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„Schrieb ich vielleicht mir nicht zum Ruhme,
So denkt, sein Schicksal traf ihn hart:
Er blühte noch, als seine Blume
Von einem Blitz getroffen ward. . .
Wem unter Jünglingen und Schönen

Ich ohne meine Schuld mißfiel,

Der denk': er spielt die letten Scenen

Von einem frühen Trauerspiel."

Lenz war früh vergessen. Bereits Schiller spricht in seinem Briefwechsel mit Goethe von Lenz wie von einem längst Verschollenen. Und Goethe schließt in Wahrheit und Dichtung seine Schilderung von Lenz mit den Worten, daß Lenz nur ein vorübergehendes Meteor gewesen, das nur augenblicklich über den Horizont der deutschen Literatur gezogen und plöglich wieder verschwunden sei, ohne eine Spur zurückzulassen.

Marimilian Klinger.

Lenz und Klinger werden fast immer untrennbar nebeneinander. genannt. Und in der That waren sie sich in ihrer Jugend in Stimmung und Manier sehr ähnlich. Doch ist Klinger der weitaus Bedeutendere; tiefer an Geist, edler und ernster in seinem Charakter. Lenz verkam, Klinger erhob sich zu hohem Ansehen.

Friedrich Marimilian Klinger war am 17. Februar 1752 zu Frankfurt am Main geboren. Weil Goethe 1822 an Klinger eine Abbildung seines elterlichen Hauses schickte und dieselbe mit den Worten begleitete, daß auch Klinger an diesem Brunnen gespielt und daß eine und dieselbe Schwelle sie ins Leben geführt habe, hat man annehmen zu dürfen gemeint, die Geburtsstätte Klinger's sei ein kleines Nebenhäuschen im Goethe'schen Hause gewesen. Doch ist diese Annahme irrig. Andere sehen das Geburtshaus Klinger's auf das Rittergäßchen, welches deshalb jezt Klingergasse heißt; die Ueberlieferung, welche sich in der Familie Klinger's erhalten hat, weist auf das jezt abgebrochene Haus „Zum Palmen= baum“ auf der Allerheiligengasse. Gewiß ist, daß Goethe und

Klinger erst zu einander in nähere Berührung traten, nachdem der Eine von Straßburg, der Andere von Gießen von der Universität zurückgekehrt war.

Goethe schildert im vierzehnten Buch von Dichtung und Wahrheit seinen Jugendfreund in folgender Weise: „Klinger's Aeußeres war sehr vortheilhaft. Die Natur hatte ihm eine große schlanke wohlgebaute Gestalt und eine regelmäßige Gesichtsbildung gegeben; er hielt auf seine Person, trug sich nett, und man konnte ihn für das hübscheste Mitglied der ganzen kleinen Gesellschaft ansprechen. Sein Betragen war weder zuvorkommend noch abstoßend, und, wenn es nicht innerlich stürmte, gemäßigt. Ich war Klinger's Freund, sobald ich ihn kennen lernte. Er empfahl sich durch eine reine Ge= müthlichkeit, und ein unverkennbar entschiedener Charakter erwarb ihm zutrauen. Entschiedene natürliche Anlagen besaß er in hohem Grade; aber Alles schien er weniger zu achten als die Festigkeit und Beharrlichkeit, die sich ihm, gleichsami angeboren, durch Umstände völlig bestätigt hatten.“

Noch mehr als in allen anderen Stürmern und Drängern zeigt sich in Klinger die Einwirkung Rousseau's mit greifbarster Deutlichkeit.

Klinger's Eltern waren sehr arm; der Vater war Constabler und Holzhacker, die Mutter Wäscherin. Und die Noth war täglich gewachsen, nachdem der Vater frühzeitig gestorben. Auf dem Gymnasium, das Klinger besuchen durfte durch die Fürsprache eines Lehrers, dessen Aufmerksamkeit das aufgeweckte Wesen des Knaben erregt hatte, war er zu den niedrigen Handdiensten eines Ofenheizers verwendet worden. Dabei aber im rüstig aufstrebenden Jüngling der stolzeste und trozigste Unabhängigkeitssinn! Als ihm bei seinem Abgang auf die Universität ein reicher Pathe ein Abschiedsgeschenk von zwei Dukaten einhändigte, gab er dieselben sofort dem Diener als Trinkgeld zurück. Und dieser drückende Widerspruch zu einer Zeit, in welcher der Verjüngungsruf Rousseau's die ganze gebildete Welt bis in das innerste Mark erregte und durchzitterte! Alle jene leidvollen Stimmungen, aus welchen die revolutionäre Denkweise

Rousseau's hervorgegangen, hatte Klinger in sich selbst auf's schmerz= lichste durchlebt und durchlitten. Rousseau's Emil, sagt Goethe in seiner Schilderung von Klinger's Jünglingsleben, war sein Hauptund Grundbuch. Und mit diesem Bericht Goethe's ist es durchaus übereinstimmend, daß Klinger selbst noch in einem seiner spätesten Werke, in der „Geschichte eines Deutschen der neusten Zeit“, in welche er ein gutes Stück seiner eigensten Lebensgeschichte verwebt hat, nach wie vor die Lehre Rousseau's als höchstes Lebensideal preist. „Der Jüngling, der keinen Führer hat“, heißt es hier, „wähle Rousseau; dieser wird ihn sicher durch die Labyrinthe des Lebens leiten, ihn mit Stärke ausrüsten, den Kampf mit dem Schicksal und den Menschen zu bestehen. Diese Bücher sind unter der Eingebung der lautersten Tugend, der reinsten Wahrheit geschrieben; sie enthalten eine neue Offenbarung der Natur, die ihrem Liebling ihre heiligsten Geheimnisse zu einer Zeit entschleierte, da die Menschen sie bis auf die Ahnung verloren zu haben schienen.“

Rousseau ist für Klinger sein ganzes Leben hindurch die Norm und der Leitstern seines Denkens und Empfindens geblieben. Dies ist das einheitliche Band seiner Jugenddichtungen und seiner späteren Werke, so groß sonst die Kluft ist, durch welche sie in Ton und Inhalt von einander getrennt sind.

Klinger war in seiner Jugend ausschließlich Dramatiker. Schon in Gießen veröffentlichte er 1775 ein Trauerspiel „Otto“; es war eine Nachahmung des Göz. Darauf in rascher Folge: „Das leidende Weib", welches Tieck irrthümlich in die Ausgabe der Lenz'schen Schriften aufgenommen hat, „Die Zwillinge, die neue Arria, Sturm und Drang, Simsone Grisaldi, Stilpo und seine Kinder“, und eine ganze Reihe anderer Stücke, zum Theil ohne seinen Namen. Im Jahr 1776 allein schrieb Klinger nicht weniger als fünf Dramen. Mit vollem Recht nannte Klinger diese Dramen, als er ein Jahrzehnt später einen Theil derselben in seinem Theater" (Riga 1786) zusammenstellte, Explosionen des jugendlichen Geistes und Unmuthes. Ihr einheitlicher Grundgedanke ist das Rousseau’sche Sehnen nach ursprünglicher unverfälschter Menschheit, der Rousseau'

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sche Groll und Kampf gegen die Enge und Bedingtheit der sittlichen und gesellschaftlichen Herkömmlichkeiten. Die erste Gruppe dieser Dramen, wie vor Allem die Zwillinge" und "Sturm und Drang", sind Darstellungen der elementaren Kraft ungebundener Leidenschaft. Und zwar sucht der Dichter kraft seiner Rousseau’schen Grundstimmung mit Vorliebe solche Charaktere auf, die durch schuldvolle That mit der Gesellschaft gebrochen haben, in ihrem Innersten aber edle Naturen sind. In seinen „Falschen Spielern" (1780) hat man gradezu das Vorbild der Schiller'schen Räuber erkennen wollen. Eine zweite Gruppe berührt das Gebiet der socialen Fragen. Es ist für die Sinnesweise der Sturm- und Drangperiode bezeichnend, daß „Das leidende Weib“ und „Die neue Arria", wie schon Lenz' Hofmeister, Gestalten emancipirter starkgeistiger Frauencharaktere vorführen, die mit den Frauencharakteren der neuen französischen Romantiker und der sogenannten jungdeutschen Schule die unver= kennbarste Verwandtschaft haben. Und eine dritte Gruppe, wie zum Theil bereits „Die neue Arria" (1776), noch mehr aber Stilpo und seine Kinder“ (1780) greift sogar kühn in die Ideen und Leidenschaften politischer Revolutionen; ein Thema, das Goethe und Lenz durchaus fern lag, das aber mit Klinger's Natur so tief verwachsen war, daß er es auch, nachdem er längst mit dem Ton der Sturmund Drangperiode gebrochen hatte, selbst auf dem schlüpfrigen Boden des Petersburger Hoflebens mit sichtlichster Vorliebe fest= hielt. Hier hatte zweifellos Emilia Galotti das Vorbild gegeben. Zugleich aber stand Klinger das zu erstrebende Ziel eines politischen Lustspiels vor Augen. „Es scheint", sagt er 1786 in dem kritischen Anhang zu seinem Lustspiel „Der Schwur“, „für den Deutschen charakteristisch zu sein, Alles, was groß, mächtig, reich, bedeutend und vielsagend ist, in stiller Unterwerfung und Bewunderung zu verehren. Hat es auch nur Einer gewagt, die Rasereien, Verationen, Tyranneien, den aufgeblasenen lächerlichen Stolz, die unzählbaren Thorheiten einiger unserer Fürsten zu geißeln? Nur die Residenten erluftigen die auswärtigen Höfe mit den Farcen, die wir täglich sehen und für Privilegien der Herrschaft zu halten scheinen.“

Aber dies Alles nur ringende Ahnung; unklar und unreif, roh, phrasenhaft. Der sittliche Sinn Klinger's, der sich später in der Zucht eines erfahrungsreichen wechselvollen Lebens zu so achtunggebietender Reinheit und Festigkeit läuterte, krankte noch an allen Excentricitäten eitler Geniesucht. Viel hohler Schwulst, viel wilde Phantasterei.

Der Vergleich mit Goethe ist lehrreich. Jenes hohe titanische Unendlichkeitsstreben, das in Goethe's Jugenddichtungen so überwältigend wirkt, ist in Klinger nichts als thatloser Thatendrang, aberwißiges Prahlen überschäumenden zwecklosen Kraftgefühls. Statt des Hinabsteigens in die geheimnißvollen Tiefen der leidenschaftlich bewegten Menschenbrust nur lärmendes und tobendes Ungestüm oder grelle und grausame Schaudergemälde der gesellschaftlichen Uebel und Härten. Und der Roheit und Phrasenhaftigkeit der Empfindung entspricht die Roheit und Phrasenhaftigkeit der Darstellung, zumal Klinger ohne hinreichende plastische Gestaltungskraft und ohne Blick für die Forderungen künstlerischer Komposition ist, ja eigentlich kaum ein Dichter genannt werden kann. Wie verschieden ist das Verhältniß Goethe's und Klinger's zu Shakespeare! Klinger sah in Shakespeare nur den Freibrief für alles Seltsame und Absonderliche, für alles Rohe und Ungeschlachte. Das Häßliche und Gräßliche, das plump Natürliche und Cynische galt ihm für Kraft und Größe, das Leichtfertige und Skizzenhafte für kühne Genialität. Klinger shakespearisirte; aber so, daß man ihn spottend den tollgewordenen Shakespeare genannt hat. Und doch galt solche Unnatur seinen Zeitgenossen als so maßgebend und natürlich, daß man nach Klinger's ungeheuerlichstem Drama „Sturm und Drang" (1776) diese ganze Periode benennen darf.

Nur mit Mühe können wir uns jezt in eine Zeit hineinempfinden, in welcher ein geistvoller Mensch, wie Klinger unstreitig ist, in solchen Wahnwig verfallen, und sogar, obgleich bereits Minna von Barnhelm und Emilia Galotti und Gög und Clavigo vor= handen waren, mit demselben Aufsehen erregen konnte. Man höre die albernen Tiraden Wild's, des Hauptcharakters in Sturm und

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