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Die erste Ausgabe erschien ohne Wagner's Namen unter dem Titel: Die Kindesmörderin, ein Trauerspiel. Leipzig im Schwickert= schen Verlage. 1776. 120 S. in 8." Ein Offizier hat ein Bürgermädchen mit ihrer Mutter in ein schlechtes Haus geführt. Dort giebt er der Mutter einen Schlaftrunk, und schändet die Tochter. Ergreifend ist die Scham des Mädchens, das das Geschehene den Eltern verheimlicht; besonders gut ist die Zeichnung des polternden braven Vaters, eines ehrlichen Mezgers, der entschieden dem Musikus Miller in Schiller's Kabale und Liebe als Vorbild gedient hat. Ergreifend auch die Reue des Offiziers, der das Mädchen zur Sühnung heirathen will. Die Tochter flieht, um die Schande zu verbergen. Heimliche Geburt. Sie wird todtgesagt. Die Mutter stirbt aus Gram. Ein untergeschobener Brief erweckt im Mädchen den Verdacht, der Räuber ihrer Ehre verlasse sie. In der Verzweiflung ersticht das Mädchen das Kind. Der Vater, herbeigerufen, verzeiht. Der Offizier kommt, will sie heirathen. Zu spät. Die Kindesmörderin verfällt dem Gericht.

Karl Lessing suchte dieses Stück durch eine mildernde Umarbeitung für die Bühne brauchbar oder, wie er sich ausdrückt, „vor ehrlichen Leuten vorstellbar" zu machen; und es ist höchst beachtenswerth, daß Gotthold Ephraim Lessing diesen Plan billigte und den Verfasser, für welchen er Lenz hielt, weit über Klinger stellen zu können meinte. Namentlich der schlimme erste Akt wurde verändert. Andere Bearbeitungen folgten. Später nahm Wagner selbst eine solche Umarbeitung vor, „um“, - so lauten seine Worte — „den in der Kindesmörderin behandelten Stoff so zu modificiren, daß er auch in unseren delikaten tugendlallenden Zeiten auf unserer sogenannten gereinigten Bühne mit Ehren erscheinen dürfte“. Der Ausgang wurde in das Heitere gewendet; das Mädchen bebt zurück vor dem Kindesmord. Das Stück erhielt jezt den Titel: „Evchen Humbrecht oder Ihr Mütter merkt's Euch! Ein Schauspiel in fünf Aufzügen“; und in dieser Fassung wurde es im September 1778 von der Seyler'schen Gesellschaft in Frankfurt am Main aufgeführt.

Selbständiger ist ein anderes Trauerspiel Wagner's, das noch vor der Kindesmörderin geschrieben ist, „Die Reue nach der That", 1775. Es ist wie Clavigo einem wirklichen Ereigniß nachgedichtet. Eine rangstolze Justizräthin will nicht zugeben, daß ihr Sohn die Tochter eines Kutschers heirathet. Der Sohn wird darüber wahn= sinnig. Das Mädchen vergiftet sich. Die Mutter geräth in Verzweiflung. Unter dem Titel „Familienstolz" wurde dies Stück auf Schröder's Bühne ein beliebtes Repertoirestück; der Kutscher Walz gehörte zu Schröder's eigenthümlichsten Rollen. Unwillkürlich denkt man auch hier wieder an Schiller's Kabale und Liebe, das in Manchem von Wagner's Dichtung abhängig ist.

Ueberall frischer Griff in das wirkliche Leben, scharf tragischer Conflict. Aber überall krassestes Natürlichkeitsstreben bis zum Cynismus, ohne den leisesten Anhauch wirklich poetischen Empfindens. Die lyrische Dichtung war Wagner so gut wie versagt.

Auf Grundlage der Eschenburg'schen Uebersehung schrieb er ferner eine Bearbeitung des Macbeth, und in vergröberter Sterne'scher Manier einen Roman „Leben und Tod Sebastian Sillig's“, der nicht über den ersten Band hinaus kam und jezt völlig verschollen ist.

Auch kritisch suchte er in die Bewegungen der Sturm- und Drangperiode einzugreifen. Wagner ist der Verfasser der gegen das französische Theater gerichteten dramaturgischen Briefe, die Seyler'sche Gesellschaft betreffend, 1777; und ebenso ist er, auf Goethe's Veranlassung, der Uebersezer von Mercier's Neuem Versuch über die Schauspielkunst, jenem Werk des vorurtheilslosen Franzosen, der Shakespeare zu würdigen wußte (1776). Nicht ohne Geist ist die gegen Voltaire als Vertreter des Pseudoclassicismus ge= richtete Satire: Voltaire am Vorabend seiner Apotheose (1778), die Erich Schmidt in seiner Schrift über Wagner treffend ge= würdigt hat.

Wagner starb am 4. März 1779.

Ein wunderlicher Zufall fügte es, daß um dieselbe Zeit noch ein anderer Schriftsteller lebte, welcher denselben Namen Heinrich

Wagner führte. Er war Advocat in Mainz, und gab in den Jahren 1776-1781 im Frankfurter Verlag einen Frankfurter Musenalmanach" heraus. Wagner mußte sich öffentlich gegen die Verwechslung mit diesem höchst unbedeutenden Namensvetter ver= wahren.

Fünftes Kapitel.

Maler Müller.

Friedrich Müller, in der deutschen Literaturgeschichte gewöhnlich der Maler Müller genannt, ist unter den Dichtern der Sturm- und Drangperiode einer der bedeutendsten.

An Poesie der Empfindung und an Kraft der Gestaltung überragt er Lenz und Klinger weit. Er war auf einen großen und ächten Dichter angelegt. Aber er kam nicht zur vollen Reife. Seine Jugenderziehung war nur sehr unzulänglich gewesen; die äußeren Umstände hatten ihn zur Malerei geführt, seine Kräfte wurden zertheilt und zersplittert; in falscher Geniesucht glaubte er der ernsten Arbeit und Sammlung entbehren zu können; der dauernde Aufent= halt in Rom, wohin er sich frühzeitig gewendet hatte, entfremdete ihn allem lebendigen Literaturverkehr.

Johann Friedrich Müller wurde am 13. Januar 1749 zu Kreuznach geboren, als Sohn eines Bäckers, der bei seinem frühen Tode seine zahlreiche Familie in Dürftigkeit zurückließ. Ein träumerischer Hang zur Natur und die Lust an den alten deutschen Volksbüchern machte sich früh in dem Knaben bemerkbar. Kaum der Schule entwachsen, wurde er im Jahr 1766 oder 1767 nach Zweibrücken gebracht, in den Unterricht des dortigen Hofmalers Conrad Manlich. In Zweibrücken sind seine Idyllen und seine Lieder und Balladen entstanden. Zu Anfang des Jahres 1775 ging Müller nach Mannheim. Als Maler wurde er hier besonders von den Niederländern angezogen; tiefer aber griff seine dichterische Entwicklung. Mit Dalberg, Gemmingen und dem Buchhändler Schwan

stand er in nächster Verbindung, von Darmstadt aus wirkte die Anregung Merd's; und ebenso sind persönliche Berührungen mit Goethe, Lenz, Klinger, H. L. Wagner, Friz Jacobi und Kaufmann nachweisbar. Shakespeare und die Stimmungen und Ziele der Sturm- und Drangperiode traten in seine Seele; es erwachte der Muth und der Antrieb dramatischen Schaffens. Auch an Lessing, als dieser im Anfang des Jahres 1777 in Sachen des neu errichteten Nationaltheaters einige Wochen in Mannheim verweilte, schloß sich Müller auf's innigste. Müller erzählt in einem Briefe (Morgenblatt 1820. Nr. 48), Lessing habe mehrfach den Wunsch ausgesprochen, die lezte Epoche seines Lebens vereint mit ihm, am liebsten in Italien, beschließen zu können.

Die ersten Dichtungen, mit welchen Müller auftrat, die Idyllen, zerfallen in drei Gruppen; in biblische, mythologische, volksthümlich deutsche.

In den biblischen Idyllen sieht man noch die Schule Geßner's und Klopstock's; aber an farbiger Lebensfülle sind sie ihren Mustern weit überlegen. Besonders die Idylle „Adam's erstes Erwachen und erste selige Nächte" ergreift durch ihre schwellende Kraft und durch die Zartheit und Feierlichkeit ihres Naturgefühls; zumal die Schilderungen der Thierwelt sind mit ächt plastischem Auge gefühlt und gezeichnet.

Eigenthümlicher und in ihrer Art von hoher Vollendung sind die mythologischen Idyllen. Sie bewegen sich ausschließlich im my= thischen Kreise der griechischen Satyrn, die schon der Komik der Alten den ergiebigsten Stoff boten; aber aus der alten Satyrmaske lugt zugleich überall das wohlbekannte Gesicht Falstaff's. Der Held der ersten Idylle „Der Satyr Mopsus" ist der Polyphem Theokrits; aber in der naiven Darlegung seiner wechselnden Seelenstimmungen individueller, freilich auch Wielandisch lüsterner. Die zweite Idylle „Der Faun" ergößt durch das burleske Gemisch rein menschlicher gemüthsinniger Rührung und halb thierischer Roheit. Und die dritte Idylle „Bacchidon und Milon", obgleich etwas zu breit ausgeführt, ist eine der genialsten Humoresken, welche die deutsche

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