir zu reichen, schauert's den Reinen! Weh!" Dann der verschuldete Tod der Mutter und des Bruders, dieser nur angedeutet, noch nicht ausgeführt. Zulezt in wahnsinniger Verzweiflung die Ertränkung des Kindes. Die in das innerste Mark greifende Scene im Kerker, ohne alle Milderung künstlerischer Form, in der unerbittlichen Härte der naturalistischen Rede, die hier plößlich einsegt. Aber aus dieser äußersten Härte heraus der Umschlag zu sittlicher Versöhnung; mit wunderbarer Klarheit beugt sich die Unglückliche, dennoch sich aufrichtend unter ihr Geschick, und sie ist gerettet, obgleich der Dichter noch keine Stimme von oben" es mit Worten ver=

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künden läßt. Während Faust von Mephistopheles willenlos fort= gerissen wird, erklingt der Ruf von innen, verhallend, mild warnend: „Heinrich, Heinrich!“

Der fragmentarische Urfaust ist das Gewaltigste, was Goethe's Jugend hervorgebracht hat. Freilich ist die ganze Tiefe und Weite des Problems, wie es später die Osterscene, der Spaziergang, die Paktscene darstellt, dem jungen Dichter noch nicht aufgegangen, freilich fehlen noch die Klammern, mit denen der ungeheure Stoff später dramatisch zusammengehalten wurde, Mephistopheles' doppelte Wette mit dem Herrn und mit Faust; aber die Tiefe der Empfindung ist schon eine wahrhaft unvergleichliche, und konnte in den späteren Hinzudichtungen wohl noch erreicht, aber nicht übertroffen

werden.

Egmont.

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Noch in den letzten Monaten seines Frankfurter Lebens, im Herbst 1775, tauchte in Goethe der Plan einer neuen Tragödie auf, die Geschichte Egmont's. Die Ausführung rückte rasch vor und wurde, wie Goethe in Dichtung und Wahrheit berichtet, noch in Frankfurt selbst beinah zu Stande gebracht. Unstreitig ist Egmont gemeint, wenn in Reichard's Theaterkalender auf das Jahr 1777 unter den ungedruckten Dramen Goethe's ein Vogelschießen von Brüssel" genannt wird. Doch erfolgte seit dem 12. April 1778 in Weimar eine erneute Bearbeitung, die mit vielfachen Pausen und Unterbrechungen sich bis in den April 1782 hinzog. Die Aenderungen scheinen sich, wie aus einem Briefe Goethe's an Frau von Stein hervorgeht, nur darauf beschränkt zu haben, das allzu Aufgeknöpfte und Studentenhafte der früheren Manier zu mildern und zu tilgen. Zuletzt die gründlichere Umbildung und der endgiltige Abschluß in der Zeit des zweiten Aufenthalts Goethe's in Rom, im Sommer 1787. Besonders die letzten Akte wurden zum Theil neu geschaffen. Allein auch jezt blieb die erste Grundanlage, wie sie der glücklichen Frankfurter Zeit entstammte, im Wesentlichen unangetastet. Es sind ganze Scenen im Stücke, an die ich nicht zu rühren

brauche", schreibt Goethe am 5. Juli 1787 an Herder. Und am 3. November desselben Jahres sezt er hinzu: „Man denke, was das sagen will, ein Werk vornehmen, das zwölf Jahre früher geschrieben ist, und es vollenden, ohne es umzuschreiben."

Goethe's Egmont gehört daher in die Reihe der Goethe'schen Jugenddichtungen. Ja, Egmont ist eine der wichtigsten derselben.

Es hat auf den ersten Anblick etwas durchaus Befremdendes und, fast möchte man sagen, etwas Räthselhaftes, daß unmittelbar neben den tief tragischen Gestalten des Werther, des Prometheus und Faust, in welchen die dämonische Qual versöhnungslosen Weltschmerzes den ergreifendsten und erhabensten Ausdruck gefunden, Egmont steht, die glänzende dichterische Verherrlichung unbefangener Gemüthsfrische und genialer Leichtlebigkeit. Doch zeigt sich bald, daß Egmont troz aller Verschiedenheit jenen ernsten Charakteren auf's tiefste verwandt ist. Dieselbe Maßlosigkeit und Ungebundenheit, derselbe ungestüme Drang sich voll und ganz auszuleben; nur in anderer Aeußerung und Richtung; nicht der Nachtseite, sondern der freundlichen Lichtseite des Lebens zugewendet.

In Goethe's Egmont liegt Goethe's Frohnatur, wie im Werther und Faust sein philosophisches Wühlen und Grübeln. Es ist das Lebensideal des übersprudelnden Jugendmuthes. Heißblütiges Sinnenleben im untrennbaren Bunde mit edelster Thatkraft; ungezügelte Lebenslust, aber auch im ernsten Kampf mit Gut und Blut einstehend.

Es erregt einigen Zweifel, wenn Goethe in Dichtung und Wahrheit die Entstehung des Egmont mit den in seinem Innern fortklingenden Nachwirkungen des Göz in Zusammenhang zu bringen sucht. Nicht um die Darstellung des niederländischen Freiheitskampfes war es dem Dichter ursprünglich zu thun, sondern lediglich um die Darstellung von Egmont's Charaktereigenthümlichkeit, wie sie ihm in der Geschichtserzählung Strada's, die er zufällig in seines Vaters Bibliothek fand, herzgewinnend entgegentrat. Weit zutreffen= der sagt Goethe selbst in einer anderen Stelle seiner Lebensgeschichte, daß ihm an Egmont am meisten dessen menschlich ritterliche Größe

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