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Literatur aufzuweisen hat. An seiner epheuumwachsenen Grotte saß der Knabe Milon entzückt, ihm war ein treffliches Lied auf den Weingott Bacchus gelungen; das gefiel ihm selbst so wohl, daß er es, weil Niemand zugegen war, der es hören wollte, dreimal seinen Ziegen vorsang. Eben kam der Satyr Bacchidon auf seine Höhle. zu; fröhlich nöthigt ihn der Hirt herbei; doch der Satyr will nicht weilen. Der junge Hirt muß sich entschließen, einen mit frischem Most weidlich gefüllten Schlauch zu öffnen. Und nun beginnt der drolligste Kampf zwischen der unersättlichen Trinklust des Satyrs, der in weinseliger Geschwäßigkeit immer neue Gründe zum Trinken. vorbringt, und zwischen der unwiderstehlichen Singlust des lob= begierigen Hirten, der mit seinem Lied nicht zu Wort kommen fann. Nur durch angedrohte Stockschläge ist der Satyr zum Schweigen zu bewegen. Aber auch jezt noch unterbricht er den Gesang unablässig durch Schwazen und Trinken, bis endlich der Gesang beendet ist und der Satyr mit einer parodischen Elegie auf den leeren Schlauch von dannen wankt, um am Ufer seinen Rausch auszuschlafen.

Geschichtlich am wichtigsten ist die dritte Gruppe der Idyllen, die volksthümlich deutsche. In ihr kommen am offensten die dichterischen Stimmungen und Richtungen der Sturm- und Drangperiode zum Ausdruck. Die eine dieser Idyllen „Die Schaafschur“ hat sogar den ganz bestimmten Zweck, das Recht und die Nothwendigkeit der Rückkehr zu ächter Volksthümlichkeit in der Dichtung gegen die Regeln und Herkömmlichkeiten der sogenannten Gelehrtendichtung in scharfen Gegensatz zu stellen. Die Dichtung soll hübsch natürlich sein; sie soll sagen, wie sich der Mensch um's Herz fühlt. Daher einerseits in diesen deutschen Idyllen, in der „Schaafschur" und im „Nußkernen“ das volle Hineingreifen in die unmittelbarste Gegenwart und Lebenswirklichkeit, das im bewußten Gegensatz zu Geßner steht und sich daher oft um so genialer dünkt, je hausbacken naturalistischer es ist. Und daher andererseits in Ulrich von Coßheim“, den freilich erst Tieck aus Bruchstücken Müller's zusammenseßte, die begeisterte Wiederbelebung der alten heimischen Sagenwelt. Namentlich

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nach dieser Seite hin hat Müller auf die Dichter der romantischen Schule mächtig eingewirkt.

Und Müller's Lyrik verdient das Lob ähnlicher Trefflichkeit. Zuweilen allerdings stören auch hier noch einige Klänge, welche an das Getändel der jüngst vergangenen Anakreontik erinnern; aber bald bricht die warme Sprache des Herzens durch, mit dem füßen Naturlaut reiner Empfindung. Das Eigenste dieser Lyrik ist am Mark des deutschen Volksliedes groß geworden. Lieder und Balladen, wie der „Thron der Liebe“ und „Der Pfalzgraf Friedrich“ in der Idylle von der Schaafschur, und „Das braune Fräulein“, „Soldatenabschied“, „Dithyrambe“, „Frühling“, „Der schöne Tag“, „Jägerlied“, welche um dieselbe Zeit, theils als kleine selbständige Sammlung, theils in Almanachen und Zeitschriften erschienen und seit 1873 in der verdienstlichen Zusammenstellung des Grafen York vorliegen, und seitdem durch Weinhold und Weisstein noch vermehrt wurden, sind in der Sturm- und Drangperiode so schlicht und herzlich und so poetisch liedmäßig nur von Goethe und Bürger ge= sungen worden.

Am bekanntesten ist Müller als Dramatiker.

Zwei Trauerspiele Müller's, „Rina“ und „Kaiser Heinrich der Vierte“, sind verloren. Rina wird im vierten Bande von Friedrich Schlegel's Deutschem Museum ein Stück aus der gothischen Ge= schichte genannt und, wie man vermuthen dürfe, auch ächt gothisch im Stil". Von Kaiser Heinrich dem Vierten, einem Trauerspiel in fünf Aufzügen, das fast ganz vollendet war, finden sich einzelne Bruchstücke unter Müller's Papieren, die aus Tied's Nachlaß in die Bibliothek zu Berlin gelangt sind. Seit 1776 war Müller mit der Dramatisirung des "Faust" beschäftigt. 1778 erschien „Niobe“. In dieselbe Zeit fallen auch die Anfänge von „Golo und Genoveva“. Durch die Thatsache, daß Müller im Faust mit Goethe, in der Genoveva mit Tieck zusammentraf, ist es gekommen, daß sich im Gedächtniß der Nachwelt der Name Müller's fast einzig an diese Dichtungen knüpft.

Schöpfungen von Kraft und Genialität. Namentlich in der

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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Genoveva bekundet sich eine reiche und ächte Dichternatur. Nichtsdestoweniger treten, rein künstlerisch betrachtet, grade in diesen Dramen die Schwächen Müller's am offensten zu Tage. Der Mangel tieferer Bildung rächt sich. Der dramatische Dichter bedarf nicht blos einer reichen schöpferischen Phantasie; er bedarf auch einer bedeutenden Gedankentiese und eines durchgebildeten Kunstverstandes, ohne dessen Obhut die unerläßlichen Bedingungen dramatischer Komposition, sichere Führung und Ausgestaltung der Motive, feste und klare Beherrschung der Massen, natürliche und in sich folgerichtige Verkettung und Steigerung der Handlung, schlechterdings unerfüllbar sind. Alle diese Dramen sind nur lose aneinandergereihte dramatische Scenen. Unmittelbar neben Gedanken und Motiven von er= greifender Tiefe und Poesie das Niedrigste und Banalste. Wo wir hinabsteigen sollen in die Schrecken der Leidenschaft, auch hier oft nur jenes wahnwißige wuthstammelnde aufgedunsene Getobe, wie es so eben durch Klinger in Umlauf gekommen. Statt lebensvoll individualisirter Naturwahrheit auch hier oft die rohste Schaustellung gemeinster Wirklichkeit, abstoßende Renommisterei mit Cynismen. Genialität; aber unfertige, wild gährende. Man wird an Grabbe und an die Jugenddramen Hebbel's erinnert.

In Faust und Niobe das ringende Titanenthum.

Obgleich es Müller leugnet, so ist es doch wahrscheinlich, daß Müller von dem Vorhaben Goethe's, einen Faust zu dichten, Kunde hatte, als er den Plan seiner Faustdichtung faßte. Man hat den Eindruck, als sei das Motiv ein blos anempfundenes, nicht ein aus dem eigensten Herzen des Dichters selbst stammendes. Der Dichter weiß nicht, welch wunderbaren Stoff er unter der Hand hat. Es überkömmt uns etwas von jener tiefen Tragik des Menschengeistes, welche die Grundidee des Goethe'schen Faust ist, wenn Müller in der Zuschrift an Gemmingen, welche er seiner Faustdichtung vorausgeschickt hat, erzählt, daß Faust schon in seiner Kindheit einer seiner Lieblingshelden gewesen, weil Faust ein großer Mensch sei, der alle seine Kraft fühle und der Muth genug habe, Alles niederzuwerfen, was ihm hindernd in den Weg trete, ganz zu sein, was er fühle

daß er sein könne. Und es erscheint wie eine Erfüllung dieser erregten Erwartung, wenn wir dann Faust in seinem Studierzimmer finden, in brütender Qual, daß die aufkeimenden Ideen, die er sich in süßen Stunden erschaffen, doch unter Menschenohnmacht wieder dahinsterben müssen wie ein Traum im Erwachen. „Mit wie vielen Neigungen wir in die Welt treten! Und die meisten, zu was Ende? Sie liegen, von ferne erblickt, wie die Kinder der Hoffnung, kaum in's Leben gerückt; sind verklungene Instrumente, die weder begriffen noch gebraucht werden; Schwerter, die in ihrer Scheide verrosten. Warum so grenzenlos an Gefühl dies fünfsinnige Wesen und so eingeengt die Kraft des Vollbringens? Trägt oft der Abend auf goldenen Wolken meine Phantasie empor, was kann, was vermag ich nicht da! Wie bin ich der Meister in allen Künsten, wie spanne, fühle ich mich hoch droben, fühle in meinem Busen alle aufwachen die Götter, die diese Welt in ruhmvollem Loose wie Beute unter sich vertheilen. Der Maler, Dichter, Musiker, Denker, Alles, was Hyperion's Strahlen lebendiger küssen und was von Prometheus' Fackel sich Wärme stiehlt, möcht's auch sein und darf nicht; übermann' es ganz unter mich in der Seele und bin doch nur Kind, wenn ich körperliche Ausführung beginne, fühle den Gott in meinen Adern flammen, der unter des Menschen Muskeln zagt. Für was den Reiz ohne Stillung? O, sie müssen noch alle hervor, all' die Götter, die in mir verstummen, hervorgehen hundertzüngig, ihr Dasein in die Welt zu verkündigen! Ausblühen will ich voll in allen Ranken und Knospen, so voll, so voll! Es regt sich wie Meeressturm über meine Seele, verschlingt mich noch ganz und gar. Wie dann? Soll ich's wagen, darnach zu tasten? Ich muß, muß hinan! Du Abgott, in dem sich mein Ineres spiegelt! Wer ruft's! Geschick= lichkeit, Geisteskraft, Ehre, Ruhm, Wissen, Vollbringen, Gewalt, Reichthum, Alles, den Gott dieser Welt zu spielen den Gott!" Aber diese tief metaphysische Idee, die Goethe so großartig erfaßte und zu so klassischer Lösung führte, verschwindet bei Müller in der Ausführung gänzlich. Müller's Faust ist nicht das hehre Spiegelbild ungestümen Unendlichkeitsstrebens, sondern nur der trübe Nieder

schlag des sophistischen Geniewesens der Sturm- und Drangperiode, welches die Fülle des Genies nicht selten nur in der Entfesselung der Leidenschaft und in verlumpter Liederlichkeit suchte. Müller's Faust übergiebt sich dem Teufel, um sich aus seinen Schulden zu retten; er fordert von Mephistopheles nur ausschweifendes Wohl= leben. Merc sagt in einer Recension in Wieland's Deutschem Merkur vom Juli 1776: „Was ist dieser Faust, wenn ihn der Teufel verläßt? Ein elender Prahler, der sich bald in Königinnen verliebt und bald mit einer Sentenz im Munde weinend abgeht." Einzelne reuige Anwandlungen sind kein Ersag für mangelnde Seelenhoheit. Die Geister-, Juden- und Studentenscenen, allerdings von höchst kraftvoller Lebendigkeit, sind abstoßend roh. Das Ganze zerstiebt und verflattert.

Vier weitere Theile sollen diesem ersten Theile folgen. Doch ist eine Umarbeitung und Fortbildung, welche in Nr. 238 bis 259 des Frankfurter Conversationsblattes von 1850 aus Müller's hinterlassenen Papieren mitgetheilt ist, nur eine fast wört= liche Uebertragung des alten Tertes in holprige Knittelverse, freilich mit Einflechtung einer neuen Liebes - Episode. Sicher ist diese Umarbeitung erst nach 1790 entstanden, nach der Veröffent= lichung von Goethe's Fragment. Andere handschriftlich vorhandene Umarbeitungen hat Seuffert in seinen Arbeiten über Müller besprochen.

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Auch in der Niobe begegnete sich Müller mit Goethe. Die Stimmung, aus welcher Müller's Niobe entsprungen, ist die Stimmung des Goethe'schen Prometheus. Der herausfordernde Troh, der flammende Rachedurst gegen die strafenden Götter, der Kampf zwischen Stolz und Mutterliebe, die endliche Ergebung und Niederlage, ist mit großer Kunst dramatischer Charakterzeichnung geschildert. Und es war ein durchaus richtiges Formgefühl, daß der Dichter diesen gewaltigen Stoff auf den Kothurn des rhyth= mischen Verses hob. Allein der Stoff selbst ist ein Mißgriff. Die Niobesage, für die antike Tragik so angemessen, ist für die moderne Tragik unverwendbar; uns sind die pfeilsendenden Götter nur todte

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