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Als die Pläne auf Weimar gescheitert waren, ging Klinger nach Leipzig; rathlos über seine Zukunft. Eine Zeitlang dachte er daran, Artillerie zu lernen, um, wie Nicolai am 12. October 1776 an Merck schreibt, nach Amerika zu gehen und dort mit Thatkraft die Freiheit zu verfechten. Dann aber änderte er seinen Entschluß und trat bei der Seyler'schen Schauspielergesellschaft mit einem Gehalt von fünfhundert Thalern als Theaterdichter ein. Fast zwei Jahre verblieb Klinger bei dieser Truppe, welche in dieser Zeit besonders in Frankfurt, Mannheim und Mainz spielte. Doch scheint ihm seine Stellung wenig behagt zu haben; wir erfahren, daß er 1780 sein Engagement bei Seyler eine Sottije nannte.

Bei dem Ausbruch des bairischen Erbfolgekrieges wurde Klinger Offizier in einem österreichischen Freicorps. Der Krieg dauerte nur ein Jahr; darauf finden wir Klinger bei Schlosser in Emmendingen. „Klinger ist nun bei mir“, schreibt Schlosser am 14. October 1779 an Merck; „ich wollte seinetwegen, daß es wieder Krieg gäbe. Die Zeit wird ihm oft verwünscht lang und ihm wär's gut, wenn strenge Subordination ihn amüsiren hülfe." Darauf lebte Klinger 1780 eine Zeitlang bei Sarasin in Basel.

Was konnte bei so unstetem Treiben für die innere Ausbildung Klinger's gewonnen werden? Des lieben Brotes willen schrieb Klinger einige Romane im Geschmack Grebillon's, welche er später mit Recht von seinen Werken ausschloß. Nichtsdestoweniger hatten die zunehmenden Jahre und Lebenserfahrungen in Klinger eine tiefgreifende Wandlung vorbereitet. In Basel entstand, im Verein mit Sarasin, Pfeffel und Lavater, die Schrift „Plimplamplasko der hohe Geist, heut Genie; eine Handschrift aus der Zeit Knipperdolling's und Dr. Martin Luther's". Es war eine Satire auf das verschrobene Geniewesen der jüngsten Gegenwart, das sich überhebe und aus dem Menschen ein ander und größer Ding machen wollte, als er sei; die Titelvignette zeigt zwei ausschlagende Esel! Doch ist diese Satire mit allen Roheiten und Unarten, die sie bekämpft, noch selbst behaftet.

Kurz darauf aber erfolgte in Klinger's Leben die Wendung,

welche nicht blos für seine äußere Stellung, sondern auch für seine ganze Bildung und Denkweise entscheidend wurde.

Pfeffel hatte versucht, ihm durch Franklin's Vermittlung eine Stelle im nordamerikanischen Heere zu verschaffen. Es war mißlungen. Da verwendete sich Schlosser bei seinem Gönner Prinz Friedrich von Würtemberg für Klinger, und dieser gab ihm Reise= geld und Empfehlungen an den Hof von St. Petersburg. Die Abreise geschah im September 1780. Klinger wurde Vorleser bei dem Großfürsten Paul, dessen Gemahlin eine Prinzeß von Würtemberg war. Zugleich wurde er Lieutenant beim Flottenbataillon.

Hatte sich schon in den lezten Jahren in Klinger's Wesen der Beginn einer Epoche maßvollerer Reife und Selbstbesinnung angefündigt, jo trugen seine neuen großen Verhältnisse wesentlich bei, diese beginnende Reise zu fördern und zu vollenden. Es wurde Klinger das Glück, 1781 und 1782 im Gefolge des Großfürsten einen großen Theil Europas, namentlich auch Italien, bereisen zu können. Heinse und der Maler Müller, zwei alte Jugendfreunde, mit welchen Klinger in Neapel und Rom zusammentraf, bezeugen in ihren Briefen, daß Klinger noch der alte brave Bursch sei, vergnügt und freudig und voll guten Humors, aber von „zweckmäßigerer Bestimmtheit" als früher und voll hingebender Begeisterung für die große Geschichts- und Kunstwelt Italiens; er sei ganz Entzücken. und Bewunderung. Klinger gedenkt in seinen späteren Schriften oft und gern der tiefen und nachhaltigen Kraft dieser gewaltigen Eindrücke. Und nicht weniger waren die großen Staats- und Machtverhältnisse Rußlands selbst dazu angethan, seinen Blick zu erweitern und ihn aus den Träumereien überschwenglicher Jugend in das feste werkthätige Leben und dessen unverrückbare Bedingungen und Grenzen zu führen. Der unvergängliche Ruhm Klinger's ist, daß er mitten im glänzendsten Hoftreiben, ringsumgeben von der nichtswürdigsten Eigensucht, zwar die unreise Phantasterei, nicht aber den unverbrüchlichen Idealismus des Herzens aufgab. Auf dem schlüpfrigen Boden, auf welchem oft sogar Tüchtige straucheln und fallen, steigerte sich sein angeborener gesunder Sinn, sein entschiedener

Charakter, sein ernstes Wesen und jener Zug stolzer Unabhängigkeit, welchen Goethe schon am Jüngling rühmte, zu einem Heroismus sittlicher Kraft, wie er in jener Zeit politischer Erschlaffung bei keinem anderen deutschen Mann in gleicher Unerschütterlichkeit zu finden war.

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Es ist ein ergreifendes Selbstbekenntniß, wenn Klinger in der 1785 zu Petersburg geschriebenen Vorrede seines Theaters" sagt: „Ich kann heut über meine früheren Werke so gut lachen als einer; aber so viel ist wahr, daß jeder junge Mann die Welt mehr oder weniger als Dichter und Träumer ansicht. Man sieht Alles höher, edler, vollkommener; freilich verwirrter, wilder und übertriebener. Die Welt und ihre Bewohner kleiden sich in die Farbe unjerer Phantasie und unseres guten Glaubens, und eben darum ist dies der glücklichste Zeitpunkt unseres Lebens, nach welchem wir zu Zeiten bei aller sauer erworbenen Klugheit mit Verlangen zurückblicken. Vielleicht wäre diese poetische Eristenz die glücklichste auf Erden, wenn sie dauern könnte. Besser ist's, man kocht dies Alles im Stillen aus, denn alle diese Träumereien sind Contrebande in der Gesellschaft, wie ihre Urheber selbst. Erfahrung, Uebung, Umgang, Kampf und Anstoßen heilen uns von diesen überspannten Idealen und Gesinnungen, von denen wir in der wirklichen Welt so wenig wahrnehmen, und führen uns auf den Punkt, wo wir im bürgerlichen Leben stehen sollen. Insofern nämlich, daß wir sie nicht mehr um uns herum suchen und fordern. Doch zu ihrem eigenen Besten giebt es so glücklich organisirte Geister, die troß aller Erfahrung eine gewisse idealische Erhebung beibehalten, die ihre Besizer durch das ganze Leben hindurch gegen den Druck des Schicksals stählt und sie über das Gewöhnliche erhebt." Und ganz in demselben Sinn ist es gemeint, wenn Klinger in seinem Roman Der Weltmann und der Dichter" den Dichter zum Weltmann sagen läßt: „Ich könnte Ihnen viel erzählen, wie alle meine Geistesprodukte der früheren Zeit einen gewissen Mangel an sich tragen; wie es ihnen an dem festen Charakter der späteren fehlt und fehlen mußte. Ich könnte Ihnen weitläufig darthun, wie sich erst die wirkliche

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Welt blos durch den dichterischen Schleier meinem Geiste darstellte, wie die Dichterwelt bald darauf durch die wirkliche erschüttert ward und dann doch den Sieg behielt, weil der erwachte selbständige moralische Sinn Licht durch die Finsterniß verbreitete, die des Dichters Geist ganz zu verdunkeln drohte.“

Auch die Stimmungen und Gedanken dieser neuen Bildungsepoche hat Klinger in zahlreichen Schriften niedergelegt, besonders in einer langen Reihefolge von Romanen, deren Erfindung und Ausführung in die Jahre von 1791-1805 fällt.

Die Betrachtung dieser zweiten Epoche Klinger's aber gehört nicht mehr der Geschichte der Sturm- und Drangperiode an, sondern der Geschichte des nächstfolgenden Zeitalters.

Heinrich Leopold Wagner.

Neben Lenz und Klinger stand ein Dritter, der von den nächsten Zeitgenossen unter die sogenannten Goethianer eingereiht wurde. Auch er gehörte zu Goethe's persönlichem Freundeskreise. Goethe führt im vierzehnten Buch von Dichtung und Wahrheit die Schilderung desselben mit den Worten ein: „Vorübergehend will ich noch eines guten Gesellen gedenken, der, obgleich von keinen außerordentlichen Gaben, doch auch mitzählte. Er hieß Wagner, erst ein Glied der Straßburger, dann der Frankfurter Gesellschaft; nicht ohne Geist, Talent und Unterricht. Er zeigte sich als ein Strebender, und so war er willkommen.“

Heinrich Leopold Wagner war am 19. Februar 1747 zu Straßburg geboren. In den Jahren 1773 und 1774 war er Hofmeister in Saarbrücken. Seit dem Anfang des Jahres 1775 lebte er in Frankfurt. Am 21. September 1776 erhielt er dort die Erlaubniß der Advocatur.

Wagner war unter den Goethianern entschieden der Unbe= deutendste. Er zehrte von den Brosamen, die von des Herrn Tisch fielen; ja er verargte sich nicht, sich diese Brosamen zuweilen

unrechtmäßig zuzueignen. Jung-Stilling nennt ihn einen Raben mit Pfauenfedern.

Am bekanntesten ist Wagner geworden durch seine Farce „Prometheus, Deukalion und die Recensenten“ (März 1775) und durch sein Trauerspiel „Die Kindesmörderin" (1776).

Jene Farce ist eine wißige Harlekinade in Knittelversen. Die Gegner Goethe's werden im Ton der Goethe'schen Puppenspiele ver= spottet; statt der Personennamen kleine Holzschnittfiguren, klar bezeichnend und von beißender Schärfe. Viele einzelne Wigworte und Wendungen waren unmittelbar mündlichen Scherzen Goethe's ab= gelauscht. Ueberall wurde daher die kleine dreiste Satire für ein Werk Goethe's gehalten; ein Verdacht, der für Goethe um so pein= licher war, da sie auch einige muthwillige und indiscrete Anspielungen auf Goethe's sich eben vorbereitende Verbindung mit Weimar und die dadurch herbeigeführte Versöhnung mit Wieland enthielt. Goethe erließ am 9. April 1775 in den Frankfurter Gelehrten Anzeigen eine Erklärung, daß nicht er der Verfasser des Prometheus sei, sondern daß denselben Heinrich Leopold Wagner verfaßt und veröffentlicht habe, ohne sein Zuthun und ohne sein Wissen. Es laufen in dieser Burleste Töne unter, die sich Goethe niemals erlaubt hätte. Das Trauerspiel Die Kindesmörderin" ist nicht ohne Talent, aber von unsäglicher Roheit und Geschmacklosigkeit. Goethe erzählt in Dichtung und Wahrheit, daß dasselbe aus den Andeutungen hervorgegangen, welche er in argloser Offenheit seinem Freunde über Faust's und Gretchen's Liebestragödie vertraut hatte. Die Aehnlich= keit des Grundmotivs ist unverkennbar; der Schlaftrunk, die Er= mordung des Kindes, kehren auch hier wieder. Im Uebrigen aber ist Alles auf den gemeinsten und widerwärtigsten Boden übertragen. Wir athmen nicht die Luft der Gretchentragödie, sondern die stickende Wachtstubenluft der Lenz'schen Soldaten. Ein Plagiat kann das Werk daher nicht genannt werden, obgleich die Anlehnung an die Faustscenen nicht zu rechtfertigen ist. So wenig Weiße an Shakespeare's Richard dem Dritten, so wenig konnte Wagner an Goethe zum Plagiarius werden.

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