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gern seinen Heiligen nennt und von dem er sagt, daß er sich ihm sehr nahe fühle, obgleich Spinoza's Geist viel tiefer und reiner sei als der seinige. „Spinoza“, schreibt Goethe am 9. Juni 1785 an Jacobi, „beweist nicht das Dasein Gottes, sondern das Dasein ist Gott; und wenn ihn Andere deshalb Atheum schelten, so möchte ich ihn theissimum und christianissimum nennen und preisen.“

Diese unbedingte Hingebung an Spinoza ist ein sehr bedeutender Einschnitt in Goethe's Leben. Goethe, den Jüngling, hatte sein Pantheismus an dem harmlosesten Zusammengehen mit seinen christlich gläubigen Jugendfreunden nicht gehindert; Goethe, der Mann, konnte sich über die Unvereinbarkeit dieses Gegensazes nicht täuschen. Zumal gerade jezt die alten Freunde sich mehr als je mit ihrer scharf ausgesprochenen Christlichkeit spreizten. Man lese den Brief, welchen Goethe im October 1787 aus Castel Gandolfo schrieb: „Wenn Lavater seine ganze Kraft anwendet, um ein Märchen wahr zu machen, wenn Jacobi sich abarbeitet, eine hohle Kindergehirnempfindung zu vergöttern, wenn Claudius aus einem Fußboten ein Evangelist werden möchte, so ist offenbar, daß sie Alles, was die Tiefen der Natur näher aufschließt, verabscheuen müssen. Würde der eine ungestraft sagen, Alles, was lebt, lebt durch etwas außer sich? würde der Andere sich der Verwirrung der Begriffe, der Verwechselung von Wissen und Glauben, von Ueberlieferung und Erfahrung nicht schämen? würde der Dritte nicht um ein paar Bänke tiefer hinunter müssen, wenn sie nicht mit aller Gewalt die Stühle um den Thron des Lammes aufzustellen bemüht wären, wenn sie nicht sich sorgfältig hüteten, den festen Boden der Natur zu betreten, wo Jeder nur ist, was er ist, wo wir Alle gleiche Ansprüche haben? Halte man dagegen ein Buch wie den dritten Theil von Herder's Ideen, sehe erst, was es ist, und frage sodann, ob der Autor es hätte schreiben können, ohne jenen (pantheistischen) Begriff von Gott zu haben? Nimmermehr, denn eben das Aechte, Große, Innerliche, was es hat, hat es in, aus und durch jenen Begriff von Gott und der Welt.... Ich habe immer mit stillem Lächeln zugesehen, wenn sie mich in metaphysischen Gesprächen nicht für voll ansahen; da ich

aber ein Künstler bin, so kann mir's gleich sein. Mir könnte viel mehr daran gelegen sein, daß das Principium verborgen bliebe, aus dem und durch das ich arbeite. Ich lasse einem Jeden seinen Hebel, und bediene mich der Schraube ohne Ende schon lange, und nun mit noch mehr Freude und Bequemlichkeit."

Mitten aber in all diesem drängenden Gefühl der verschieden= artigsten Ansprüche und Verhältnisse, Neigungen und Thätigkeiten meldete sich doch immer wieder als seine eigenste und tiefste Lebensbestimmung die holde Muse der Dichtung.

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„In meinem Kopf“, schreibt Goethe am 14. September 1780 an Frau von Stein, ist's wie in einer Mühle mit vielen Gängen, wo zugleich geschroten, gemalen, gewalkt und Del gestoßen wird. O thou sweet poetry rufe ich manchmal und preise den Marc Antonin glücklich, wie er auch selbst den Göttern dafür dankt, daß er sich in die Dichtkunst und Beredtsamkeit nicht eingelassen. Ich entziehe diesen Springwerken und Kaskaden so viel als möglich die Wasser und schlage sie auf Mühlen und in die Wässerungen, aber ehe ich michs versehe, zieht ein böser Genius den Zapfen und Alles springt und sprudelt. Und wenn ich denke, ich size auf meinem Klepper und reite meine pflichtmäßige Station ab, auf einmal kriegt die Mähre unter mir eine herrliche Gestalt, unbezwingliche Lust und Flügel, und geht mit mir davon." Und am 10. August 1782: Eigentlich bin ich zum Schriftsteller geboren; es gewährt mir eine reinere Freude als jemals, wenn ich etwas nach meinen Gedanken gut geschrieben habe.“ Ja, in einem Briefe vom 17. September desselben Jahres tritt dieses Gefühl sogar mit der denkwürdigen Wendung auf, daß er recht zu einem Privatmenschen erschaffen sei, und daß er kaum begreife, wie ihn das Schicksal in eine Staatsverwaltung und in eine fürstliche Familie habe einflicken mögen.

„Welcher Unsterblichen

Soll der höchste Preis sein?
Mit Keinem streit ich,

Aber ich geb ihn

Der ewig beweglichen

Immer neuen

Seltsamsten Tochter Jovis,
Seinem Schoßkinde,

Der Phantasie.

Und daß die alte

Schwiegermutter Weisheit

Das zarte Seelchen

Ja nicht beleid'ge."

Viele der köstlichsten Perlen Goethe'scher Dichtung, besonders der Lyrik, sind in dieser Zeit entstanden. Vieles und Wichtiges, was erst in späteren Jahren herrlich erblühte, keimte und wuchs bereits in stillem Gedeihen. Und Inhalt und Form zeigt in gleicher Weise, daß er, wie Goethe sich selbst einmal ausdrückt, vom Grundstock seines Vermögens nicht nur nichts zugesezt, sondern es reichlich vermehrt hatte. An die Stelle des wühlenden ungebändigten Geistes der Sturm- und Drangperiode ist mehr und mehr eine durchaus veränderte Sinnesart, eine neue, sittlich und künstlerisch durchgebildetere getreten.

Es sondern sich in der Dichtung dieser Zeit sehr bestimmt zwei Gruppen.

Die erste Gruppe besteht aus den Gelegenheitsgedichten, welche veranlaßt wurden durch die Neigung und Obliegenheit, die gesellschaftlichen Vergnügungen des Hofes dichterisch zu beleben und zu erhöhen.

Ueber diese Hofdichtungen hat Goethe selbst das treffendste Wort, wenn er am 19. Februar 1781 an Lavater schreibt, er tractive diese Sache als Künstler; wie Lavater die Feste der Gottseligkeit ausschmücke, so schmücke er die Aufzüge der Thorheit. Sie treten anspruchslos auf; und es ist albern, in diesen flüchtigen Kindern des Augenblicks höchste Kunstwerke erblicken zu wollen. Es wird sich schwerlich leugnen lassen, daß „der Triumph der Empfindsamkeit", losgelöst von den nächsten Anspielungen und Tagesbeziehungen, entschieden langweilig ist; und ebenso ist Scherz, List und Rache" nur ein verunglückter Versuch, die Charakterformen des italienischen jogenannten Kunstlustspiels nachzuahmen. Aber wer erfreut sich nicht

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an dem ergöglichen Humor der Vögel, an der naturfrischen frühlingsduftigen Lieblichkeit Lila's, Jery's und Bätely's, und der Fischerin, an der epigrammatischen Sinnigkeit der Textworte zu den Maskenzügen? Auch das jubelnd lustige Epiphaniaslied war ursprünglich ein solcher Maskenzug, welcher am 6. Januar 1781 aufgeführt wurde.

Anders die zweite Gruppe. Sie ist die künstlerisch schöne, d. h. die zu rein und allgemein menschlicher Bedeutung geläuterte und vertiefte Gestaltung der innersten Gemüths- und Lebenszustände.

Tiefrührende Klänge der Entsagung, freies trostreiches Aufschauen zu dem neugewonnenen Menschheitsideal.

Namentlich in der Goethe'schen Lyrik dieser Zeit ist diese fortschreitende Entwicklung in unsagbarer Innigkeit und Schönheit ausgeprägt.

Wann sind jemals so innige und gemüthszarte Lieder gedichtet worden als diese wehmuthsvollen und doch mild beruhigten lyrischen Stoßseufzer, in denen der Dichter sein heißes Sehnen nach innerem. Frieden ausspricht?

„Der Du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest,

Ach, ich bin des Treibens müde!

Was soll all der Schmerz, die Lust?

Süßer Friede,

Komm, ach tomm in meine Brust!"

Und jenes andere, am 6. September 1780 auf dem Gickelhahn bei Ilmenau gedichtete Abendlied:

„Ueber allen Gipfeln

Ist Ruh,

In allen Wipfeln

Spürest Du

Kaum einen Hauch;

Die Vöglein schweigen im Walde.

Warte nur, balde

Ruhest Du auch!"

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Auch die tief sehnsuchtsvollen Lieder Mignon's und des Harfners im Wilhelm Meister gehören bereits dieser Zeit an. Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide!" Und das Ergreifende: „Wer nie sein Brot mit Thränen aß, Wer nie die kummervollen Nächte Auf feinem Bette weinend saß, Der kennt Euch nicht, Ihr himmlischen Mächte!"

Die sieghafte Erfüllung und Versöhnung dieser langen leid= vollen Kämpfe aber liegt in den herrlichen Oden „Grenzen der Menschheit“ und „Das Göttliche“. „Denn mit Göttern soll sich nicht messen irgend ein Mensch; hebt er sich aufwärts und berührt mit dem Scheitel die Sterne, nirgends haften dann die unsichern Sohlen und mit ihm spielen Wolken und Winde.“ „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! Denn das allein unterscheidet ihn von allen Wesen, die wir kennen."

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Begeistert preist Goethe das Lob der Poesie im „Sänger". Aber das im Sommer 1784 entstandene Gedicht, welches jezt als "Zueignung“ der Eingang der Goethe'schen Gedichtsammlung ist, feiert als glücklichsten Gewinn, daß die trüben Nebel nunmehr ge= schwunden sind; „aus Morgendust gewebt und Sonnenklarheit, der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit“.

Goethe's größere Werke aus dieser Zeit stehen daher durchaus unter denselben Stimmungen und Wandlungen.

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In den Geschwistern", welche in den letzten Tagen des Octobers 1776 aus dem seltsam zwischen Liebe und Geschwisterzärtlichkeit hin und her schwankenden Verhältniß zu Frau von Stein entsprangen, in dem unvollendeten Bruchstück des „Elpenor", dessen Conception dem Sommer 1781 angehört, in dem ergreifenden Monodram „Proserpina“, das mit Unrecht als Zwischenspiel in den „Triumph der Empfindsamkeit" verbannt ist, sind trotz aller Schönheit im Einzelnen, die Nachklänge trüber Gefühlsphantastik noch deutlich hörbar. Aber seit 1778 beschäftigten schon Wilhelm Meister, seit 1780 Taffo den Dichter auf's lebhafteste; jene gewaltigen Dichtungen, deren Grundgedanke die Nothwendigkeit des entschlossenen Heraustretens aus der phantastischen Veberschwenglichkeit in die Bedingungen

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